Forderung 1: Eine nationale Kerosinsteuer soll eingeführt werden, die bis 2030 auch auf die EU ausgeweitet wird.
Derzeit erheben die Niederlande als einziges Land der EU eine Steuer auf Kerosin. Alle anderen Kraftstoffe, die Verbraucher zum Reisen benötigen, werden dagegen besteuert, vor allem Benzin und Diesel, aber auch Strom, Erdgas und Wasserstoff.
8,1 Milliarden Euro Einnahmen durch Kerosinsteuer
Auf Benzin werden für Verbraucher etwa unter anderem die Mineralölsteuer sowie die Mehrwertsteuer fällig. Bei einem Benzinpreis von 1,50 Euro pro Liter betragen die Abgaben daher zum Beispiel insgesamt fast 60 Prozent. Das verzerrt den Wettbewerb zwischen den Verkehrsmitteln massiv.
Durch die fehlende Kerosinsteuer verzichtete der Staat nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) im Jahr 2017 auf 8,1 Milliarden Euro Einnahmen: Geld, das die Bundesrepublik nicht nur für einen besseren Klimaschutz einsetzen könnte.
150 Euro statt bisher 42 Euro Ticketsteuer für Fernflüge
Forderung 2: Die Luftverkehrsteuer soll kurzfristig mindestens verdoppelt und bis 2030 so weit erhöht werden, dass die fehlende Mehrwertsteuer auf Flüge ins Ausland ausgeglichen wird.
Deutschland erhebt seit 2011 eine Luftverkehrssteuer, die anfällt, wenn ein Reisender von einem deutschen Flughafen abfliegt. Aktuell machen die Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer laut UBA rund 1,2 Milliarden Euro aus. Für Flüge innerhalb Deutschlands muss außerdem die Mehrwertsteuer auf den Ticketpreis bezahlt werden – für Flüge ins Ausland dagegen normalerweise nicht.
Das UBA möchte diesen Verlust ausgleichen, indem die Luftverkehrssteuer um den beeindruckenden Faktor 3,5 erhöht wird. Für einen Fernflug fielen dann beispielsweise 150 Euro statt bisher 42 Euro Ticketsteuer an. So könnten laut UBA jährlich 4,2 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen werden.
Keine kostenlosen CO2-Zertifikate mehr für Airlines
Forderung 3: Der Emissionshandel im Luftverkehr soll verschärft werden.
Seit 2012 nimmt die Luftfahrtbranche am europäischen Emissionshandel teil. Jede Airline, die Flüge zwischen Flughäfen in Europa durchführt, muss seither nachweisen, dass sie überhaupt so viel CO2 ausstoßen darf, wie ihre Flugzeuge erzeugen. Dazu erhält sie zunächst kostenlose CO2-Kontingente von den Staaten zugeteilt und muss dann zusätzliche CO2-Zertifikate am Markt einkaufen, wenn ihre Kontingente erschöpft sind. Die Höhe der gesamten Emissionen ist von der EU gedeckelt und sinkt von Jahr zu Jahr.
Bislang hatte dieses Mittel nicht den gewünschten Erfolg – die Emissionen im Flugverkehr stiegen stattdessen weiter an. Hier fordert das UBA Nachbesserungen, unter anderem sollen Airlines keine kostenlosen Zertifikate mehr erhalten. Auch soll es Luftfahrtunternehmen nicht mehr möglich sein, CO2-Zertifikate einfach aus anderen Branchen zuzukaufen als der eigenen, weil sonst kein echter Veränderungsdruck entsteht.
Etwa jeder 100. Deutsche ist von Fluglärm betroffen
Forderung 4: Mehr Lärmschutz, unter anderem durch Lärmkontingente für Flughäfen
Das UBA betrachtet nicht nur Klima-, sondern auch Lärmschutz als Teil eines umweltschonenden Luftverkehrs. Nach Angaben des Amtes ist etwa jeder 100. Deutsche von Fluglärm betroffen.
Um Abhilfe zu schaffen, sollen Flugrouten umgelegt und Standorte anders geplant werden, damit beispielsweise der Nachtflugbetrieb von Flughäfen in dünnbesiedelten Gebieten abgewickelt werden kann. Ein weiterer interessanter Vorschlag: Ähnlich wie bei den CO2-Zertifikaten könnten Lärmkontingente an einzelne Flughäfen vergeben werden, die nicht überschritten werden dürfen.
Innerdeutsche Flüge sollen überflüssig werden
Forderung 5: Mehr Geld für die Bahn.
Das UBA setzt allein auf die Schiene: Bahnverbindungen zwischen Ballungszentren sollen bis 2030 so weit ausgebaut werden, dass sie innerhalb von vier Stunden zurückgelegt werden können. Das erscheint ambitioniert: Von München nach Hamburg braucht der ICE heute noch rund sechs Stunden.
Bis 2050 soll das Schienennetz, den Wünschen des UBA zufolge, sogar so gut ausgebaut sein, dass innerdeutsche Flüge überflüssig werden. Auf diese Weise würde auch der Ausbau von Flughäfen gebremst, der dann nicht mehr nötig sei.
Nahezu emissionsfreier Flugverkehr ist das Ziel
Forderung 6: Technische Verfahren, die emissionsfreie Kraftstoffe für den Flugverkehr liefern könnten, sollen gefördert werden.
Sogenannte Power-to-Liquid-Verfahren sollen künstliches Kerosin liefern, das aus erneuerbarem Strom, Wasserstoff und CO2 hergestellt wird. Dieser synthetische Treibstoff könnte dazu beitragen, nahezu emissionsfreien Flugverkehr zu ermöglichen. Leider sind entsprechende Verfahren noch nicht marktreif, in Deutschland existieren erst Pilotanlagen.
Das UBA fordert deshalb, die Entwicklung und Erprobung von Anlagen im In- und Ausland staatlich zu fördern. Auch soll eine Quote vorgeschrieben werden, nach der Power-to-Liquid-Kraftstoffe zukünftig verwendet oder dem Treibstoff beigemischt werden müssen, um die Entwicklung (zusätzlich) zu beschleunigen.
Umweltschonendes Fliegen – ein Kommentar
Unser Autor Lino Wirag meint dazu: Die Forderungen des Umweltbundesamtes sind im Kern richtig, aber noch lückenhaft und gehen grundsätzlich nicht weit genug: Weder Amt noch Politik konnten sich bislang zu der Einsicht durchringen, dass es effektiver wäre, den jährlich wachsenden Reiseverkehr grundsätzlich infrage zu stellen. Das wäre auch viel verlangt, käme es doch dem Eingeständnis gleich, dass unbegrenzte Mobilität nicht zu haben ist, ohne die Kapazitäten des Planeten zu überfordern.
Außerdem müsste eine solche Haltung mehr auf Vorschriften und Verbote setzen als auf den Glauben, der Markt werde den Klimaschutz schon gewährleisten, wenn der Staat ihm nur die richtigen Abgaben in der richtigen Höhe auferlegt. Das Versagen des Emissionshandels im Flugverkehr der letzten Jahre spricht Bände.
Noch weniger Mobilität für Menschen mit niedrigem Einkommen
Dazu kommt: Steuererhöhungen auf Konsumausgaben, zu denen das Fliegen zählt, sind sozial ungerecht, wenn sie keine Ausgleichsmechanismen für Geringverdiener vorsehen. Bei den Vorschlägen des UBA ist das erschreckenderweise nicht der Fall. Sie würden bedeuten, dass Menschen mit niedrigen Einkommen nicht mehr so viel Mobilität genießen könnten wie Bessergestellte. Tickets, die plötzlich 150 statt 42 Euro Luftverkehrsteuer kosten, verstärken das gesellschaftliche Ungleichgewicht und verteilen gemeinsame Ressourcen nicht gerecht.
Das UBA wiegelt ab, bei einer Verteuerung von Flugreisen wären "die negativen sozialen Effekte begrenzt, weil sozioökonomisch schwächere Zielgruppen ohnehin seltener das Flugzeug benutzen." Ein zynisches Argument, besagt es doch, dass soziale Ungleichheit dann gerechtfertigt ist, wenn sie nur eine Minderheit trifft, die ohnehin schon schlechtergestellt ist.
Ein Aspekt, der fehlt: Fernbusse
Und schließlich: Zur Forderung des Amtes, mehr Geld in die Bahn zu investieren, muss ergänzt werden, dass das UBA selbst erst Ende 2018 festgestellt hat, dass der Reisebus bei längeren Strecken eine leicht bessere CO2-Bilanz aufweist als die Bahn. Das scheint man im eigenen Haus aber bereits wieder vergessen zu haben.
Das ist schade, denn: Mithilfe von Fernbussen, auch elektrisch oder mit Wasserstoff betrieben, könnte der innereuropäische Reiseverkehr vergleichbar günstig, vergleichbar schnell und ausgesprochen umweltfreundlich umgestaltet werden. Der große Vorteil: Ein ausgezeichnetes Straßennetz ist – im Gegensatz zur Schiene – bereits im ganzen Land vorhanden. Damit der Fernbus aber überall freie Fahrt hätte, müsste der Pkw zurückstehen – was erklären könnte, warum sich in der Auto-Nation Deutschland bislang niemand für diesen Gedanken erwärmen konnte.
Quellen: UBA, Spiegel, Deutschlandfunk u.a.
Externer Link:
- Publikation "Wohin geht die Reise?" des Umweltbundesamtes (November 2019)
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