Wir beantworten die wichtigsten Fragen unserer Leser zu Sonnenenergie, Windenergie und Bio-Gas – kompetent, umfassend und kritisch.
1. Solarenergie
Stimmt es, dass man zur Herstellung der Solarzellen mehr Energie benötigt, als die Solarzellen während ihrer Lebensdauer liefern können?
Die Frage stammt aus der Frühzeit der Photovoltaik, wird offenbar aber gern tradiert. Anfang der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelten Mitarbeiter der US-amerikanischen Telefongesellschaft Bell erste Siliciumsolarzellen. Diese hatten einen Wirkungsgrad von vier Prozent. Die Zellen wurden vor allem in der Raumfahrt genutzt, beispielsweise für die Stromversorgung von Satelliten. Handelsübliche Solarzellen erreichen aktuell Wirkungsgrade von 18 Prozent.
Wichtig für die Einschätzung der Leistung von Solarzellen sind die "energetische Amortisationszeit" und der "Erntefaktor". Die energetische Amortisationszeit gibt an, wie lange es dauert, bis eine Solarzelle die Energie produziert hat, die für ihre Herstellung aufgewandt wurde. Der britische Mineralölmulti BP nennt dazu einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) gibt eine Spanne zwischen 15 und 50 Monaten an. Wesentlich für die tatsächliche Dauer seien Zelltyp, Effizienzgrad und Standort der Anlage, so der BSW.
Der Erntefaktor beschreibt die Leistung der Solarzelle über ihre gesamte Lebensdauer. Dafür wird berechnet, wie oft sie die Energiemenge produziert, die für ihre Herstellung benötigt wurde. Ein Erntefaktor von eins würde demnach bedeuten: Die Zelle hat genau so viel Strom erzeugt, dass damit eine gleichartige neue Zelle hergestellt werden könnte. Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin, nennt folgende Erntefaktoren: monokristalline Anlagen 5,5; polykristalline Anlagen 8,0; Anlagen mit amorphen Solarzellen 11,0 (nicht kristalline Dünnschichtzellen); Anlagen mit CIS-Solarzellen 20,0 (Dünnschichtzellen auf Basis von Kupfer).
Ist denn überhaupt nachweisbar, dass Solarstrom CO2 einspart?
Ja, daran besteht kein Zweifel. Die Erntefaktoren von Solaranlagen sind mittlerweile beachtlich. Im laufenden Betrieb verursachen Solarstromanlagen zudem keine CO2-Emissionen, diese entstehen sämtlich bei der Herstellung der Komponenten. Laut Angaben der Deutsche Umwelthilfe spart jede Kilowattstunde Solarstrom, die ins Netz eingespeist wird, cirka ein Kilogramm CO2 ein. Der BSW schätzt, dass durch die in Deutschland installierten Solaranlagen in 2010 rund 6,4 Millionen Tonnen CO2 eingespart wurden.
Eine Gruppe von Forschern am Brookhaven National Laboratory der US-Regierung hat errechnet, dass Sonnenstrom fast 90 Prozent weniger klimaschädliche Emissionen verursacht als konventionell erzeugter Strom. Für die 2008 im Fachblatt Environmental Science & Technology publizierte Untersuchung wurden sogar Verkabelung und Gehäuse der Anlagen in die Berechnung einbezogen.
Profitieren nicht vor allem asiatische Solarproduzenten von der deutschen Solarstromförderung?
Besonders mit kostengünstigen Solarmodulen haben sich asiatische Hersteller in Deutschland in den vergangenen Jahren erhebliche Marktanteile gesichert. Nach Auffassung des Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) schadet das aber weder den deutschen Solarfirmen noch der Wirtschaft. "Das ist ein gesunder Wettbewerb um die besten Technologien und die günstigsten Preise, der letztendlich dem Verbraucher zugute
kommt", so der BSW. Der Branchenverband verweist zudem auf die im November 2010 vorgelegte Studie "Wegweiser Solarwirtschaft". Die Untersuchung zu den Zukunftsaussichten der Solarstrombranche hatte der BSW bei der Unternehmensberatung Roland Berger und dem Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmen Prognos in Auftrag gegeben. Die Experten sehen hervorragende Entwicklungsperspektiven für die deutsche Solarindustrie, auch bei Solarmodulen. Durch umfangreiche Kostensenkungen in der Produktion werde es der Branche gelingen, den Abstand zu asiatischen Herstellern zu verringern, prognostizieren die Autoren der Studie. Parallel dazu rechnen sie mit steigenden Aufwendungen für den Transport fertiger Module von Asien nach Europa.
Wie es weiter heißt, sind deutsche Unternehmen in anderen Segmenten des Photovoltaikmarktes noch weit besser aufgestellt. Demnach lag der Weltmarktanteil deutscher Hersteller von Wechselrichtern in 2010 bei 69 Prozent. Und der deutsche Maschinen- und Anlagebau habe 50 Prozent der Ausrüstung für neue Photovoltaikproduktionsanlagen weltweit geliefert. Im Maschinen- und Anlagebau werde der weltweite Kapazitätsausbau der Solarstrombranche vom Standort Deutschland aus betrieben, so die Studie. Roland Berger und Prognos erwarten, dass die deutsche Photovoltaikindustrie zu den großen Gewinnern beim kräftigen weltweiten Wachstum der Branche gehören wird.
Warum produzieren deutsche Photovoltaikhersteller im Ausland? Damit entstehen doch keine Arbeitsplätze in Deutschland.
Besonders Solarzellen und -module lassen sich im Ausland billiger herstellen. Nach Angaben des BSW kommen deutsche Hersteller deshalb besonders am Ende der Wertschöpfungskette nicht darum herum, verstärkt Fertigungsstraßen im Ausland zu errichten. In einigen Exportländern sei die Produktion vor Ort zudem eine politisch gewollte Marktzugangsvoraussetzung.
Laut der Studie "Wegweiser Solarwirtschaft" wird die Solarstrombranche in Deutschland dennoch langfristig rund 130.000 Arbeitsplätze sichern. In 2010 beschäftigte die Branche demnach direkt und indirekt 134.000 Menschen, davon 11.600 im Maschinen- und Anlagenbau. Der Sektor werde 2020 voraussichtlich 21.000 Arbeitsplätze bieten, für 2030 prognostiziert die Studie über 45.000. Der Anteil des Handwerks an der durch Photovoltaik ausgelösten Beschäftigung werde allerdings voraussichtlich sinken. Hintergrund sei das rückläufige jährliche Installationsvolumen in Deutschland.
Solarzellen bringen doch viel zu wenig Leistung, wie kann Solarstrom jemals einen wesentlichen Anteil an der Stromversorgung haben?
"Nach unseren Berechnungen ist es möglich, den privaten Strombedarf in Osnabrück zu 109 Prozent durch Solarenergie zu decken, die in der Stadt erzeugt wird", sagt Dorothea Ludwig. Die Diplom-Ingenieurin hat das Studienprojekt "Sun Area" federführend betreut, dessen Ergebnisse Anfang 2008 vorgestellt wurden. Im Rahmen der Studie der Fachhochschule Osnabrück wurde untersucht, wie gut die Dachflächen der Stadt für Solarstromanlagen geeignet sind. Für die sehr aufwendigen Berechnungen hatten die Wissenschaftler eigens Programme entwickelt. Das Ergebnis: Von den rund 70.000 Gebäuden der Stadt eignen sich 27.500 gut für Photovoltaik. Zusammen haben sie eine Dachfläche von zwei Quadratkilometern.
Mit der Studie wurde überzeugend nachgewiesen, dass die Photovoltaik selbst in Regionen mit vergleichsweise schwächerer Einstrahlungsintensität in beachtlichem Umfang zur Energieversorgung der Bevölkerung beitragen kann. Nach Vorstellungen der Deutschen Umwelthilfe sollen Städte und Gemeinden bereits in den kommenden Jahren bis zu 20 Prozent ihres Stromverbrauchs durch Photovoltaikanlagen erzeugen. "Gerade ländliche Kommunen produzieren heute oft schon mehr als ein Fünftel des dort verbrauchten Stroms durch Solarstromanlagen", erklärt Jörg Dürr-Pucher, Generalbevollmächtigter der Deutschen Umwelthilfe. "Wenn größere Freilandanlagen installiert sind, werden Kommunen sogar häufig Solarstromexporteure."
Laut der Marktstudie Wegweiser Solarwirtschaft wird die Photovoltaik 2011 mit einer installierten Leistung von 18 Gigawatt (GW) insgesamt 3,4 Prozent zur Stromversorgung in Deutschland beitragen. Damit wären etwa 34 Prozent des Ausbauziels im Nationalen Aktionsplan (NAP) der Bundesregierung erreicht. Dieser sieht vor, dass Deutschland bis 2020 über Solarstromanlagen mit insgesamt 52 GW Leistung verfügt.
Warum werden für Photovoltaikanlagen kurzlebige, umweltschädliche Hilfsaggregate wie Bleiakkus verwendet?
Hilfsaggregate sind nur dort erforderlich, wo Photovoltaikanlagen als sogenannte "Inselsysteme" eingesetzt werden. Hierfür benötigt man besonders leistungsfähige Batterien. In zahlreichen Ländern der Dritten Welt kommt Inselsystemen eine große Bedeutung zu. Aufgrund der Entfernungen ist es dort zu aufwendig, eine herkömmliche Netzstruktur für die Stromversorgung zu errichten. Die Solarstromanlagen füllen diese Lücke. Nicht selten ersetzen sie umweltbelastende und teure Dieselaggregate, mit denen zuvor Strom erzeugt wurde. Mancherorts sind sie sogar die ersten dauerhaft funktionierenden Stromquellen.
Für eine Reihe von Anwendungen finden Inselsysteme aber auch in Deutschland zunehmend Verwendung: unter anderem für technische Einrichtungen entlang der Autobahnen, für die Beleuchtung von Wegen in öffentlichen Grünanlagen oder für Leuchtbojen an den Schifffahrtswegen.
Was passiert eigentlich mit gebrauchten Photovoltaikanlagen? Müssen die als Sondermüll entsorgt werden?
Nein, Solarmodule enthalten wertvolle Rohstoffe, die wiederverwertet werden können. Wie der BINE Informationsdienst berichtet, läuft seit 2002 ein Forschungsprojekt der Deutschen Solar AG und der TU Bergakademie Freiberg zum Recycling von Solarmodulen. Dabei habe man bei Produktionsabfällen, ausgedienten sowie gebrochenen Modulen Recyclingraten von über 95 Prozent erzielt.
Lange Zeit wurde in der Solarstrombranche wenig darüber nachgedacht, wie mit alten Modulen zu verfahren sei. Der Blick ging nach vorn, die Anlagen waren auf Laufzeiten von 20 Jahren und mehr ausgelegt. Bis 2015 wird nun ein umfangreicher Rücklauf an Modulen erwartet. Metalle, Glas, Wafer und wertvolle Halbleitermaterialien sollen wiederverwertet werden. In 2007 begannen europäische Photovoltaikhersteller und -importeure damit, das freiwillige Rücknahme- und Recyclingsystem "PV Cycle" aufzubauen. Wie der Solarenergie-Förderverein (SFV) berichtete, ging PV Cycle 2010 an den Start. Altmodule, die vor dem 1. Oktober 2010 installiert wurden, könnten nun an stationären Sammelstellen abgegeben werden. Akzeptiert würden allerdings nur Produkte der Mitglieder des Netzwerks; PV Cycle repräsentiert eigenen Angaben zufolge etwa 85 Prozent des europäischen Photovoltaikmarkts.
Eigentlich sollte PV Cycle eine gemeinsame Lösung zur Wiederaufbereitung alter Paneele etablieren. Jetzt hat sich Branchenprimus SolarWorld mit dem Preiss-Daimler-Chemiepark einen neuen Partner gesucht. Ihr Joint Venture Solarcycle will in Bitterfeld-Wolfen noch 2011 mit dem Bau eines Recyclingwerks mit 30.000 Tonnen Jahreskapazität beginnen. Solarworld war bereits im Juli bei PV Cycle ausgestiegen, weil es offiziell nicht mehr mit dessen Zielen konform ging. Für PV Cycle wird ein Erfolg nun deutlich schwieriger. Nur Solarworld kann in Europa bisher auf praktische Recyclingerfahrung mit kristallinen Solarmodulen verweisen. Bis zum Frühjahr 2011 betrieb der Konzern in Freiberg eine eigene Pilotanlage.
