In der kalten Jahreszeit wächst täglich die Sehnsucht nach dem Erwachen des neuen Lebens in der Natur. Grüne Spitzen werden voller Sehnsucht erwartet. Nur allzu gern möchte man die Zeit einfach nach vorne drehen.
Gärtnerinnen und Gärtner kennen dafür ein gutes Mittel. "Schon im 18. Jahrhundert haben die Menschen ein Rezept gegen die Wintertristesse entwickelt und die Natur ins Haus geholt", sagt Dieter Gaißmayer, Staudengärtner und Vorstand des Museums der Gartenkultur in Illertissen. Er meint damit die Treiberei von Hyazinthenzwiebeln.
Spezielle Gläser bringen die Hyazinthe zum Blühen
"Die duftenden Frühlingsblüher lassen sich im Schutz der Wohnung verfrühen", so Gaißmayer. Wer im Januar daran Freude haben will, muss mit dem Projekt rund zwei Monate zuvor starten.
Dazu werden speziell behandelte Zwiebeln der Hyazinthe auf dekorative Gläser mit Wasser gestellt. Diese meist farbigen Hyazinthengläser sind schlank und hoch. Das besondere Charakteristikum ist eine Verjüngung im oberen Segment. Darüber öffnet sich das Glas nochmals wie eine kleine Schale, in der die Zwiebel sicher liegt.
"Wenn man von behandelten Zwiebeln spricht, bedeutet es, dass diese Zwiebeln bereits einige Wochen kühl gelagert wurden", erklärt der Staudengärtner. So geht man sicher, dass das Wachstum in Gang kommt.
So werden die Hyazinthengläser gebaut
Die Hyazinthengläser werden bis etwa zwei Fingerbreit unter die Verjüngung mit Wasser gefüllt. Der flache Boden der Zwiebel darf nicht das Wasser berühren. "Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sich Fäulnis entwickelt", sagt Dieter Gaißmayer.
"Am besten verwendet man abgekochtes, zimmerwarmes Leitungswasser", rät Jolanda van Amerom, Diplom-Ingenieurin der Agrarwissenschaften und Blumenzwiebelgärtnerin aus Ostingersleben.
Die spitze Seite der Zwiebel wird verdunkelt. Dazu werden traditionell bunte Papierhütchen verwendet. Dieter Gaißmayer weist darauf hin, dass diese kegelförmige Abdeckung für Kinder eine spannende Sache ist. Man kann die Kegel aus festem, farbigem Papier basteln. Der Staudengärtner schwärmt, dass man so die Begeisterung für Pflanzen bei der Jugend fördert und wunderbare Erinnerungen bei den Kindern prägt.
Erst wachsen Wurzeln, dann die Triebe
"Hyazinthen treiben bei kühlen Raumtemperaturen zuverlässig aus", sagt Jolanda van Amerom und ergänzt, dass 7 bis 9 Grad Lufttemperatur ausreichend für das Wachstum sind. Zunächst entwickeln sich die weißen, kaum verzweigten Wurzeln im Wasser. Anschließend beginnt das Wachstum von Blättern und Blüten. Mit Hilfe der Temperatur lässt sich die Entwicklung steuern. Sind die Wurzeln gut gewachsen, hebt der Trieb allmählich das Hütchen hoch.
Wenn bis zu diesem Zeitpunkt ein unbeheizter Keller, eine kalte Garage oder ein Gartenhaus der richtige Standort für die Gläser mit den Zwiebeln waren, wird es nun Zeit, die Hütchen abzunehmen, die Gläser hell zu stellen und das Wachstum zu beobachten.
"Auch wenn in diesem Jahr die Wohnungen kühler bleiben, sind auch 18 Grad eher warm für die Hyazinthen", sagt der Staudengärtner fest. Er rät zu einem sehr hellen, aber für uns dennoch kühlen Standort. Das kann das Küchenfenster sein, an dem regelmäßig gelüftet wird, oder das Schlafzimmerfenster oder ein Regal auf dem Balkon.
Die sorgsame Standortwahl hat zwei positive Effekte. Zum einen hat man länger etwas von der Vorfreude und zum anderen wächst der kräftige Stiel mit den Blüten kompakter. "Anderenfalls werden die Blütentriebe weich und lang, so dass sie leicht mit dem schönen Glas umkippen", sagt Jolanda van Amerom.
Der Trick mit dem Floristendraht
Ihr Tipp, um das zu vermeiden: Kurz bevor sich die ersten Blüten öffnen, steckt man einen ein Millimeter starken Floristendraht von oben durch den hohlen Stiel bis in die Zwiebel. "Der Stiel wird so nicht beschädigt, der Draht bleibt unsichtbar und die Wasserversorgung der Hyazinthe ist gesichert", erläutert die Blumenzwiebelgärtnerin ihren Trick.
Etwas Besonderes ist der Duft der Hyazinthen, der sich in der Wohnung verbreitet. Je kühler die Pflanzen stehen, desto angenehmer ist dieses Parfüm. Dieter Gaißmayer rät, dass man die Hyazinthen am besten immer nur für einige Stunden in die wärmeren Wohnräume holt und beispielsweise nachts kühl stellt.
Jolanda von Amerom hat die Erfahrung gemacht, dass die Treiberei etwa acht Wochen dauert, so dass man rechtzeitig mit der Treiberei beginnen muss. "Will man im Januar die ersten blühenden Hyazinthen in der Wohnung haben, sollte man spätestens in der zweiten Novemberhälfte mit der Treiberei beginnen", rät Dieter Gaißmayer.
Alternative zum Hyazinthenglas: Topf mit Blumenerde
Nicht jeder hat ein Hyazinthenglas. Als Alternative bietet sich an, die Hyazinthenzwiebel in einen Topf mit lockerer Blumenerde zu setzen. Zunächst wird nur mäßig gegossen. Und wenn die Entwicklung in Gang kommt, hält man die Erde gleichmäßig feucht.
Dieter Gaißmayer gibt den Tipp, ein größeres Gefäß mit Hyazinthenzwiebeln zu bepflanzen. Man deckt diesen Topf zum Verdunkeln mit einem entsprechend großen Eimer ab. Die Lücken zwischen den Zwiebeln werden mit etwas Moos gefüllt und dazwischen steckt man Reisigzweige. "Diese Äste geben den Blütenstielen Halt", sagt der Staudengärtner und beschreibt diese Kreation als willkommenen Hyazinthenrausch in den Winterwochen.
Es gibt in den Winterwochen auch vorgetriebene Hyazinthen zu kaufen. "Das ist aber nur der halbe Spaß", sagt Dieter Gaißmayer und führt aus, dass die Beobachtung von Wurzelwachstum und Sprossen des Blütentriebs faszinierend schön ist. Es lenkt vom Wintergrau ab.
Neben der Hyazinthe eigenen sich auch die sogenannten Weihnachtsnarzissen für die Treiberei. Die angebotenen Zwiebeln sind ebenfalls vorbehandelt und können in Erde gesetzt werden.
Das A und O für den Erfolg besteht bei den Narzissen in einer gleichmäßigen Bodenfeuchte. Diese muss gewährleistet sein, damit sich die Blütenanlagen zu prachtvollen meist weißen Blüten mit einem feinen Parfüm entwickeln.
Weiterlesen auf oekotest.de: