Die Himmelsschleusen öffneten sich, während in der Tagesschau der Wetterbericht lief. Um 20.10 Uhr begann es am 21. Juli 2007 über Baiersdorf, einer Kleinstadt in Mittelfranken, zu regnen, besser: zu schütten. Regelrechte Sturzbäche ergossen sich über den Ort, der trotz der Nähe zum Fluss Regnitz von Hochwasser üblicherweise verschont bleibt: "Die Stadt wurde auf einer Terrasse gebaut", sagt der Erste Bürgermeister Andreas Galster. Das Wasser kam aber an jenem Tag nicht aus dem Flussbett, sondern von oben: Innerhalb von nur vier Stunden gingen 200 Liter Regen je Quadratmeter auf die Stadt und die umliegenden Berge nieder. Die Folge: Eine wahre "Wasserwand" sei auf den Ort zugerollt, sagt Galster. Sie überschwemmte Straßen und Keller, setzte Turnhallen und Firmengebäude unter Wasser. Aus Gullys schossen wahre Fontänen, auf der A73 versanken Autos bis zu den Kühlerhauben in den Fluten. Ihre Insassen mussten mit Booten gerettet werden.
Die kurzen, aber heftigen Regenfälle waren verheerend. Auf 70 Millionen Euro beziffert Galster die Schäden einer Katastrophe, wie sie Baiersdorf zuvor in mindestens einem halben Jahrhundert nicht erlebt hatte. Ein einmaliger Schicksalsschlag war die Sturzflut indes offenbar nicht. Seit 2007 seien Teile der Stadt nach heftigen Niederschlägen bereits zweimal von erneuten Überflutungen bedroht gewesen, so Galster. Und in diesem Juli gingen erneut 100 Liter je Quadratmeter nieder - allerdings einige Kilometer entfernt von der Stadt. Glück gehabt, sagt Galster, "aber die Wahrscheinlichkeit, dass es uns trifft, steigt."
Diese Beobachtung des Baiersdorfer Bürgermeisters wird von Experten bestätigt. "Intensive Starkregen verursachen auch weitab von Gewässern als Sturzfluten erhebliche Schäden", heißt es in einer im Frühjahr vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) publizierten Studie. Sie untersucht, welche Zusammenhänge es zwischen der - so der Titel - Herausforderung Klimawandel und extremen Wetterereignissen in der Bundesrepublik gibt. Die Ergebnisse sind einigermaßen alarmierend. Tornados und Sturzregen, Dürrephasen und Überschwemmungen werden Deutschland weit öfter als bisher ereilen. Es sei "mit häufiger auftretenden Unwetterereignissen" und in der Folge auch mit zunehmenden finanziellen Schäden zu rechnen, heißt es.
Gestützt auf Modellrechnungen von Klimaforschern wie Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) wird vorhergesagt, dass etwa Schäden durch schwere Stürme und Hagel in den Jahren bis 2040 um sieben Prozent, bis 2070 sogar um 28 Prozent zunehmen könnten. Während die Folgen des Orkans Kyrill, der im Jahr 2007 ganze Landstriche entwaldete und insgesamt Schäden von rund 2,4 Milliarden Euro anrichtete, an vielen Stellen noch immer zu sehen sind, warnen die Forscher bereits vor künftigen Stürmen mit "drastisch erhöhten Windgeschwindigkeiten".
Auch schlimme Hochwasser könnten das Land künftig häufiger treffen: Fluten, wie sie bisher alle 50 Jahre auftraten, dürften künftig in deutlich kürzerer Folge anrollen; die dadurch verursachten Schäden könnten sich bis 2100 je nach Szenario verdreifachen.
Wetterextreme gab es schon früher
Freilich: Viele der Aussagen sind noch im Konjunktiv gehalten und die Fachleute warnen auch davor, einzelne Unwetter wie Kyrill bereits als unmittelbare Folge des in Gang gekommenen Klimawandels zu deuten. Selbst die relativ dicht aufeinanderfolgenden Überflutungen, die etwa in Sachsen 2002, 2006 und erneut 2010 Flüsse wie Elbe und Neiße teils dramatisch über die Ufer treten ließen, sind aus Sicht der Experten keine neuartigen Erscheinungen. "Extreme gab es immer", sagt Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe: "Mal war die Ostsee noch im Mai völlig zugefroren, mal konnte man im Elsass mitten im Winter Kirschen ernten." Allerdings gibt es fundierte Gründe für die Annahme, dass Extremereignisse in den nächsten Jahrzehnten sowohl in ihrer Zahl als auch in der Intensität deutlich zunehmen werden. Zwar seien die Klimamodelle noch mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, sagt Gerstengarbe; sie lieferten daher keine verlässlichen Prognosen, sondern lediglich "Szenarien", deren Ergebnisse von den gewählten Ausgangsparametern abhängen. Allerdings gehen die Modellrechnungen inzwischen in eine eindeutige Richtung: "Es wird immer wärmer", sagt Gerstengarbe. Das Ziel, die globale Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu begrenzen , werde nicht mehr einzuhalten sein, warnte erst kürzlich der Präsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Gerhard Adrian. Fachleute halten eine Erwärmung um vier Grad für denkbar - womöglich sogar noch mehr.