Ein Sonderfall sind die Dünnschichtmodule des US-amerikanischen Herstellers First Solar. Sie basieren auf dem Halbleitermaterial Cadmiumtellurid (CdTe) und enthalten demnach das hochgiftige Schwermetall Cadmium. Nach Angaben von First Solar bleibt es während der gesamten Lebensdauer des Moduls fest in der Verbindung eingeschlossen. Schon beim Kauf garantiert der Hersteller seinen Kunden die Rücknahme und das professionelle Recycling der gebrauchten Module. Dafür hat First Solar eigene Strukturen aufgebaut. Dort werden die Module den Angaben zufolge einschließlich Glas und eingekapseltem Halbleitermaterial aufbereitet und zu neuen Modulen oder anderen Produkten weiterverarbeitet.
Trotz freiwilliger Vorleistungen der Branche bemängelt der SFV, dass die kostenlose Rücknahme und umweltverträgliche Entsorgung von Photovoltaikmodulen bisher weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene gesetzlich geregelt sind. In anderen Zweigen der Elektroindustrie sei dies bereits üblich.
Werden bei der Herstellung der Solarzellen giftige Stoffe verwendet, die die Umwelt belasten?
Ja, es werden giftige Stoffe verwendet. Und: Nein, in Deutschland sorgen anspruchsvolle Umweltauflagen und entsprechend abgesicherte Produktionsabläufe dafür, dass die Umwelt nicht belastet wird. Der Thalheimer Solarzellenhersteller Q-Cells SE benennt in seinem Nachhaltigkeitsbericht die Vielzahl von Stoffen, die zur Herstellung von Solarzellen benötigt werden. Demnach kommen technische Gase, Säuren und Basen, in geringeren Mengen Silber- und Bleipasten, Alkohole, das Metall Gallium sowie Klebstoffe zum Einsatz. Jeder Stoff werde in einem Gefahrstoffkataster geführt, das allen Mitarbeitern zugänglich sei, so Q-Cells. Regelmäßig kontrolliere man die Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte. Das Unternehmen führt genauestens Buch: "Im Geschäftsjahr 2010 haben wir insgesamt 26.568 Tonnen Material eingesetzt und 22.031 Tonnen Abfall produziert. Der größte Teil davon war als gefährlicher Abfall klassifiziert, der hauptsächlich fachlich beseitigt wurde. (...) Zum gefährlichen Abfall zählen z.B. säurehaltige Abwässer."
Im Rahmen einer Studie hat das grüne Investmenthaus Murphy&Spitz für sieben führende Solarunternehmen aus Deutschland, China und den USA die Umweltauswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette untersucht. "Bei der Siliciumtechnologie und bei der Dünnschichttechnologie sind es die typischen Effekte einer Halbleiterfertigung, mit all ihren chemischen und energieintensiven Schritten", sagt Nicole Vormann, Leiterin des Sustainability Research bei Murphy&Spitz. Bei der Siliciumtechnologie sei die Reinstsiliciumherstellung besonders kritisch, im Bereich der Dünnschichttechnologie Halbleiter wie Cadmiumtellurid (CdTe) und Stickstofftrifluorid (NF3).
Am bestens schnitten in der Studie die deutsche SolarWorld, die US-amerikanische First Solar und die chinesischen Hersteller Suntech und Yingli ab. Mittlerweile sei die DIN Norm ISO 14001 bei den meisten Solarunternehmen Standard. Diese gelte als international anerkannte Benchmark für die Umweltmanagementstrategie eines Unternehmens.
2. Windenergie
Weshalb wird Windstrom eigentlich nicht gespeichert, wenn der Wind stark weht und zeitweilig für ein Überangebot an Strom sorgt?
Weil die Politik das derzeit nicht will. Laut Informationen des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), Berlin, bietet das Stromversorgungssystem schon heute ausreichende Speicherkapazitäten für mehr Flexibilität. Demnach stehen rund zehn Gigawatt Speicher- und Pumpspeicherwasserkraftwerke zur Verfügung. Dies entspreche der Leistung von zwölf Kohlekraftwerken.
Die Speicher werden derzeit aber genutzt, um überschüssigen Atomstrom zu speichern, dieser kann dann zu einem späteren Zeitpunkt zu einem höheren Preis verkauft werden. In ihrer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3003) erklärte die schwarz-gelbe Bundesregierung im Dezember 2010 unverblümt, dass sie an dieser Praxis nichts zu ändern gedenkt. "Die Bundesregierung plant nicht, die zurzeit für die Zwischenspeicherung von Atomstrom genutzten Kapazitäten in Pumpspeicherkraftwerken für die Speicherung von überschüssigem Strom aus Wind und Sonne umzuwidmen", heißt es lapidar. Auch die Nutzung von deutschen Pumpspeicherkraftwerken für die Zwischenspeicherung von französischem oder tschechischem Atomstrom werde man nicht unterbinden. Das sei "unvereinbar mit den Vorschriften zum europäischen Binnenmarkt".
Für eine 100-prozentige Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen müssten in Deutschland allerdings erhebliche zusätzliche Kapazitäten zur Energiespeicherung geschaffen werden. Die Vorschläge dazu sind vielfältig. Zu nennen sind unter anderem: neue Pumpspeicherkraftwerke; Batterien von Elektrofahrzeugen; Wasserstoff; Methangas im Erdgasnetz, Druckluftspeicherkraftwerke; Stromaustausch mit Skandinavien und den Alpenländern. Die Speicherung ist teuer. Laut Angaben des VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik kostet bereits die stundenweise Speicherung in Pumpspeicherkraftwerken mindestens drei Cent pro Kilowattstunde (kWh). Für Wasserstoff nennt der VDE einen Preis von 24 Cent/kWh. Innerhalb von zehn Jahren könnten sich die Kosten durch Massenproduktion und technischen Fortschritt aber mehr als halbieren, heißt es.
