Sicher, es gab in Europa schon starke Dürren wie etwa 1976 mit völlig vertrockneten Feldern. Oder große Hitze wie 2003 mit mindestens 70.000 zusätzlichen Toten. Aber der Sommer 2022 sticht heraus, weil nach vorläufigen Bewertungen riesige Regionen besonders lange betroffen waren. "Es war sehr ungewöhnlich", sagt Omar Baddour, Leiter der Abteilung Climate Monitoring bei der Weltwetterorganisation (WMO) in Genf der dpa. "Fast ein Drittel der nördlichen Hemisphäre war betroffen."
Sommer 2022 führte zu schweren Dürren
Vielerorts kam es zu drei Arten von schweren Dürren gleichzeitig: die meteorologische Dürre mit weniger Niederschlägen, die landwirtschaftliche Dürre mit ausgetrockneten Böden und die hydrologische Dürre mit niedrigen Pegeln in Flüssen, Brunnen und Seen. Sie hängen zusammen, treten aber selten so massiv gleichzeitig auf. "
Dass diese Kombination auftritt, kann passieren, aber das Ausmaß ist eindrücklich und scheint sehr ungewöhnlich zu sein", sagt Baddour. Man müsse historische Wetteraufzeichnungen durchgehen, um Vergleiche zu suchen, aber wahrscheinlich sei so etwas – wenn überhaupt – wohl erst ein oder zweimal seit Beginn der Aufzeichnungen vorgekommen.
Folgen des Extremwetters: Ernteausfälle und Wasserknappheit
Was ist weltweit passiert? Von Südostasien über China, die USA, Afrika und Europa: Überall wurden Hitze- und Dürre-Rekorde aufgestellt und Wälder in Regionen brannten ab, die sonst kühler sind und kaum Waldbrandgefahr kennen. Millionen Menschen sind betroffen: Felder verdorren und Ernten fallen aus, Trinkwasser ist mancherorts knapp geworden. Fast überall heißt es: Noch nie war es so lange so heiß. Deutschland erlebte den sonnenreichsten, aber auch einen der wärmsten und trockensten Sommer. In Teilen Pakistans und des Sahel kommen noch verheerende Überschwemmungen dazu.
"Es hat schon immer Wetterextreme gegeben", sagt Baddour von der WMO. "Aber klar ist, dass sie durch den Klimawandel häufiger und in der Intensität stärker werden." Natürliche Klima-Variabilität gibt es zwar, wie die Wissenschaft betont. Aber die Folgen des Klimawandels können immer genauer bestimmt werden. In dieser sogenannten Attributionsforschung führend ist das Netzwerk World Weather Attribution um die deutsche Klimatologin Friederike Otto am Imperial College in London.
Extremwetter durch Klimawandel mancherorts 30-mal wahrscheinlicher
Ihr Team hat die Hitzewelle in Nordindien und Südpakistan im Frühjahr mit neuesten Klimamodellen untersucht. Hitzewellen gab es dort zwar schon immer, aber das Team kommt zu den Schluss, dass solches Wetter durch den Klimawandel 30-mal wahrscheinlicher geworden ist. Das Wetter bezieht sich auf den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt, während das Klima über einen Zeitraum von Jahrzehnten die typischen Verhältnisse beschreibt.
Auch ein Ereignis wie die Juli-Hitze in Großbritannien mit Spitzen von mehr als 40 Grad wäre nach Angaben des Netzwerks ohne die Klimaerwärmung seit der industriellen Revolution um vier Grad kühler ausgefallen. Das Team untersucht gerade den gesamten Extremsommer 2022. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Wärmere Polarregion beeinflusst Wetter
Der Klimawandel führt nicht nur zu höheren Durchschnittstemperaturen, sondern verändert auch die Zirkulationsmuster der Luftströme in der Atmosphäre, die das Wetter beeinflussen. "Motor der Zirkulation ist der Temperaturunterschied zwischen der kalten Polarluft und der warmen Luft in Äquatorregion", sagt Baddour. Weil die Polarregionen wärmer geworden sind, sei der Temperaturunterschied geringer und der Motor dadurch schwächer. Dies beeinflusst die typischen sogenannten planetarischen Wellen. Die Wellen bewegten sich weniger, sagt Baddour, und deshalb kommt es zu teils wochenlang anhaltenden Wetterlagen – wie in Europa die Hitze 2022.
Ob der nächste Sommer wie dieser wird, lässt sich nicht voraussagen. Denkbar seien auch Überschwemmungen in Europa, wenn die Zirkulation der Luftströme in ein anderes Muster umschlägt, das extremen Regen begünstigt, sagt Baddour.
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