Das hat Folgen: Höhere Lufttemperaturen und die wärmeren Weltmeere sorgen dafür, dass mehr Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt, die in der Folge deutlich mehr Energie enthält. Das lange Zeit stabile Klima gehe derzeit in einen instabilen Zustand über, sagt Gerstengarbe. Gerade in solchen Übergangsphasen, fügt er hinzu, "treten Extremereignisse verstärkt auf".
Weltweit lässt sich das bereits beobachten, sagt Peter Höppe, Leiter des Bereichs GeoRisiko-Forschung beim weltgrößten Rückversicherer Munich Re. Das Unternehmen hat mit inzwischen fast 300.000 Ereignissen die größte Datenbank über Naturkatastrophen weltweit und veröffentlicht unter dem Titel GEO TOPICS seit Jahren regelmäßig Übersichten. Für den Zeitraum von 1980 bis 2010 verzeichnet diese Bilanz 773 große und verheerende Naturkatastrophen, die rund zwei Millionen Todesopfer forderten und Gesamtschäden von 2,5 Billionen Dollar verursachten. Immerhin 88 Prozent davon waren "Wetterkatastrophen" wie Tornados und Hagelstürme, Sturm- und Sturzfluten, Hitzewellen oder Waldbrände. Auffällig sei, dass der Anteil dieser wetterbedingten Ereignisse zunehme, sagt Höppe - von 83 Prozent vor drei Jahrzehnten auf zuletzt fast 90 Prozent.
Klimawandel als Treiber
Höppe betont, dass der deutliche statistische Trend nicht nur eine einzelne Ursache hat. Dass die Schäden aus Naturkatastrophen stark ansteigen, liegt vor allem an sozioökonomischen Gründen wie Bevölkerungs- und Wertewachstum. Daneben leben immer mehr Menschen in exponierten Gebieten, etwa im von Hurrikans geplagten US-Bundesstaat Florida. Allerdings treffen die erwähnten Faktoren ebenso auf Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche zu - die freilich nichts mit dem Klimawandel zu tun haben. Die Anzahl solcher "geophysikalischen" Naturkatastrophen ist in den letzten 30 Jahren nur um das 1,4-Fache gestiegen, die durch Überschwemmungen oder Sturzfluten aber um den Faktor 3,5. Das sei klares Indiz dafür, dass es bei der Zunahme der Schäden durch Wetterkatastrophen "noch andere Treiber" gibt, sagt Höppe - mit hoher Wahrscheinlichkeit den Klimawandel. Dieser wird denn auch an vielen Stellen der Bilanz für das Jahr 2010 genannt, in dem es nach Angaben des Versicherungskonzerns 960 registrierte "Elementarschadensereignisse" gab - fast ein Rekordwert: Nur 2007 wurden weltweit mehr Naturkatastrophen verzeichnet. Rund 295.000 Menschen kamen ums Leben, womit 2010 "das zweittödlichste" der letzten 30 Jahre gewesen sei. Den Großteil der Todesopfer forderten zwar Ereignisse, die nicht mit dem Klimawandel in Zusammenhang zu bringen sind, allen voran das Erdbeben im Januar 2010 in Haiti, bei dem 222.570 Menschen starben. Verheerende Folgen hatten allerdings zum Beispiel auch die von großflächigen Waldbränden begleitete Hitzewelle in Russland, die mindestens 56.000 Tote forderte, oder die Überschwemmungen in Pakistan, bei denen 1.760 Menschen starben und die Schäden in Höhe von 9,5 Milliarden Dollar zur Folge hatte.
An diesen Katastrophen trägt die Veränderung des Klimas eine Mitschuld. In Russland etwa beobachten Wissenschaftler bereits seit 1985 Klimaumstellungen, in deren Folge es heißer und trockener geworden ist. Vorläufiger Extrempunkt der Entwicklung war die Hitzewelle im Sommer 2010, bei der Rekordtemperaturen gemessen wurden, wie seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen vor 130 Jahren nicht und die zur "tödlichsten Naturkatastrophe in der Geschichte des Landes" wurde. Verschärft wurden die gesundheitlichen Folgen der drückenden Hitze durch den Smog, den Wald- und Torfbrände verursachten. Die flammten nicht nur 2010 auf; ihre Zahl hat sich vielmehr binnen der letzten 15 Jahre mehr als verdoppelt. Begünstigt werden solche Brände zwar durch den Umstand, dass es in Russland erhebliche Defizite bei der Waldbewirtschaftung gibt. Entscheidender Faktor aber sei die Trockenheit gewesen, urteilen die Experten von Munich Re. Die Brände von 2010, resümieren sie, "beweisen zwar nicht den Klimawandel, zeigen aber exemplarisch, dass es sichtbare Hinweise darauf gibt".
2011: Das schadenträchtigste Jahr
Ein ähnliches Fazit wird mit Blick auf die Überschwemmungen in Pakistan gezogen. Es gebe "klare Hinweise" darauf, dass extreme sommerliche Regengüsse in dieser Region dramatisch zunehmen. Auslöser sei die starke Ausprägung des Sommermonsuns, die wiederum mit dem Klimawandel verknüpft wird. Auch die Entstehung von Hurrikans im Nordatlantik, die immer wieder verheerende Schäden in der Karibik und an den Küsten der USA anrichten, wird durch die zunehmende Erwärmung der Meere begünstigt. Insgesamt kommen die Autoren zum Fazit, dass sich im Jahr 2010 die globale Erwärmung fortgesetzt habe und am menschengemachten Klimawandel nach diesen Erkenntnissen kein Zweifel bestehen kann. Naturkatastrophen, heißt es, "fügen sich als extreme Ereignisse in regional beobachtete Trends ein, die sehr wahrscheinlich durch den Klimawandel begründet sind".
Klar sei aber, dass es sich um sehr langfristige Trends handelt und Einzelereignisse nichts beweisen. So ist zwar 2011 schon nach lediglich sechs Monaten aus Sicht der Versicherer das schadenträchtigste Jahr in der Geschichte. Doch das liegt vor allem an Erdbeben wie dem in Japan, mit Schäden von 210 Milliarden Dollar laut Munich Re die teuerste Naturkatastrophe jemals. Höppe verweist jedoch beispielsweise auch auf Überschwemmungen in Australien oder eine rekordverdächtige Tornadosaison in den USA. In beiden Fällen liege die Vermutung nahe, dass ein Zusammenhang zum Klimawandel bestehe: "Die Ereignisse passen in das Muster, welches man durch den Klimawandel erwartet."
Diese Beobachtungen im Großen, wie sie der Rückversicherer nicht zuletzt deshalb anstellt, um künftige Geschäftsrisiken besser abschätzen zu können, werden durch Analysen auf der regionalen Ebene gestützt. Ein Beispiel dafür liefert Sachsen. Dort befassen sich Experten am Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie seit Jahren mit der Klimaforschung. Wilfried Küchler, langjähriger Mitarbeiter der Behörde, begann vor einigen Jahren zu untersuchen, wie sich Großwetterlagen verändern. Diese sind entscheidend dafür, ob etwa kühle und regenreiche Luft vom Atlantik heranströmt oder ein stabiles Kontinentalhoch für Sommerwetter sorgt. Ein "verändertes Wetterlageverhalten", heißt es in dem im Frühjahr für Sachsen herausgegebenen, bundesweit bisher einzigartigen Kompendium Klima, liefert daher "Hinweise darauf, ob und in welchem Maße der globale Klimawandel Einfluss auf das lokale Klimageschehen besitzt".