Für interessant halten die Fachleute die Speichermöglichkeiten, die sich im Zuge der wachsenden Elektromobilität ergeben könnten. Ein Marktanteil der Elektrofahrzeuge von zehn Prozent biete etwa Speicherkapazitäten im Umfang der heute in Deutschland vorhandenen Pumpspeicher, so der VDE. Der Verband hält allerdings eine Anschubförderung für die Entwicklung neuer Speichertechnologien für notwendig. Neben direkter Forschungsförderung sollten dafür Anreizprogramme nach dem Vorbild des EEG geschaffen werden.
Die meisten Konzepte für die Energiespeicherung setzen auf kapitalintensive Großspeicher. Dipl.-Ing. Wolf von Fabeck vom Aachener Solarenergie-Förderverein (SFV) favorisiert dagegen ein Graswurzelkonzept. Kern des Modells seien dezentrale Tag-Nacht-Speicher mit modernen Batterien und einem Steuerungsprogramm, sagt von Fabeck. Die Speicher sollen direkt beim Verbraucher stehen. Von Fabeck: "Kurze Entfernungen zwischen Erzeuger, Speicher und Verbraucher vermindern den Leitungsbau." Finanzieren will er das Speichernetzwerk über einen dynamischen Strompreis; ähnlich wie an der Börse würde der Preis bei Leistungsüberschuss sinken und bei Bedarfsspitzen steigen. Die gespeicherte Energie ließe sich somit teurer verkaufen. Die Möglichkeit der dezentralen Stromspeicherung sei totgeschwiegen worden, so von Fabeck: "Die konventionelle Energiewirtschaft hat bislang erfolgreich verhindert, dass es ein tragfähiges Konzept zur Speicherung von Strom aus Wind- und Solarkraftwerken gibt." Ziel der Unternehmen sei es, sich auch in Zukunft das Eigentum an den entscheidenden Energiegewinnungs- und Verteilungsanlagen zu sichern. Deshalb würden sie sich für ein europaweites Fernübertragungsnetz (Supergrid) einsetzen. Und das könne nur die Energiewirtschaft selbst aufbauen.
Ist die Windbranche nicht viel zu klein, um nennenswert Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen?
Die Branche wird unterschätzt. Laut Marktübersicht des Bundesverband Windenergie war die deutsche Windindustrie 2009 mit 6,4 Milliarden Euro für 17,5 Prozent der weltweiten Wertschöpfung verantwortlich. Die Exportquote der Branche liege inzwischen bei 75 Prozent. Sie beschäftige in Deutschland 102.000 Menschen, in 2004 waren es noch 64.000. Der geplante Ausbau der Offshore-Windenergie werde voraussichtlich zahlreiche neue Arbeitsplätze schaffen. Bis 2020 sind Windräder auf dem Meer mit 20.000 bis 40.000 Megawatt Leistung geplant. Die Windenergie schafft Arbeitsplätze im Mittelstand und in oftmals strukturschwachen Regionen. Neben den Herstellern selbst profitieren Zulieferer vom weiteren Ausbau der Windkraftnutzung. Dabei handelt es sich häufig um alt eingesessene Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau, der Metallindustrie und der Elektrobranche.
Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2011 weltweit 18,4 Gigawatt Windleistung neu installiert, wie die World Wind Energy Association (WWEA) mitteilt. Damit nimmt der Windenergieausbau wieder an Fahrt auf nach einem schwachen Vorjahr. Die gesamte auf der Welt installierte Windenergieleistung beträgt jetzt 215 Gigawatt gegenüber 196 Gigawatt Ende 2010. Vor allem China treibt den Boom voran und hat einen Anteil von 44 Prozent an der im ersten Halbjahr 2011 neu installierten Gesamtleistung. Insgesamt erwartet die WWEA einen Zubau von fast 44 Gigawatt im Jahr 2011. In Europa steht Deutschland an der Spitze. Mit knapp 800 Megawatt neu installierter Leistung stieg der Ausbau im Vergleich zum schlechten Vorjahr wieder an, bestätigt der Bundesverband Windenergie.
Sind Vögel durch Windanlagen gefährdet?
Alles kein Problem, so beantwortet der Bundesverband Windenergie die Frage nach Gefahren für Vögel durch Windräder. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass es kaum "Vogelschlag" gebe. Viel gefährlicher seien Straßen, Hochspannungsleitungen und andere hohe Bauten. Im Bereich von Natur- und Vogelschutzgebieten würden keine Windkraftanlagen errichtet, zudem müsse für jedes neue Vorhaben eigens ein Gutachten zum Vogelschutz erstellt werden.
Die beiden großen Naturschutzverbände Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) unterstützen den Ausbau der Windenergie. Der BUND erklärt, die Konflikte der Windenergie mit dem Vogelschutz seien "sehr gering". Sie betreffen demnach wenige besondere Orte und wenige besonders gefährdete Vogelarten, dort dürften keine Windkraftanlagen gebaut werden. Der Bund nennt unter anderem Biosphärenreservate der Zone I+II, Brut-, Nahrungs- und Rastplätze sowie wesentliche Vogelzugstraßen. Kritischer beurteilt der Nabu die Gefahren, denen Vögel durch Windräder ausgesetzt sind. Wenn die Tiere die Anlagen meiden, schrumpfe ihr Lebensraum. Tun sie dies nicht und halten sich im Bereich der Rotoren auf, steige das Kollisionsrisiko, so der Nabu. In Deutschland seien bis zum 18. Januar 2011 insgesamt 163 Mäusebussarde, 146 Rotmilane und 57 Seeadler als Opfer von Windenergieanlagen gemeldet worden.
