Es gibt sie, die guten Nachrichten. Die Beispiele, die Mut machen. Chris Reij erzählt sie gerne, wird nie müde, von diesem unerwarteten ökologischen Wunder im Land Niger zu berichten. Der afrikanische Staat zählt zu den am wenigsten entwickelten Nationen der Welt. Das Bildungsniveau ist erschreckend niedrig, nur etwa die Hälfte der Erwachsenen kann lesen. Die Geburtenrate dagegen ist eine der höchsten der Welt: Die Bevölkerung hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verdreifacht. Das Land ist unwirtlich, Wüsten nehmen etwa zwei Drittel der Fläche ein.
Die Mehrheit der Nigrer lebt im Süden, der zur Sahelzone gehört. Hier aber werden die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen immer knapper. Das hat auch mit dem starken Bevölkerungswachstum zu tun: Die Parzellen, die eine Familie ernähren müssen, sind klein. Das wiederum führt meistens dazu, dass das Land zu intensiv genutzt wird und die Böden verarmen. Bäume werden abgeholzt, um Brennholz für den Eigenbedarf und den Verkauf zu gewinnen - mit der Folge, dass die Sonne Ackerflächen erbarmungslos austrocknet. Fällt dann starker Regen, dringt der nicht mehr in den Boden ein, sondern schwemmt die fruchtbare Oberschicht einfach weg. Genau wie starker Wind, der die staubtrockenen Äcker schlicht verweht. Kein Wunder also, dass Dürren und Missernten in Niger immer wieder zu furchtbaren Hungersnöten geführt haben.
Aus diesem Land sollen gute Nachrichten kommen? Ja, sagt der Niederländer Reij, die positive Entwicklung im Niger sei einzigartig, beispielhaft für den Sahel und vielleicht für ganz Afrika. Reij ist Experte für nachhaltiges Landmanagement am Zentrum für Internationale Zusammenarbeit der Universität Amsterdam, seit vielen Jahren beschäftigt der Wissenschaftler sich mit der Sahelzone.
Auch wenn er die Erfolgsgeschichte wahrscheinlich zum x-ten Male erzählt, spricht er begeistert und verbreitet einen schier unerschütterlichen Optimismus. Es klingt ja auch ziemlich unglaublich: Im südlichen Niger gibt es heute 200 Millionen mehr Bäume als noch vor 20 Jahren, etwa fünf Millionen Hektar Land sind wieder ergrünt und fruchtbarer geworden.
Noch unglaublicher als diese Zahlen ist die Geschichte, wie die Wiederbegrünung erreicht wurde. Nicht durch breit angelegte Wiederaufforstungskampagnen, nicht durch großzügig verteilte Spenden oder intensiv betreute Entwicklungshilfeprojekte. In Gang gekommen ist der grüne Fortschritt vor allem durch Hunger und Frustration.
Angestoßen hat die Entwicklung ein Mann namens Tony Rinaudo, der damals für eine christliche Organisation und heute für World Vision Australia in Afrika arbeitet. Frustriert von den katastrophalen Misserfolgen beim Anpflanzen junger Bäume entdeckte Rinaudo, dass längst abgeholzte Bäume, von denen eigentlich nur noch die Wurzeln übrig waren, wieder ausschlugen. Während der großen Dürre und Hungersnot 1984/85 bot er Landwirten im Niger Lebensmittel an - im Gegenzug aber mussten sie sich um die ausschlagenden Stümpfe kümmern: Nur einer der Triebe durfte stehen bleiben und sich weiter entwickeln, musste dann aber vor Viehverbiss und Holzsammlern geschützt werden. Schon nach etwa zwölf Monaten war klar, dass sich aus dem einen Trieb ein stattlicher Baum entwickelte. Ein Baum, der Schatten spendet, den Boden durch die herabfallenden Blätter verbessert, dem Vieh zusätzliches Futter bietet und außerdem noch Feuerholz für den Ofen liefert.
Der schnelle Erfolg und die einfache Methode sprachen sich unter den Einheimischen herum. Heute ist diese preiswerte und rasche Form der Wiederbegrünung bekannt als "Farmer Managed Natural Regeneration" und wird nicht nur im Niger, sondern auch in Burkina Faso, Mali und Äthiopien erfolgreich angewendet. Die Anfangsschwierigkeiten sind längst überwunden: Dazu zählten vor allem die Ängste der Landwirte, sich mit der neuen Methode lächerlich zu machen oder durch die Bäume eine schlechtere Ernte einzufahren. Der Erfolg in anderen afrikanischen Regionen überzeugt die Zweifler inzwischen schnell.