Die Hinweise, die Küchler und seine Kollegen gefunden haben, sind mehr als deutlich. Zu den wichtigsten Erkenntnissen gehört, dass für Sachsen seltener Wetterlagen entscheidend sind, bei denen Luftmassen rasch von West nach Ost durchziehen. Eine "markante Zunahme" wird derweil bei sogenannten Trogwetterlagen beobachtet, die stabil über der Region liegen und vor allem im Sommer oft für andauernden, starken Regen sorgen. Markantestes Beispiel: das Hochwasser im Sommer 2002. Damals zogen Luftmassen, vom Atlantik kommend, über das Mittelmeer, erwärmten sich dort und sogen sich mit viel Wasser voll, das im Einzugsbereich der Elbe und ihrer Nebenflüsse abregnete. Folge war ein Ereignis, das als "Jahrhundertflut" bezeichnet wurde und nicht nur 21 Menschenleben allein in Sachsen forderte, sondern auch - zusammen mit einem gleichzeitigen Hochwasser an der Donau - Schäden in Höhe von 1,8 Milliarden Euro verursachte. Ähnliche Wetterlagen führten 2006 und 2010 erneut zu heftigen Überschwemmungen. Die deutlich häufiger beobachteten Trogwetterlagen, lautet das Fazit der sächsischen Wissenschaftler, hätten in jüngster Zeit immer öfter "zu Temperatur- und Niederschlagsextremereignissen in Europa geführt".
Die Folgen der veränderten Luftzirkulation sind also erkennbar, sagt Wilfried Küchler - auch in der Tatsache, dass "die Bauernregeln nicht mehr stimmen". Wirklich knackige Eisheilige waren in den vergangenen Jahren ebenso die Ausnahme wie der sprichwörtliche Altweibersommer, auch wenn das 2011 nicht zutreffen mag. Dagegen beobachten Fachleute ein neues Phänomen: den "Aprilsommer". Der bisher als wechselhaft, kühl und feucht bekannte Frühlingsmonat fällt immer öfter heiß und trocken aus, wofür eine stabile Südwest-Hochdrucklage sorgt. Ähnlich regenarm sind immer häufiger auch die Monate Mai und Juni, was Landwirte und Gärtner vor erhebliche Probleme stellt.
Küchler, der Wetterdaten bis zurück in die 1950er-Jahre untersucht hat, beobachtet vor allem in den zurückliegenden fünf bis zehn Jahren "auffällige, zuletzt gravierende" Veränderungen im Wettergeschehen. "In der Atmosphäre ist etwas gehörig durcheinandergekommen", sagt er. Auch Küchler hält die andernorts aus Computersimulationen abgeleitete Voraussage, dass extreme Wetterereignisse künftig deutlich häufiger auftreten werden, angesichts seiner eigenen Beobachtungen für sehr plausibel. Die Tendenz, sagt er, "ist schon da".
Das Klima wird also ungemütlicher in Deutschland. Die Sachsen, warnt das LfULG, müssen sich im Sommer auf deutlich längere Dürrezeiten einstellen; ironischerweise kann es gleichzeitig örtlich Überflutungen geben, wenn Starkregen niedergehen. Der gesamte Osten der Republik muss in den Sommermonaten immer häufiger mit heftigen Stürmen und Hagel rechnen - der Gesamtverband der deutschen Versicherer hält eine Zunahme um 61 Prozent für denkbar. Im Westen werden es vor allem "außergewöhnlich heftige" Winterstürme sein, die große Schäden anrichten. Deren Umfang, prophezeite die GDV-Studie im Mai, könnten in manchen Regionen um "über 100 Prozent" ansteigen.
Versicherer warnen
Solche alarmierenden Zahlen sollten Regionalplaner und Politiker, Hausbauer und Architekten eigentlich aufschrecken. Will man sich den zunehmend unberechenbareren Naturgewalten nicht wehrlos ergeben, seien Maßnahmen zur Anpassung notwendig, warnen die Versicherer. Sie fordern Landespolitiker auf, Risikogebiete für Hochwasser nicht mehr als Bauland zu verplanen, und appellieren, ausreichend Überflutungsgebiete auszuweisen. Planer in den Kommunen werden aufgerufen, Entwässerungssysteme so zu dimensionieren, dass sie auch Sturzregenfälle verkraften können.
Plädiert wird darüber hinaus für stabilere Dachkonstruktionen, die Stürmen besser trotzen, und dafür, bei energetischen Sanierungen Materialien zu nutzen, die Hagel standhalten. In den letzten Jahrzehnten, merken Experten an, seien Häuser nicht standhafter, sondern im Gegenteil anfälliger für Unwetterereignisse geworden, was höhere Schadenssummen zur Folge hat. Nicht zuletzt drängen die Versicherer auf den Abschluss von Policen, die bei sogenannten Elementarschäden zahlen - also etwa bei vom Sturm abgedeckten Dächern oder gefluteten Kellern. Bisher haben jedoch 72 Prozent der Hauseigentümer in Deutschland keine solche Versicherung, obwohl nach GDV-Angaben 98,5 Prozent aller Gebäude zu wirtschaftlichen Bedingungen abzusichern wären. Drei Viertel aller Eigentümer, klagt der Verband, seien sich "der Naturgefahren und der daraus resultierenden Kosten offenbar nicht bewusst".