Die Naturschützer fordern eine lange Liste von Maßnahmen zum Vogelschutz im Zusammenhang mit der Windenergienutzung. So seien Waldstandorte für Windräder "in den meisten Fällen nicht zu rechtfertigen". Die Kernbrutgebiete von Rotmilan und Wiesenweihe bedürften besonderen Schutzes. Komplett auszuschließen seien Standorte innerhalb von Europäischen Vogelschutzgebieten und Gastvogellebensräumen, Naturschutzgebieten, Nationalparks, Kernzonen von Biosphärenreservaten und bestimmten Meeresschutzgebieten. "Die Windenergienutzung sollte sich auf bereits durch vorhandene Infrastruktur oder intensive landwirtschaftliche Nutzung vorbelastete Standorte beschränken", so der Nabu.
Sind die Geräusche von Windkraftanlagen gesundheitsschädlich?
Die Windkraftanlagen der ersten Stunde waren vergleichsweise laut. Mittlerweile sorgen optimierte Rotorblattformen, bessere Dämmung und niedrigere Drehzahlen für eine deutlich reduzierte Geräuschkulisse. Ganz vermeiden lässt sich der Schall allerdings nicht, er ist konstruktionsbedingt. Wenn die einzelnen Propellerflügel den Turm passieren, wird die Luft komprimiert, das erzeugt Geräusche. Weil die Windräder sehr groß sind und sich langsam drehen, entsteht auch ein erheblicher Anteil an sogenanntem "Infraschall". Als Infraschall werden Schwingungen unterhalb einer Frequenz von 15 Hz bezeichnet. Der Mensch kann Infraschall kaum hören; bei sehr hohem Schalldruck kann er aber körperlich gefühlt werden. Laut Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gilt Infraschall normalerweise bereits im Nahbereich von 100 Metern Abstand als unerheblich.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gibt es eine starke Abhängigkeit zwischen Wind und Lärm. Bei konstant hoher Windgeschwindigkeit bestehe eine andauernde Lärmemission, die in direkter Nachbarschaft belastend wirke. Allerdings verliere sich der Schall mit wachsender Entfernung zu den Anlagen schnell im Hintergrundrauschen von Verkehr, Industrie und lokalem Wind.
Der Bundesverband Windenergie (BWE) verweist auf detaillierte baurechtliche Vorschriften, die einzuhalten sind, wenn Windkraftanlagen errichtet werden. In der "Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm" (TA-Lärm) sei festgelegt, wie hoch die Geräuschbelastung in den verschiedenen Bebauungsgebieten sein darf. Daraus ergebe sich der notwendige Abstand eines Windparks. In der Regel beträgt der Abstand zu Wohngebäuden mindestens 500 Meter. Nach Einschätzung des BUND reicht das aus.
Weshalb wird die Windenergie so hoch subventioniert und warum ist sie so teuer?
Hier gilt es zunächst einmal, die Begrifflichkeiten sauber voneinander zu unterscheiden: Die Windenergie wird nicht aus Steuermitteln gefördert; vielmehr verkaufen die Anlagenbetreiber den Strom zu einem durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelten Preis an die Netzbetreiber. Diese wiederum belasten ihren Stromkunden die anfallenden Mehrkosten. Laut Angaben des Bundesverbands Windenergie (BWE) belaufen sich die jährlichen Mehrkosten eines durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalts auf 37 Euro bei einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden.
Im Unterschied zur Windenergie haben Kohle- und Atomkraftwerke über Jahre hinweg tatsächlich Subventionen erhalten. Wie der BWE berichtet, hat das Umweltbundesamt errechnet, dass der Staat allein der heimischen Stein- und Braunkohle aktuell noch mit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr unter die Arme greift. Ermäßigungen und Erstattungen bei Energiesteuern würden sich auf weitere rund vier Milliarden Euro summieren.
Bleibt der Vorwurf, Windstrom sei besonders teuer. Bei Berechnungen, die dies zum Ergebnis haben, werden meist wesentliche Aspekte ausgeblendet. Die sogenannten "externen Kosten" bleiben außen vor. Sie ergeben sich beispielsweise aus den Umweltfolgen des Braunkohletagebaus oder Sanierungsaufwendungen für das Atommülllager Asse. Die milliardenschwere Rechnung dafür bezahlen die Steuerzahler.
Auch der weltweite Klimawandel kommt die Gesellschaft teuer zu stehen. Laut Informationen des BWE haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ermittelt, dass eine Tonne CO2-Emissionen 70 Euro kosten müsste. Die externen Kosten der Stromerzeugung in modernen Braun- und Steinkohlekraftwerken beliefen sich damit auf sechs bis acht Cent je Kilowattstunde. Windstrom liege bei den externen Kosten weit unter einem Cent je Kilowattstunde. Ergebnis dieser nachhaltigen Berechnung: Windstrom ist wesentlich billiger als Kohlestrom.
Welche Bedeutung hat die Verwendung von Neodym in Windkraftanlagen?
In Windkraftanlagen verschiedener Hersteller wird Neodym eingesetzt. Der Abbau dieses Metalls in China ist mit schweren Umweltbelastungen verbunden. In der Branche wird schon länger über die Problematik diskutiert, die breite Öffentlichkeit wurde aber erst durch einen Bericht des ARD-Fernsehmagazins Panorama darauf aufmerksam.
Chemisch gehört Neodym zur Gruppe der Lanthanoide, damit zählt es zu den Metallen der sogenannten "seltenen Erden". Aktuell kommt fast 100 Prozent der Weltjahresproduktion an seltenen Erden aus China. Bei Abbau und Aufbereitung der Erden fallen unter anderem radioaktives Uran und Thorium an. Aufgrund der mangelhaften Umweltstandards würden die Stoffe teilweise bis in das Grundwasser gelangen, berichtete Panorama.
Besonders interessant ist Neodym für die Windkraftbranche, weil es in Verbindung mit Eisen und Bor zu stärksten Magneten verarbeitet werden kann. Permanentmagnete aus Neodym-Eisen-Borverbindungen werden nicht nur für Windräder genutzt, sie kommen auch in zahlreichen anderen Produkten zum Einsatz, beispielsweise in Kernspintomografen, CNC-Maschinen oder Lautsprechern.
Die Windkraftanlagenbauer nutzen die Permanentmagnete für ihre getriebelosen Turbinen. Diese sind leichter und gelten gegenüber herkömmlichen Modellen als wartungsfreundlicher. "Nur 0,4 Prozent der weltweiten Neodymproduktion wurden 2010 durch die europäische Windkraftindustrie verwendet", erklärt Peter Sennekamp, Sprecher des Europäischen Windkraftverbands EWEA (European Wind Energy Association). In 2020 werde der Anteil voraussichtlich bei 0,98 Prozent liegen. Sein Verband sei besorgt über die Berichte aus China, so Sennekamp, man bemühe sich darum, weitere Bezugsquellen für seltene Erden zu erschließen. Nur gut 30 Prozent der weltweit bekannten Reserven lägen in China. Mögliche Förderländer mit höheren Umweltstandards sind demnach Australien, die USA und Grönland.
Welche Bedeutung hat Neodym für die einzelnen Windkraftproduzenten? Der deutsche Marktführer Enercon aus Leer kommt für seine Turbinen ohne das umstrittene Material aus. Gleiches gilt für den Hamburger Konkurrenten Repower Systems AG. Anders die ebenfalls in Hamburg ansässige Nordex SE. Zwar wird Neodym in den aktuellen Modellen des Herstellers nicht verwendet. "Bei unseren künftigen Offshoreanlagen wollen wir aber einen neuartigen Generator einsetzen. Diese Komponente enthält derzeit seltene Erden", erklärt Nordex-Sprecher Ralf Peters. Die einseitige Versorgungslage sei erst durch die Entscheidung Chinas entstanden, den Preis drastisch zu senken. Damit seien andere Produzenten aus dem Markt gedrängt worden. Bevor die Chinesen kamen, lag der Preis bei 300 Dollar pro Kilogramm, zwischenzeitlich nur bei zirka 20 Dollar. In diesem Herbst wieder bei bis zu 180 Dollar "Wir gehen davon aus, dass ein ökologisch vertretbarer Abbau zu höheren aber vertretbaren Preisen möglich sein wird." Darum will Nordex sich seinen Angaben zufolge aktiv bemühen. Der Weltmarktführer bei Windkraftanlagen, die dänische Vestas Wind Systems A/S, produziert an drei Standorten in Deutschland. Im laufenden Jahr will Vestas eigenen Angaben zufolge mit der Serienproduktion von Anlagen des Typs V112 beginnen, in diesen komme Neodym zum Einsatz. Ziel sei es aber, die Nutzung seltener Erden und deren Auswirkungen auf die Umwelt, wo immer möglich einzuschränken, so Vestas. Aktuell prüfe man die Verwendung von recyceltem Neodym. Zudem werde nach leistungsfähigen alternativen Technologien als Ersatz für Neodym geforscht.
Siemens nutzt Neodym bereits für seine getriebelosen Windturbinen. "Wir gehen davon aus, dass zukünftig ein verstärkter Einsatz von Neodym-Eisen-Bor-Magneten notwendig ist", sagt Eva-Maria Baumann, Pressesprecherin des Münchener Elektronikriesen. Siemens stelle hohe Anforderungen zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz an seine Lieferanten. Um Umweltaspekte noch stärker zu berücksichtigen, suche man zudem verstärkt nach alternativen Bezugsquellen. Mithilfe von Innovationen hofft das Unternehmen, den Bedarf an Neodym zu verringern. Neue technische Konzepte sollen gar den Verzicht auf das Material möglich machen.
Auch bei der deutschen Tochter des US-Technologiekonzerns General Electric (GE) kommt Neodym zum Einsatz. Nach Angaben von Karin Funke-Rapp, Sprecherin von GE Wind Energy aus Salzbergen, enthalten die Generatoren der Baureihe 2.5 MW und der Offshoreanlage 4.1 MW Neodym. Anlagen vom Typ 1.5 MW seien nicht betroffen. "Von weltweit rund 16.000 installierten Anlagen kommen rund 15.000 aus der Baureihe 1.5, so Funke-Rapp.
Immer wieder wird kritisiert, dass Windkraftanlagen das Landschaftsbild zerstören. Muss das zwangsläufig so sein?
Deutschland ist ein Industriestaat. Auch wenn wir dies nicht immer bewusst wahrnehmen, Bestandteile einer hochkomplexen Infrastruktur prägen unsere Landschaft. Dazu gehören vor allem die Verkehrswege, das Rückgrat der Volkswirtschaft. Dann die Energienetze mit mehr als 200.000 Strommasten im Bundesgebiet und kilometerlangen Leitungen. Kraftwerke drücken der Umgebung ihren Stempel auf, ganz zu schweigen vom Braunkohletagebau, der ganze Landstriche verschlingt.
Auch Windkraftanlagen verändern und prägen das Landschaftsbild. Ob von Zerstörung gesprochen werden muss, hängt von der subjektiven Wahrnehmung ab, und von einer intelligenten Raumplanung. Die fehlte in der Vergangenheit mancherorts. Gegenüber dem NDR gab das auch der Bundesverband Windenergie (BWE) zu. In den Neunzigerjahren habe es zu viel Wildwuchs gegeben. Nun sei es sinnvoll, neue Windkraftanlagen in Parks zusammenzufassen.
Die Branche hat dazugelernt. Und die Politik hat inzwischen Instrumente geschaffen, mit deren Hilfe Natur- und Landschaftsschutz angemessen berücksichtigt werden können. Die Bevölkerung wird bei neuen Projekten aktiver in die Planungen einbezogen.
Bei einer Onlinebefragung der Technischen Universität Berlin im Sommer 2008 erklärten über 70 Prozent der Teilnehmer, dass es sie nicht stören würde, in Sichtweite von Windrädern zu wohnen. Von den Befragten, die in einer Entfernung von bis zu drei Kilometern zu Windkraftanlagen wohnen, fühlten sich nur vierzehn Prozent ziemlich oder sehr gestört.
3. Bio-Gas
Stimmt es, dass die Lebensmittelpreise durch die Bio-Gas-Nutzung steigen und die Anlagen die bäuerliche Landwirtschaft verdrängen?
