Tierwohl-Cent: Tierwohlabgabe soll Landwirtschaft finanziell entlasten

Autor: Ann-Cathrin Witte/dpa | Kategorie: Essen und Trinken | 08.02.2024

Agrarminister Cem Özdemir hat ein neues Konzept-Papier für eine Tierwohlabgabe auf Fleisch und Fleischprodukte vorgestellt.
Foto: travelview/Shutterstock

Bis 2040 könnten die Kosten für den Umbau der Tierhaltung in Deutschland hin zu mehr Nachhaltigkeit auf 3,6 Milliarden Euro pro Jahr steigen. Um die Landwirtinnen und Landwirte dabei zu entlasten, hat das Agrarministerium ein Konzept erarbeitet, das als Grundlage für die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte, dienen soll.

Angesichts der anhaltenden Bauernproteste gegen die Streichung von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel, hat Agrarminister Cem Özdemir den Landwirtinnen und Landwirten nun eine mögliche Entlastung an anderer Stelle in Aussicht gestellt. Auf Bitte der Ampel-Fraktion hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ein Konzeptpapier erarbeitet, dass als Grundlage für die Einführung einer Verbrauchssteuer auf Fleisch und Fleischprodukte dienen soll. Sie trägt den Namen "Tierwohl-Cent".

Was steckt hinter der Tierwohlabgabe?

Die Idee: Verbraucherinnen und Verbraucher sollen mehr Geld für Fleisch und Fleischprodukte zahlen. Dieses Geld soll dann bei den Landwirtinnen und Landwirten ankommen und sie beim Umbau von Ställen und Höfen hin zu einer nachhaltigeren und tiergerechteren Landwirtschaft unterstützen. 

Wirklich neu ist dieses Konzept allerdings nicht. Bereits 2020 schlug eine Kommission um dem früheren Agrarminister Jochen Borchert eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte im Supermarkt als mögliche Finanzierungshilfe vor. Denn, so ermittelte die Kommission: Der Umbau der gesamten Tierhaltung in Deutschland hin zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit wird bis 2040 pro Jahr einen schrittweise steigenden Finanzierungsbedarf von 3,6 Milliarden Euro benötigen. Um den Umbau zu finanzieren, schlug die Kommission einen denkbaren Aufschlag von 40 Cent je Kilo Fleisch und Wurst vor. 


Die Tierwohlabgabe könnte Fleisch und Fleischprodukte für Verbraucherinnen und Verbraucher teurer machen.
Die Tierwohlabgabe könnte Fleisch und Fleischprodukte für Verbraucherinnen und Verbraucher teurer machen. (Foto: stockfour/Shutterstock)

Welche Produkte sind für die Tierwohlabgabe vorgesehen? 

Konkrete Zahlen nennt das aktuelle Konzeptpapier von Cem Özdemir nicht. Die Höhe der Tierwohlabgabe soll "politisch entschieden", also mit dem Finanzministerium abgestimmt werden. Angewendet werden könnte die Abgabe laut dem Papier auf  "Fleisch, Fleischerzeugnisse und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse", sowie "Verarbeitungsprodukte mit einem bestimmten Anteil von Fleisch, Fleischerzeugnissen oder genießbaren Schlachtnebenerzeugnissen".

Verantwortlich für die Erhebung der Abgabe wäre, laut dem Vorschlag des Agrarministeriums, der Zoll. Abgeführt werden soll die Tierwohlabgabe für einheimische Ware vor allem von Schlachthöfen und Zerlegungsbetrieben. Aber auch auf importiertes Fleisch möchte das Ministerium die Abgabe anwenden. Für die Importware soll dann aber der Handel die Tierwohlabgabe zahlen. Fleischexporte wiederum, sollen von der Abgabe ausgenommen sein, mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit. 

Die Steuereinnahmen aus der Tierwohlabgabe würden zuerst in den Bundeshaushalt fließen. Das könnte problematisch werden, schreibt unter anderem der Tagesspiegel, denn: Von dort können die Einnahmen nicht verbindlich der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung zugeschrieben werden, weil dies nicht mit dem EU-Recht vereinbar ist. Stattdessen würden sie dort entsprechend dem Gesamtdeckungsprinzip zur Deckung aller Ausgaben verwendet werden.

Deutschlandweit protestieren Landwirte gegen die Streichung von Steuervergünstigungen bei Agrardiesel.
Deutschlandweit protestieren Landwirte gegen die Streichung von Steuervergünstigungen bei Agrardiesel. (Foto: Filmbildfabrik/Shutterstock )

Tierwohlabgabe: Was sagen Landwirte?