Mancherorts drängt die Politik die Bürger mit mehr oder weniger sanftem Druck zur Einsicht. Sachsen etwa hat gerade eine Richtlinie beschlossen, derzufolge der Freistaat nach künftigen Naturkatastrophen mit Hilfszahlungen nur noch einspringt, wenn sich die Opfer nachweislich vergeblich um eine Versicherung bemüht haben - eine Erfahrung aus dem Jahr 2010, als das Hochwasser und ein Tornado zu Pfingsten Schäden von einer Milliarde Euro verursachten und viele Bürger wie nach der Elbeflut 2002 nach Hilfen vom Staat riefen. Andernorts sorgen erst einschneidende Erlebnisse dafür, dass sich die Bürger besser gegen Wetterextreme absichern. In Baiersdorf sei vor der Sturzflut vom Juli 2007 kaum jemand gegen Elementarschäden versichert gewesen, sagt Bürgermeister Andreas Galster: "Heute sind es praktisch 100 Prozent."
Freilich: Vielerorts wähnt man sich noch immer in womöglich trügerischer Sicherheit und hofft, das künftige Gewitterstürme oder Sturzregen am eigenen Haus vorbeiziehen. Zudem fühlten sich viele Bauplaner, Architekten, Kommunalpolitiker oder Hausbesitzer auch von der "Flut an Informationen" überfordert, sagt Antje Grobe von der "Stiftung Risiko-Dialog". Sie nennt als Beispiel die politische Forderung nach besserer energetischer Sanierung oder dem Bau neuer Solaranlagen - und die gleichzeitigen Warnungen vor zunehmenden Risiken durch Hagelschlag: "Wie soll sich der Einzelne da entscheiden?" Zudem weist Grobe darauf hin, dass sich zwar die Vorhersagemodelle insgesamt deutlich verbessert hätten, konkrete Aussagen für die regionale Ebene aber bisher fehlen: "Es gibt eine Bandbreite von Prognosen." Viele lokal Verantwortlichen stünden vor der Frage, auf welches Szenario sie sich einstellen sollen - auf das kleinste oder das größte anzunehmende Übel: "Das ist für viele ein Dilemma."
Die Stiftung empfiehlt, Strukturen zu schaffen, die erweiterungsfähig sind: "Infrastrukturmaßnahmen müssen so flexibel geplant werden, dass nachträgliche Anpassungen möglich sind." Wichtig sei dabei, dass die Verantwortlichen über die mögliche Bandbreite der Folgen des Klimawandels informiert sind. Dazu müssten freilich Vorhersagen detaillierter werden. Daran wird bundesweit gearbeitet - etwa am Karlsruher Institut für Technologie. Am dortigen Institut für Meteorologie und Klimaforschung versuchen Wissenschaftler wie Christoph Kottmeier beispielsweise, bessere Vorhersagen für die Gefährdung durch Hagelschlag zu ermöglichen.
Der ist gerade in Baden-Württemberg ein großes Problem: Er verursacht dort ein Viertel aller durch Naturereignisse bedingten Schäden an Gebäuden. Gleichzeitig sind die existierenden regionalen Klimamodelle bislang nicht in der Lage, die örtlich sehr begrenzten Hagelstürme verlässlich wiederzugeben. In einem Projekt mit dem Titel Hail Risk and Climate Change wird nun nach Indikatoren gesucht, mit denen bessere Prognosen möglich sind. In einer ersten Stufe wurden Radardaten und andere Messwerte mit Aufzeichnungen von Versicherern über Hagelschäden abgeglichen. Auch in diesem Fall ist die Tendenz deutlich, sagt Kottmeier: Das Potenzial für Gewitterstürme und Hagelschlag habe in den letzten 30 Jahren "statistisch signifikant" zugenommen.
Große Naturgewalten in Deutschland
- 1999 Sturm Lothar - 900 Millionen Euro Versicherungsschäden
- 2002 Elbeflut - 1,8 Milliarden Euro
- 2002 Sturm Jeanette - 820 Millionen Euro
- 2007 Sturm Kyrill - 2,4 Milliarden Euro
- 2008 Sturm Emma/Kirsten - 440 Millionen Euro
- 2010 Sturm Xynthia - 500 Millionen Euro
- 2010 Hochwasser Sachsen - 300 Millionen Euro