Es geht um die viel zitierte Konkurrenz von Teller und Tank. Der zunehmende Anbau von Energiepflanzen verdränge die Nahrungsmittelproduzenten von der Fläche. Die Folge: Lebensmittel verteuern sich.
Die Agentur für Erneuerbare Energien hält forsch dagegen und erklärt, die Bio-Energie sei nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Ohne vollen Tank kein voller Teller, so die Agentur. Bio-Gas biete den Landwirten ein zweites wirtschaftliches Standbein. Entwicklungsländer könnten kostengünstig und dezentral Energie erzeugen, zudem verringere sich die Abhängigkeit von teuer importierten fossilen Brennstoffen. Die Preisbildung für landwirtschaftliche Produkte hat laut der Agentur wenig mit dem Energiepflanzenanbau zu tun. Mit dem Platzen der US-Immobilienblase hätten spekulative Anleger seit 2007 in Termingeschäfte mit Agrarprodukten investiert. Dürren und Überschwemmungen hätten zu schwachen Ernten in mehreren Hauptanbauländern geführt. In Schwellenländern sei gleichzeitig die Nachfrage nach Getreide und Futtermitteln gestiegen. Alle Faktoren zusammen seien Ursache für die Hungerrevolten in mehreren Entwicklungsländern.
Der Fachverband Bio-Gas bläst in dasselbe Horn. Durch den Anbau von Energiepflanzen werde die konventionelle Landwirtschaft sogar von ihren jahrelangen Überschüssen entlastet, argumentiert die Branchenvertretung. Bio-Gas und Lebensmittelerzeugung würden sich prächtig ergänzen. Selbst bei Verdoppelung der Anbaufläche für Energiepflanzen in Deutschland verbleibe noch genügend Kapazität für Nahrungsmittel. Laut einer Untersuchung des Welternährungsfonds seien die Preise für Lebensmittel seit Anfang der Siebzigerjahre kontinuierlich gefallen. "Wir befinden uns heute auf dem Niveau von Mitte der Achtziger- beziehungsweise Mitte der Neunzigerjahre", so der Fachverband. Der Hunger in der Welt sei ein Verteilungsproblem, das nur politisch gelöst werden könne.
Maria Heubuch sieht das mehr aus der Allgäuer Perspektive. Auf ihrem Milchviehbetrieb erlebt die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Konkurrenz der Bio-Gas-Produzenten sehr praktisch: "Bio-Gas-Bauern können einfach mehr Pacht bezahlen", sagt Heubuch "Milchbauern sind da im Nachteil." Die Praktikerin glaubt auch nicht daran, dass Tank und Teller global nebeneinander funktionieren werden. "Die Energie ist der zahlungskräftigere Marktteilnehmer", so Heubuch. Nach Berechnung des WWF können Betreiber von Bio-Gas-Anlagen mithilfe des EEG jährlich rund 3.000 Euro pro Hektar erlösen. Die durchschnittlichen EU-Förderungen pro Hektar beliefen sich demgegenüber auf ein Zehntel dieser Summe.
Heubuch hat nichts gegen Bio-Gas; auf ihrem Hof betreibt sie selbst eine kleine Anlage. Sie ist perfekt auf die Ressourcen des Betriebs abgestimmt und wird vor allem mit Gülle versorgt. Von einer Novellierung des EEG erhofft sich die AbL-Vorsitzende, dass Reststoffe und Gülle bevorzugt gefördert werden. Dies sei am besten in kleineren Anlagen zu realisieren. Von neuen Energiepflanzen als Ersatz für Mais erwartet sie wenig: "Das löst nicht das Problem der Flächenkonkurrenz", so Heubuch.
Auch die Politik hat das Problem erkannt. In Regionen mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung und viel Viehhaltung herrsche ein hoher "Konkurrenzdruck um die Ackerflächen", heißt es in einem Antrag des Landes Niedersachsen im Bundesrat. Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander unterbreitete darin Vorschläge zur Anpassung des EEG. Demnach soll eine Bio-Gas-Anlage künftig nur dann wirtschaftlich sein, wenn sie Gülle, Nebenprodukte oder Bio-Abfälle einsetzt oder die Abwärme sinnvoll nutzt.
Verbrauchen Bio-Gas-Anlagen mehr Energie, als sie bereitstellen?
Eine Bio-Gas-Anlage ist kein Perpetuum mobile, sie verbraucht Energie. Um zu errechnen, ob mehr Energie verbraucht als erzeugt wird, ist die gesamte Prozesskette zu berücksichtigen. Anhand von drei Bio-Gas-Anlagen in Südhessen wurde dies für eine wissenschaftliche Studie der Universität Gießen durchgeführt. In die Verbrauchsermittlung wurde unter anderem der Dieselverbrauch der Traktoren aufgenommen, der Aufwand für Transporte des Substrats, der Eigenstrombedarf der Anlage, aber auch die Energie, die für die Produktion der Baustoffe benötigt wurde. Das Ergebnis: Der sogenannte "Erntefaktor" betrug 4,5. Das bedeutet, dass die Anlage etwa 4,5-mal mehr an erneuerbarer Energie produziert, als sie an fossiler Energie verbraucht. Laut Fachverband Bio-Gas liegt der maximal mit Bio-Gas mögliche Erntefaktor bei sechs. Der Einsatz von Abfall- und Reststoffen verbessere die Energiebilanz noch weiter.
Trifft es zu, dass Bio-Gas-Anlagen stinken und ihre Gärprodukte die Umwelt belasten?
Wenn es stinkt, ist was faul. Eine ordnungsgemäß funktionierende Bio-Gas-Anlage stinkt nicht. Im Gegenteil: Die Gärprodukte riechen nicht annähernd so intensiv wie die Gülle, die als Rohstoff in der Bio-Gas-Anlage verarbeitet wird. Sie können als Dünger auf den Acker ausgebracht werden; dabei bieten sie sogar den Vorteil, dass sie Nährstoffe besser an die Kulturpflanzen abgeben. Weiterer Mehrwert: Es kann Handelsdünger gespart werden. Laut dem Fachverband Bio-Gas sind Geruchsbelästigungen nur dann möglich, wenn Bio-Masse vor oder nach dem Prozess nicht sachgerecht gelagert wird oder schlecht vergorenes Material auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wird.
