Der Kampf gegen den Klimawandel hat längst die Gerichtssäle in Deutschland erreicht. Im Fokus steht dabei nicht nur die politische Debatte, sondern zunehmend auch die juristische Auseinandersetzung um konkrete Maßnahmen zum Schutz der Umwelt. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger sowie Organisationen greifen zu solchen Mitteln, um Regierungen zu mehr Klimaschutz zu zwingen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, dass die Bundesregierung ein Klimaschutzprogramm mit konkreten Maßnahmen aufstellen muss, um die Klimaziele einzuhalten. Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben.
Umwelthilfe hat mit Klage langfristige Ziele im Blick
Klimaklagen spielen laut Rechtsanwältin Roda Verheyen in Deutschland mittlerweile eine wichtige Rolle, da die Klimaziele immer wieder verfehlt werden. "Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 grundlegend gesagt: Es gibt ein Menschenrecht auf Klimaschutz, und das gilt es jetzt auch in die Wirklichkeit umzusetzen", erklärt die Klimaanwältin.
Mit ihrer aktuellen Klage möchte die DUH erreichen, dass die Bundesregierung ein Klimaschutzprogramm erlässt, das die Klimaziele auch tatsächlich erreicht.
Gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation BUND habe die Deutsche Umwelthilfe beim OVG Berlin-Brandenburg bereits einmal gewonnen, erinnert Verheyen. Die Bundesregierung sei auf Grundlage des Paragrafen 8 des Klimaschutzgesetzes zur Erstellung eines Sofortprogramms in den Sektoren Verkehr und Gebäude verurteilt worden. Dagegen läuft die Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
"Jetzt geht es der DUH um das langfristige Klimaschutzprogramm 2030 in der Fassung der Ergänzungen von 2023", erläutert Verheyen zum aktuellen Fall. Die Bundesregierung dagegen bestreitet vor allem die Zulässigkeit dieser Klage.
Auf mehr Klagen folgen mehr Gerichtsprozesse
Einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP zufolge seien 2022 weltweit knapp 2.200 Klimaklagen verhandelt worden. Bei der ersten Auflage des Berichts 2017 waren es noch weniger als 900. Die Zahl der Gerichtsverfahren hat sich demnach in den vergangenen fünf Jahren also mehr als verdoppelt.
In der Vergangenheit konnten bereits durch Klimaklagen in Deutschland – wie dem historischen Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts Anfang 2021 – Erfolge erzielt werden. Neben denen der DUH und anderer Organisationen sind auch Klagen von Privatpersonen von Bedeutung.
So haben etwa Klimaschützerinnen mit einer ersten Klage für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel Ende März 2024 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg gehabt. Der mangelnde Klimaschutz der Schweiz habe die klagenden Seniorinnen in ihren Menschenrechten verletzt, so die Richter. Die Frauen seien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben und in ihrem Recht auf ein faires Verfahren berührt worden, hieß es.
Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen sein, ist aber erst einmal nur in der Schweiz bindend. Dennoch ist es ein wichtiges Zeichen. Denn: Der EGMR mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat zählen die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Großbritannien oder die Türkei. Es könnte also gut sein, dass nationale Gerichte dem Urteil folgen.
Diese Klimaklagen landen vor deutschen Gerichten
Doch wie wird das alles von deutschen Gerichten behandelt und welche rechtlichen Grundlagen spielen dabei eine Rolle? "Es gibt da ein sehr diverses Bild", sagt Klimaanwältin Verheyen. Es ist kompliziert, denn nach Angaben von Greenpeace wird zwischen verschiedenen Typen von Klimaklagen unterschieden, die vor unterschiedlichen Gerichten auf Basis unterschiedlicher Gesetze verhandelt werden.
Verstößt etwa die Bundesregierung gegen geltende Gesetze, könne sie vor dem Verwaltungsgericht verklagt werden – so wie bei der aktuellen Klage der DUH vor dem OVG Berlin-Brandenburg.
Verletzen aber neu verabschiedete oder geänderte Gesetze Grundrechte, können Menschen gegen sie vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde einreichen.
Klimaklagen als wirksames Instrument?
Klagen gegen Unternehmen werden dagegen auf Basis des bürgerlichen Gesetzbuches vor Zivilgerichten verhandelt. Dabei gibt es laut Greenpeace zwei Arten: Zum einen seien dies Schadensersatzklagen für bereits freigesetzte Emissionen und die Schäden, die durch die so verursachte Erderhitzung entstehen. Zum anderen handele es sich um Unterlassungsklagen, wenn Produkte oder Unternehmensstrategien nicht mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem dort vereinbarten 1,5 Grad Celsius Ziel kompatibel sind.
Insgesamt zeigen diese Beispiele, dass Klimaklagen ein wirksames Instrument sein können, um Druck auf die Politik auszuüben und sie zu mehr Klimaschutz zu zwingen.
Dabei ist der Wunsch von Anwälten und Umweltorganisationen eigentlich ein anderer. Verheyen hofft irgendwann, "keine Klimaklagen mehr erheben zu müssen, weil einfach Gesetze und Klimaziele eingehalten werden". Der Staat werde sich so lange Klimaklagen aussetzen, wie Klimaziele nicht ausreichend ambitioniert seien oder die Klimaziele nicht eingehalten werden. "Wir haben nur noch 20 Jahre, um die gesamte Gesellschaft und Wirtschaft zu transformieren, da müssen alle ran, auch die Gerichte", meint sie.
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