Landwirte müssen den Nutzen für sich sehen
Äußerst wichtig und nicht ganz so einfach ist es aber, den gesetzlichen Rahmen für die Erfolgsgeschichte zu schaffen: Die Leute, die sich um die Bäume kümmern, müssen auch - zumindest über einen längeren Zeitraum - die Nutzungsrechte an ihnen haben. Nur mit einem berechtigten Eigeninteresse werden die Farmer junge und alte Bäume pflegen und bewachen. "Wir brauchen natürlich eine Politik und eine Gesetzgebung, die Millionen von Landwirten und Viehhaltern dazu motiviert, die natürlichen Ressourcen zu schützen und in sie zu investieren", weiß auch Chris Reij, der niederländische Wissenschaftler. "Deshalb ist nicht nur die Pflege der Bäume wichtig, sondern auch der Dialog mit den afrikanischen Regierungen über Landwirtschaftspolitik und Forstgesetze. Sonst können wir den Kampf nicht gewinnen."
Es ist der Kampf gegen die Landverödung, den Reij meint. Wer sich die Fakten anschaut, kann den Optimismus des Holländers nur bewundern. Denn die Tatsachen sind mehr als ernüchternd. Die Menschheit verliert im wahrsten Sinne des Wortes an Boden. Jedes Jahr werden zwölf Millionen Hektar eigentlich fruchtbaren Landes zur Wüste, in der kaum noch etwas wächst. Zwölf Millionen Hektar, das ist etwa dreimal die Größe der Schweiz.
Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist ein Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche der Erde gefährdet oder schon betroffen, in 110 Ländern der Erde. Afrika gilt zwar als der am stärksten betroffene Kontinent, aber auch in Asien veröden inzwischen große Flächen, vor allem in Indien, ebenso in Australien, Nord- und Südamerika und auch in Europa.
Hier liegen die gefährdeten Gebiete vor allem in Südspanien: Wo früher Obst- und Mandelbäume blühten, Kaktusfeigen und Wein an den Hängen wuchsen, ist heute oft nur noch karges Land. Neben dem hoch industrialisierten Gemüseanbau mit seinen riesigen Monokulturen, der die traditionelle Landwirtschaft verdrängte, ist der Tourismus der Hauptgrund für die Landverödung in Spanien. Weit mehr als eine Million Hektar Wald wurden in den vergangenen Jahren abgefackelt, um Platz zu schaffen für Hotels und Feriendörfer. Spanien ist aber kein typisches Beispiel für die Desertifikation, wie der Fachbegriff für diese von Menschen verursachte Bodendegradation heißt. Denn betroffen von der schleichenden Verwüstung sind häufig die Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern.
Die Ursachen für die Desertifikation sind schon lange bekannt. Gefährdet sind vor allem aride oder semiaride Landschaften, das sind wasserarme, recht trockene Gebiete. Hier fällt wenig Niederschlag, aber die Vegetation ist eigentlich an die Bedingungen langer Trockenheit angepasst. Allerdings darf der Mensch dieses fragile ökologische Gleichgewicht nicht stören. Doch das passiert immer häufiger, beispielsweise wegen der wachsenden Bevölkerung: Mehr Menschen brauchen mehr Essen, mehr Wasser, mehr Feuerholz. Bäume und Sträucher werden abgeholzt, das Land intensiver bewirtschaftet. Bracheperioden sind kurz oder fallen ganz aus, der ohnehin nicht besonders nährstoffreiche Boden hat damit kaum Zeit, sich zu erholen. Gibt die Erde nichts mehr her, machen Ackerbauern den Viehhaltern Flächen streitig. Das Vieh kann nicht mehr wie früher lange Strecken übers Land wandern, sondern muss auf immer den gleichen Wiesen weiden - und auch diese Flächen können sich kaum regenerieren.
Das geht so lange gut, wie Regen fällt - nicht zu viel und nicht zu wenig. Fällt zu wenig, trocknet der Boden aus: Dann wächst kaum noch etwas und der Wind verweht die obersten Schichten, da sie nicht mehr durch Gras, Pflanzen oder Bäume gehalten werden. Fällt zu viel Regen, wird fruchtbare Erde einfach weggeschwemmt.
Beides passiert immer häufiger. Denn der Klimawandel hat die Situation verschärft: Die Regenzeiten haben sich in den vergangenen Jahren verschoben, die Entwicklung des Wetters ist für die Einheimischen kaum noch vorhersehbar. "Die Landwirte - egal, ob in Asien, Afrika oder Lateinamerika - machen alle sehr ähnliche Beobachtungen: Die normalen Jahreszeiten mit gemäßigten Temperaturen verschwinden mehr und mehr", sagt John Magrath von Oxfam.
Die Hilfsorganisation hat für eine Studie drei Jahre lang Bauern in verschiedenen Teilen der Welt befragt, ob und wie sich das Wetter geändert hat. "Die Ergebnisse sind bemerkenswert, weil es eine außergewöhnliche, weltweite Übereinstimmung gibt: Die Jahreszeiten werden wärmer und trockener, die Regenzeiten kürzer und heftiger."
Die neuen Unregelmäßigkeiten machen es den Bauern schwerer, sich auf die alten Erfahrungen zu verlassen. Wann ist die beste Zeit, zu säen und zu pflanzen? Wann muss die Ernte eingeholt werden, damit nicht alles verloren geht? Die Bewirtschaftung der trockenen Gebiete ist noch schwieriger geworden, als sie es ohnehin schon war.
Armut und Klimawandel sind aber nicht nur Ursachen der Desertifikation, sondern auch Folgen der Wüstenbildung. Denn nur intakte Böden speichern Kohlenstoff, während verödete Landschaften CO2 freisetzen - mit direkten Folgen für den Treibhauseffekt. Auf den vertrockneten, ausgelaugten Böden können die Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern, Unterernährung und Krankheit sind die Folgen.
Die große Hungersnot in Ostafrika führt es derzeit wieder drastisch vor Augen: Die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten hat vor allem viele Somalier zu Flüchtlingen gemacht, doch auch in Kenia, Äthiopien, Uganda, Dschibuti und Eritrea fehlt der Regen. Felder vertrocknen, Vieh verendet, Menschen hungern.
Auf der Flucht vor Armut und Hunger
Wer keine Hoffnung mehr hat, dass sich die Lage in absehbarer Zeit verbessert, macht sich auf den Weg: in Flüchtlingslager, in fruchtbarere Gebiete, in größere Städte, um dort Hilfe oder Arbeit zu finden. Doch die große Zahl der Betroffenen beansprucht nicht nur die natürlichen Ressourcen des neuen Wohnortes oft über Gebühr, sondern führt auch zu sozialen Spannungen und Konflikten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 135 Millionen Menschen - fast so viele wie in Deutschland und Frankreich zusammen leben - durch die Desertifikation zu Flüchtlingen werden. Mehr noch: Durch die zunehmenden Verluste an landwirtschaftlicher Fläche sei die Ernährung jedes sechsten Erdbewohners gefährdet. Und das in Zeiten wo die Nahrungsmittelproduktion eigentlich gesteigert werden müsste, um die wachsende Weltbevölkerung ausreichend versorgen zu können.
Klimawandel, Flüchtlingsströme, abnehmende Ernährungssicherheit, sich verstärkende soziale und regionale Konflikte sowie der Verlust an biologischer Vielfalt in den Trockengebieten: Die Verwüstung hat drastische Folgen, die alle Länder der Welt spüren werden - auch wenn sie nicht direkt betroffen sind. Dass der Desertifikation etwas entgegengesetzt werden muss, ist deshalb schon lange politischer Konsens.
Seit Jahrzehnten bereits beschäftigen sich die Wissenschaftler mit dieser negativen Entwicklung, erforschen die Ursachen der Landdegradierung und wirksame Gegenmaßnahmen. Denn die gibt es: zum Beispiel das Terrassieren von abschüssigen Flächen, damit der Regen nicht alles den Berg hinunterspült, das Bauen von Steinwällen, um dem Wind etwas entgegenzusetzen, das Anlegen von Flussschwellen, dank derer mehr Menschen vom Wasser profitieren, Kochöfen, die deutlich weniger Holz verbrauchen. Über das Netzwerk DesertNet International, dem inzwischen über 250 Mitglieder aus 45 Ländern angehören, tauschen Forscher verschiedenster Fachrichtungen ihre Informationen und Studien aus.
Ob es immer noch Forschungsbedarf gibt? Mariam Akhtar-Schuster, die DesertNet mit anderen Wissenschaftlern im Jahr 2006 gegründet hat und heute Vorsitzende des internationalen Vereins ist, sieht vor allem noch Lücken bei der Praxisorientierung: "Bisher stand vor allem die Grundlagenforschung im Mittelpunkt, die sehr naturwissenschaftlich ausgerichtet war. Jetzt aber muss es darum gehen, die Menschen in den Fokus zu rücken, die unterschiedlichen Bedürfnisse und Zwänge in den Regionen zu erfassen und Optionen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu erarbeiten."
Soll heißen: Die besten Erkenntnisse und Programme nützen nichts, wenn die Leute vor Ort keinen Sinn darin sehen und nicht davon profitieren. Erfolge im Kampf gegen die Desertifikation werden nur dann Bestand haben, wenn er von den Betroffenen selbst geführt wird. Die meisten Hilfsorganisationen haben diese Lektion schon lange gelernt und planen sinnvolle Maßnahmen gemeinsam mit den Menschen vor Ort.
Ein Beispiel aus Tadschikistan: In der Region Berg-Badachshan im Pamir-Gebirge begann die Verwüstung nach Auflösung der Sowjetunion. Früher lieferte Moskau immer genug Kohle und Öl für die kalten Winter. Doch mit der Unabhängigkeit Tadschikistans im Jahr 1991 war damit Schluss. Um heizen und kochen zu können, begannen die Leute, den Yak-Dung aufzusammeln, der sonst den Boden düngte, die kostbaren Auenwälder in den Flusstälern abzuholzen und schließlich auch die Tereskenbüsche zu verheizen, die eigentlich als hochwertiges Viehfutter dienten und darüber hinaus den Boden noch stabilisierten. "Wer will ihnen daraus einen Vorwurf machen? Bei Wintertemperaturen bis zu minus 40 Grad Celsius ist Heizmaterial überlebenswichtig", meint Dr. Anneke Trux von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ, früher Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit).
Regierungen müssen Nutzungsrechte übertragen
Die GIZ engagiert sich im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegen die Desertifikation und unterstützt zahlreiche Projekte, so eben auch in Tadschikistan. Denn als die Bäume und Büsche abgeholzt waren, bemerkten die Leute, was sie eigentlich wert waren: Dem Vieh fehlte das Futter, Brennmaterial musste von immer weiter weg beschafft werden, der Boden wurde weggeschwemmt, Sand bedrohte die Felder, es konnte nicht mehr genug angebaut werden.
In einigen Dörfern ist es gelungen, den Auenwald wieder zu beleben. Der Bestand hat sich erstaunlich schnell erholt, Weiden und Pappeln spenden wieder Schatten, ihre Wurzeln halten die Böden. Stachelige Sanddornhecken halten das Vieh fern, das sonst die jungen Triebe fressen würde. Überzeugt hat die Menschen weniger der Gedanke, dass sie die Umwelt schützen müssen, sondern die Aussicht auf Feuerholz und Viehfutter sowie auf Früchte wie Sanddorn, die sie vermarkten können.
Der Schlüssel zum Erfolg war deshalb, dass der Wald, der in Tadschikistan normalerweise dem Staat gehört, für längere Zeit an die Einheimischen verpachtet wird. Die Pächter verpflichten sich zur Einhaltung gemeinsam vereinbarter Forstmanagementpläne und dürfen einen Großteil der zulässigen Ernte an Holz, Heu und Früchten behalten.
Und auch für den Staat lohnt sich die Pacht: Der Anteil der Waldprodukte, der ihm zukommt und zum Beispiel zur Versorgung öffentlicher Einrichtungen dient, ist immer noch mehr als das, was der Staat vorher in Eigenregie erwirtschaftet hat. "Die nationalen Regierungen müssen lernen, dass es sich beim Kampf gegen die Desertifikation lohnt, Rechte zu übertragen", sagt Trux. Auch hier spiele der ökonomische Anreiz wieder eine große Rolle: "Wenn eine Regierung die Kosten der Landverödung mal von der volkswirtschaftlichen Seite betrachtet, ist sie eher von den notwendigen Maßnahmen zu überzeugen."
Wenn der politische und gesetzliche Rahmen stimmt, lässt sich einiges erreichen. Als Ende der 90er-Jahre im afrikanischen Mali die Verwaltung dezentralisiert wurde, bot sich beim Aufbau der neuen Kommunen die Chance, nicht nur demokratische Strukturen institutionell zu etablieren, sondern auch die Nutzung des Landes zu überprüfen. Boden befindet sich in Mali formell in Staatseigentum, doch den neuen Gemeinden steht eine Reihe von Befugnissen zu: Sie können Flächen unter Schutz stellen, damit sie sich erholen, die Nutzung räumlich und zeitlich beschränken und bei Verstößen auch Strafen verhängen.
Bislang kamen sich in Mali Ackerbauern und Viehhalter immer wieder in die Quere: Die Landwirte wirtschafteten auf früheren Viehwanderwegen, die Viehherden fraßen die Jungpflanzen auf, Hirten hackten frisch wachsende Bäume ab. Solche Konflikte eskalierten oft in Gewalt, brachten Verletzte und auch Tote. "Über die Gemeinden kann man zum ersten Mal flächenmäßig sinnvolle Vereinbarungen treffen", erzählt Dirk Betke, der für die GIZ seit zehn Jahren in Mali arbeitet. In dem malisch-deutschen Programm zur Kommunalförderung geht es auch darum, alle Konfliktparteien zu einem Gespräch zusammenzubringen, die Probleme zu diskutieren, gemeinsam Lösungen zu finden und dann verbindlich zu verabschieden. "Wir unterstützen die Gemeinden dabei, ihre Rolle als Verwalter und Konfliktmanager zu übernehmen. Das ist ja Neuland für alle Beteiligten."
Eine lokale Nutzungsvereinbarung zu erreichen kann Jahre dauern, doch zu vielen positiven Veränderungen führen. Ein gutes Beispiel ist die malische Gemeinde Bellen, eine bitterarme Kommune im Sahel. Hier leben etwa 5.000 Einwohner verteilt auf rund 3.000 Quadratkilometer, und auch hier kam es immer wieder zu gewalttätigen Konflikten zwischen Viehhaltern und Ackerbauern. In langen und hochsensiblen Verhandlungsrunden gelang es dem Gemeinderat, sich mit den Beteiligten auf verbindliche Weidekorridore und Etappenplätze mit Wasserstellen zu einigen. "Solch ein Prozess ist immer schwierig, weil ja irgend jemand nachgeben und sich zu einem Kompromiss bereit erklären muss", weiß Dirk Betke.
In Bellen ließen sich Familien, deren Felder quer auf den kilometerbreiten Weidekorridoren lagen, überzeugen, im Sinne des Gemeinwohls und um des Friedens willen diese Flächen aufzugeben. Im Gegenzug bekamen sie ertragsfähiges Ersatzland zugewiesen, das von allen gemeinsam gerodet und für die nächste Saison bestellbar gemacht wurde.
In Bellen ist ganz deutlich eine Verbesserung zu erkennen. Auf den Äckern wächst es gut, die jungen Bäume können sich entwickeln, das Vieh hat ausgedehnte Flächen zur Verfügung. Ist die Ernte eingebracht, darf das Vieh die Reste von den Feldern fressen - die Bauern haben dann im Gegenzug den Dung, mit dem sie den Boden verbessern können. Wer gegen die Regeln verstößt, die von freiwilligen Überwachungskomittees kontrolliert werden, wird bestraft. "Die Bekämpfung der Desertifikation braucht auch einen funktionierenden institutionellen Rahmen", meint Betke.
Die Wiederbegrünung in Niger, die erneut wachsenden Auenwälder in Tadschikistan, das ausgehandelte Miteinander von Bauern und Viehzüchtern in Mali: Diese und andere Projekte zeigen, dass es sie gibt, die guten Nachrichten im Kampf gegen die Desertifikation. Aber auch etwas anderes wird klar: Es ist eine hartnäckige Überzeugungsarbeit, ein Weg der vielen kleinen Schritte. Wäre man pessimistisch, könnte man auch vom berühmten Tropfen auf den heißen Stein sprechen. "So darf man die Arbeit nicht sehen, sondern muss sich an den ermutigenden Beispielen orientieren", meint Anneke Trux von der GIZ. Denn es gibt keine Alternative, will die Menschheit nicht weiter an Boden verlieren.
Die Wüstenkonvention der Vereinten Nationen
Die Sahelzone: Über 6.000 Kilometer lang und mehrere hundert Kilometer breit ist dieser Streifen, der die Sahara im Norden von den Trocken- und Feuchtsavannen im Süden trennt. Er zieht sich vom Senegal im Westen Afrikas bis nach Eritrea und dem nördlichen Äthiopien im Osten des Kontinents. Eigentlich ist das Gebiet keine unfruchtbare Gegend: Sahil heißt im Arabischen Ufer oder Küste - wer früher aus der angrenzenden Sahara kam, dem erschien diese halbtrockene Zone mit ihrer im Vergleich zur Wüste üppigen Vegetation wie das rettende Ufer oder die lang herbeigesehnte Küste. Und doch steht diese Region wie kein anderes Gebiet auf der Welt für Trockenheit, Hunger und Not. Geprägt wurde dieses Bild vor allem durch die beiden großen Dürren in den 70er- und 80er-Jahren, bei denen Hunderttausende starben. Die Fernsehbilder der ausgezehrten Mütter mit ihren verhungernden Kindern, die Tierskelette auf den ausgetrockneten, harten Böden sind vielen noch im Gedächtnis eingebrannt.
Mit dem Ende der ersten großen Dürre im Sahel begann der politische Versuch, die Landverödung und Desertifikation zu bekämpfen. 1977 tritt die United Nations Conference on Desertification in Kenia zusammen und beschließt einen Aktionsplan. Doch erst 17 Jahre später wird die United Nations Convention to Combat Desertification (UNCCD) verabschiedet, die inzwischen von mehr als 180 Ländern der Welt ratifiziert ist. Ziel der Konvention ist eine dezentrale Hilfe, bei der die betroffenen Menschen vor Ort mitreden, mitgestalten und auch von den Maßnahmen profitieren.
Interview
Dr. Birgit Müller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig hat sich mit den Folgen von Regen-Index-Versicherungen befasst.
ÖKO-TEST: Eigentlich klingt das nach einer guten Idee: Regen-Index-Versicherungen sichern Landwirte in vom Klimawandel besonders betroffenen Regionen gegen Dürren ab. Fällt weniger Regen als der vereinbarte Schwellenwert, dann erhalten die Landwirte eine Entschädigung, die ihnen das Überleben sichern soll. Wie verbreitet sind solche Versicherungen bislang?
Birgit Müller: Die Rain-Index-Versicherungen gibt es schon seit 2003 und werden derzeit in etwa 20 Ländern angeboten. In Indien beispielsweise sind sie schon recht verbreitet. Aber in den meisten Ländern werden sie noch im Rahmen von Pilotprojekten auf ihren Nutzen und die Akzeptanz erprobt.
ÖKO-TEST: Können sich Bauern in den ärmsten Ländern der Welt überhaupt eine solche Versicherung leisten?
Müller: Das muss sich noch zeigen. In den Pilotprojekten werden die Regen-Index-Versicherungen häufig vom Staat subventioniert. Oder Hilfsorganisationen wie Oxfam bezahlen die Versicherung, wenn sich Landwirte als Gegenleistung an Gemeinschaftsprojekten wie dem Bau von Regenwasserauffanganlagen beteiligen. Ob die Regen-Index-Versicherungen später weiter von den Landwirten abgeschlossen werden, hängt natürlich auch vom Wetter ab. Fällt mehrere Jahre ausreichend Regen, sieht mancher die Notwendigkeit einer solchen Absicherung wahrscheinlich nicht mehr. Auf der anderen Seite: Gibt es mehrere Dürrejahre und müssen die Versicherungen zahlen, werden sie möglicherweise auch die Prämien erhöhen. Dann stellt sich natürlich die Frage neu, wer sich das noch leisten kann.
ÖKO-TEST: Ihre Studie hat ergeben, dass die Versicherungen auch negative Folgen haben könnten. Wie das?
Müller: Wenn eine Versicherung schon in trockenen Perioden zahlt, mit denen der Landwirt eigentlich noch zurecht kommt, kann das zu einer veränderten Landnutzung führen. Die Leute haben sich ja mit ihren traditionellen Bewirtschaftungsmethoden an schwankende Niederschlagsmengen angepasst. Ein Beispiel: Viehzüchter schonen in regenreichen Jahren einen Teil der Fläche, auf dem sich das Gras dann besser regenerieren kann und der dann in trockenen Jahren als Reserve zur Verfügung steht. Diese Vorsorge und nachhaltige Bewirtschaftung könnte wegfallen, wenn die Versicherung schon bei mittleren Dürren zahlt. Es müsste also auch ein Ziel sein, dass Regen-Index-Versicherungen nur in Extremfällen zahlen, damit solche traditionellen Risikomanagementstrategien nicht verloren gehen.