Der neue Vorschlag stieß auf Seiten landwirtschaftlicher Verbände auf ein durchwachsenes Echo. Positiv reagierte zum Beispiel Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Wenn wir den Umbau der Tierhaltung wollen und weiterhin Fleisch aus Deutschland essen wollen, kommen wir an diesem Weg nicht vorbei. Ohne Tierwohlabgabe ist dies nicht möglich. Der Markt regelt dies nicht alleine", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Von einem "faulen Kompromiss" sprach dagegen der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krösken, gegenüber dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Der Tierwohlcent dürfe nicht als eine Art Ersatz für den Subventionsabbau beim Agrardiesel gedacht sein, erklärte er. Grundsätzlich sei die Idee aber ein "wichtiger Baustein für den erfolgreichen Umbau der Tierhaltung".

Tierschutzbund begrüßt den Vorschlag

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, begrüßte den Vorschlag des Agrarministers: "Endlich kommt was in Bewegung. Eine Fleischabgabe haben wir schon lange gefordert. Nach dem Borchert-Konzept geht es um 40 Cent je Kilogramm. Wer Fleisch isst, dem muss das Tier vier Cent je 100 Gramm Fleisch zusätzlich wert sein. Wer sich dagegen ausspricht, dem sind die Tiere egal", sagte er in einer Pressemitteilung des Tierschutzbundes. 

Gleichzeitig mahnte er: "Jetzt liegt ein Konzept auf dem Tisch, das den Landwirten Planungssicherheit und finanzielle Mittel bereitstellt und gleichzeitig den dringend notwendigen Umbau der Tierhaltung in Deutschland voranbringen kann. Ganz entscheidend für die Umsetzung einer Abgabe ist, dass die Zusatzeinnahme nicht für das Stopfen von Haushaltslöchern oder zur Kompensation anderer Kürzungen missbraucht wird. Das zusätzliche Geld muss ausnahmslos zweckgebunden für Tierschutzfortschritte eingesetzt werden, um nachweislich mehr Tierschutz umzusetzen."

Auch ÖKO-TEST begrüßt den Vorschlag. Katja Tölle, stellvertretende Chefredakteurin: "Bauern hierzulande brauchen Planungssicherheit für die Zukunft. Planungssicherheit, dass sie ihre Ställe umbauen können, dass sie Investitionen zum Wohle der Tiere tätigen können, dass sie auf Bio-Landbau umsteigen können. Und Verbraucher und Verbraucherinnen müssen die Sicherheit bekommen, dass ihre Abgabe auch so ankommt, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden können."

Verhaltener äußerte sich die Chefin der Verbraucherzentrale, Ramona Pop. Sie mahnte eine zeitliche Begrenzung der Tierwohlabgabe an. Sie dürfe nicht zu einer dauerhaften finanziellen Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher werden. Zudem müsste, die Tierwohlabgabe an Bedingungen geknüpft sein, denn: "Verbraucher und Verbraucherinnen müssen sich darauf verlassen können, dass der Aufpreis, den sie zahlen, auch an der richtigen Stelle ankommt", sagte sie gegenüber den Funke-Zeitungen. "Die Zahlungen sollten daher nur an die Landwirte und Landwirtinnen gehen, die nachweislich für mehr Tierwohl in ihren Ställen sorgen."

Kritik an der Tierwohlabgabe

Kritik gab es von Seiten der FDP und der CDU. Der Vorschlag von Cem Özdemir würde an den eigentlichen Nöten der Landwirte vorbeigehen, sagte zum Beispiel der FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer gegenüber dem bayerischen Rundfunk und kritisiert, dass "die Steuereinnahmen ohne Verwendungsbindung in den Bundeshaushalt gehen würden."

Auch Unionsfraktionsvize Steffen Bilger ist erstmal skeptisch. "Eine neue Fleischsteuer zur Abfederung zusätzlicher Kosten durch den Stallumbau ist kein Ausgleich für die Belastung der Landwirtschaft durch das von der Koalition beschlossene Agrardiesel-Aus", erklärte er gegenüber der dpa. Zudem liege noch kein von allen Koalitionspartnern getragenes Konzept zur Finanzierung des Stallumbaus und zur Deckung der deutlich höheren Betriebskosten für Tierwohl-Ställe vor. 

Weiterlesen auf oekotest.de: