Am Rande einer Berliner Demo von „Fridays for Future“ im Februar haben wir Linus Steinmetz für ein Interview getroffen. Er ist einer der Köpfe der Klimaschutz-Bewegung in Deutschland.
Linus Steinmetz von Fridays for Future im Interview über tatenlose Politiker und Vereinnahmung
ÖKO-TEST: Was verbindest du mit dem Wort „Zukunft“?
Linus Steinmetz: Unsicher. Unklar. Aber auch auf jeden Fall irgendwie mit Hoffnung verbunden. Also wenn ich mir ansehe, was wir in den letzten drei Monaten geschafft haben, wie viele Menschen auf die Straße gegangen sind, ohne dass wir jetzt super professionell waren oder ohne dass wir hauptamtliche Mitarbeiter gehabt hätten, denke ich, dass wir auf jeden Fall ein bisschen Hoffnung wagen können.
Warum machst du überhaupt bei „Fridays for Future“ mit?
Ich habe relativ viel Frustration gespürt oder das Gefühl gehabt, machtlos zu sein. Und mich nicht in dem Maße beteiligen zu können, wie ich es wollte. Das trifft gerade auf das Thema Klimaschutz zu. Es gibt viele so Pseudo-Beteiligungsmöglichkeiten, wo man den Bundestag oder ein internationales Gremium simuliert. Aber so tatsächlich und sehr konstruktiv Dinge zu verändern als Jugendlicher, das ist sehr schwer. Und dann war dieses Fridays for Future die perfekte Gelegenheit, das zu entladen und da ganz viel Arbeit reinzustecken und tatsächlich was zu bewegen.
Das komplette Interview ist in der aktuellen April-Ausgabe des ÖKO-TEST-Magazins erschienen. Hier können Sie es als e-Paper kaufen.
„Natürlich war Greta Thunberg eine Inspiration“
Wie ist eure Bewegung entstanden?
Natürlich war Greta Thunberg, die Schwedin, eine Inspiration und ist auch immer noch ein Vorbild für uns. In Deutschland gab es mehrere Personen, mehrere Gruppen, die total Lust darauf hatten, sich total inspiriert gefühlt haben und sich zusammengeschlossen haben. Es gab nicht den einen Streik bundesweit, wo eine Person gesagt hat: „Wir machen das jetzt.“ Wir sind über soziale Netzwerke organisiert und schreiben uns gegenseitig an und sagen dann: „Okay, das und das können wir ja mal machen.“ Vor dem ersten Streik am 14. Dezember, am Montag vor dem Freitag, haben wir angefangen, uns zu schreiben und uns zu vernetzen und haben gesagt: In vier, fünf Tagen müsste das eigentlich gehen. Und dann waren wir 16 Städte, die gestreikt haben. Das war sehr spontan.
Ihr kommuniziert über WhatsApp?
Ja. Wir teilen uns da in ganz verschiedene Gruppen auf, auch in Ortsgruppen. Wir sind basisdemokratisch organisiert. Einzelne Personen vertreten die Ortsgruppen auf bundesweiter Ebene. Das sind aber keine gewählten Repräsentanten und die wechseln auch. Sie sollen nicht ihre eigene Meinung vertreten, sondern die der Ortsgruppen und dort die Schnittstelle darstellen.
„Greenpeace, der BUND oder auch Campact unterstützen uns“
Ihr seid Schüler und verdient in der Regel selbst noch kein Geld. Wer unterstützt euch finanziell?
Zunächst einmal haben wir ein Spendenkonto, das durchaus mittlerweile eine Einnahmequelle ist. Auf der anderen Seite haben wir auch einige Organisationen und Verbände, die uns sagen: „Wir finden toll, was ihr macht, können wir euch unterstützen?“ Das sind dann rein administrative Aufgaben, bei denen uns geholfen wird, wo wir beraten werden. Wie sorgt man dafür, dass weit über 100.000 Flyer oder über 300.000 Sticker zentral gedruckt und bestellt werden? Damit haben wir natürlich keine Erfahrung und da helfen uns dann verschiedene Umwelt- oder Demokratieverbände.
Wer zum Beispiel?
Umweltverbände wie Greenpeace oder der BUND, aber zum Beispiel auch Campact unterstützen uns ganz viel. Und dafür sind wir auch sehr dankbar. Auch dafür, dass wir nicht vereinnahmt werden, sondern dass die sagen: Okay, wenn ihr Unterstützung braucht, geben wir Unterstützung. Aber wir kommen nicht mit Flaggen und es ist eure Aktion. Das ist eine sehr gute Regelung so.
„Wir wollen Peter Altmaier nicht auf unseren Demos haben“
Kritiker sagen, ihr lasst euch instrumentalisieren.
Ja. Das finde ich lachhaft. Wenn man sich mit der Bewegung beschäftigt, sieht man, wie viel Zeit wir investieren, dass wir nicht vereinnahmt werden. Und dass das dann gerade die politischen Kräfte sagen, die zeitweise versuchen, sich an uns anzukuscheln oder tatsächlich uns zu vereinnahmen. Wie zum Beispiel, dass auf einmal ein Bundeswirtschaftsminister …
Peter Altmaier (CDU) ...
... den wir auf jeden Fall nicht auf unserer Demo haben wollen, sondern von dem wir wollen, dass er seinen Job macht, bei uns auftaucht und nach guten Bildern strebt. Ich sehe da einen Mechanismus, der dazu neigt, Jugendlichen ihren eigenen Willen abzusprechen. Sobald Jugendliche es mal schaffen, sich zu artikulieren und ihre Botschaft und ihr Anliegen zu kommunizieren, wird auf einmal gesagt, dahinter stehen andere und sie könnten selber ja gar nicht auf die Idee kommen.
„Wir wollen keine super-professionelle Show abziehen“
Was tut ihr, um unabhängig zu bleiben?
Zum Beispiel reden wir mit den Organisationen, die uns unterstützen und versuchen klar zu machen: Auf Pressefotos wollen wir Schülerinnen und Schüler sehen, die mit selbst gemalten Plakaten demonstrieren. Wir wollen nicht eine super-professionelle Show abziehen, die von Organisationen gemacht wurde. Zum anderen sagen wir in der Kommunikation mit Parteien: Wenn ihr unsere Inhalte unterstützt, ist das wunderbar. Wir stellen uns aber nicht klar hinter die eine oder andere Partei.
Ihr fordert grundsätzlich mehr Klimaschutz. Gibt es konkretere Forderungen, auf die eure Bewegung sich einigen kann?
Es ist ja nicht unsere Aufgabe, einen Maßnahmenkatalog aufzustellen, weil wir eben noch Schülerinnen und Schüler sind und nicht Wissenschaftler und auch nicht Politiker. Die Forderungen stehen schon fest. Das sind die Klimaziele von Paris. Und es wurde auch schon sehr viel darüber geredet und festgestellt, wie man das umsetzen kann. Was fehlt, ist einzig und allein die Konsequenz der Politiker, was zu tun.
Glaubst du daran, dass sich die Politik von euch beeinflussen lässt?
Ich glaube zuerst einmal, dass es ein hartes Stück an Überzeugungsarbeit werden kann, weil auch andere Interessengruppen in dem Feld agieren. Wir sehen aber auch, dass wir schon einen großen Einfluss haben. In Göttingen versuchen wir, Stadtratsentscheidungen oder Budgetverhandlungen zu beeinflussen, indem wir streiken. Solche Dinge sind sehr konkret auf lokaler Ebene zu betreiben. Auf der anderen Seite sehen wir auch, dass wir innerhalb von drei Tagen, indem unser öffentlicher Brief an die Kohlekommission veröffentlicht wurde, von eben dieser Kohlekommission eingeladen wurden und sprechen durften, was ungewöhnlich war und uns sehr gefreut hat. Aber wir wissen auch, dass da noch viel mehr dahintersteckt und dass wir das noch ausbauen können.
„Ein Moment, in dem man sich sehr machtvoll fühlt“
Was ist so schön am Streiken?
Man merkt, dass man nicht alleine ist. Es bin nicht nur ich, der das Problem sieht und der was tun will, sondern wir sind ganz ganz viele Menschen. Und wir arbeiten zusammen und wir kämpfen für unser Ziel. Das ist ein Moment, in dem man sich sehr machtvoll und sehr verstanden fühlt. Dieses Bandenhafte, schon fast.
Das komplette Interview ist in der aktuellen April-Ausgabe des ÖKO-TEST-Magazins erschienen. Hier können Sie es als e-Paper kaufen.