Eine 2010 veröffentlichte Studie des Karlsruher Instituts für Technologie im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg thematisiert allerdings erhebliche Probleme bei Anlagen, in denen Energiemais in starkem Maße oder gar ausschließlich als Substrat zum Einsatz kommt. In deren Gärresten sammeln sich demnach reaktive und leicht abbaubare Stickstoffverbindungen. Im Gärrestelager und auf dem Feld wird dann unter anderem übel riechendes und giftiges Ammoniakgas frei. Die Verringerung dieser Freisetzungen stelle derzeit eine besondere technische Herausforderung dar, heißt es in der Studie. Die Autoren empfehlen, mehr Gülle und Reststoffe für die Bio-Gas-Produktion zu nutzen.
Verursacht der Betrieb einer Bio-Gas-Anlage mehr Verkehr?
Je größer die Anlage, desto stärker die Verkehrsbelastung. Den Rekord hält der Bio-Gas-Park Penkun in Mecklenburg-Vorpommern. Hier wurden 40 Kraftwerke mit je fünf Megawatt Leistung errichtet. Ihr Hunger nach Rohstoffen beeindruckt: Um mehr als 800 Tonnen Maissilage für den Volllastbetrieb anzuliefern, müssen laut der Planung für das Projekt täglich über 30 Lastwagen anrollen. Im Normalfall ist eher davon auszugehen, dass sich das Verkehrsaufkommen im Rahmen des üblichen landwirtschaftlichen Verkehrs bewegt. Wesentlich für die Akzeptanz bei den Nachbarn einer Bio-Gas-Anlage ist ein tragfähiges Logistikkonzept. Dieses legt fest, wo gefahren wird und welche Bereiche zu umgehen sind. Zum professionellen Management einer Anlage gehören zudem weitere Vereinbarungen mit Anwohnern. Beispielsweise sollte besprochen werden, bis wann nachts Anlieferungen möglich sind und wo die Fahrzeuge besonders langsam fahren sollten.
Führt die Nutzung von Bio-Gas zu immer mehr Monokulturen in der Landschaft?
Die Einschätzungen von Fachleuten dazu sind höchst unterschiedlich. Wenn im Zusammenhang mit Bio-Gas-Kraftwerken von Monokulturen die Rede ist, geht es in der Regel um Mais. Er eignet sich in besonderer Weise für die Verwertung in Bio-Gas-Anlagen, zudem wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte bei der züchterischen Optimierung der Pflanze gemacht. Inzwischen bauen die Anlagenbetreiber überwiegend den sogenannten "Energiemais" an. Laut Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums hat sich der Anteil an Energiemais in Deutschland zwischen 2008 und 2009 um 21 Prozent erhöht. Von 2009 auf 2010 sei er um weitere 40 Prozent gewachsen. Interessant dabei: Die gesamte Anbaufläche für Mais ist den Angaben zufolge kaum gewachsen, vielmehr habe es eine Verschiebung von Futtermais zu Energiemais gegeben. Ilse Aigner, amtierende Bundeslandwirtschaftsministerin, erklärt, die bestehende Förderung führe zu einer Verschiebung zugunsten der Bio-Gas-Produktion, darunter leide in einigen Regionen auch das Landschaftsbild. "Mit Blick auf die dadurch wachsenden Konflikte müssen wir nachsteuern", so die Ministerin. Die Überarbeitung der Bio-Gas-Förderung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird derzeit heftig diskutiert.
Deutlich kritischer ist die Haltung der Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF). Unter dem Titel Energie im großen Stil legte der Verband im Januar 2011 eine Studie vor, die untersuchte, wie sich der Bio-Gas-Boom auf Umwelt, Artenvielfalt und Landwirtschaft auswirkt. "Mit der derzeitigen Förderstruktur des EEG wird der Anbau von Energiepflanzen für die Nutzung in Bio-Gas-Anlagen massiv überfördert", sagt Tanja Dräger de Teran, Agrarreferentin beim WWF. In Deutschland würden aktuell auf etwa zwei Millionen Hektar (ha) Energiepflanzen angebaut, dies entspreche über 15 Prozent der gesamten Ackerfläche. Auf 800.000 ha wachsen demnach Pflanzen für Bio-Gas-Kraftwerke. Der Anteil von Energiemais liege bei 600.000 ha; in 2005 seien es noch 70.000 ha gewesen. Laut Dräger de Teran sind Maiskulturen überdies besonders problematisch. Mais benötige viel Dünger, dies treibe die Überdüngung der Gewässer voran. Maisanbau wirke humuszehrend, die Bodenstruktur und die Bodenlebewelt würden beeinträchtigt. Die Erosionsgefahr steige und Maisfelder seien artenarm. "Die national gesetzten Ziele zur Biodiversität oder zum Schutz unserer Gewässer sind angesichts der dramatischen Ausweitung an Maisflächen nicht zu erreichen", so die Expertin.
Ganz anders die Position des Fachverband Bio-Gas aus Freising. Die Branchenvertretung erklärt, dass in 2010 auf weniger als vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Energiepflanzen für die Vergärung in der Bio-Gas-Anlage angebaut worden seien (650.000 ha). An verschiedenen Forschungsstandorten werde intensiv nach Alternativen zum Mais gesucht, heißt es weiter. Beispiele seien Zuckerrüben, Hirse, Topinambur oder Malven. Bisher ist es den Forschern aber nicht gelungen, eine Pflanze zu finden, die im Flächenertrag an den Mais heranreicht. Kein Wunder, dass der Fachverband die Maispflanze rühmt. Mais sei aufgrund seiner hohen Massebildungsfähigkeit bei relativ geringem Wasserbedarf und der guten Gasausbeute die derzeit beliebteste Energiepflanze für den Einsatz in Bio-Gas-Anlagen, so die Freisinger Branchenvertreter.
Auch die Agentur für Erneuerbare Energien mit Sitz in Berlin bricht eine Lanze für den Energiemais. Sie gibt sich überzeugt davon, dass negative Umweltfolgen durch behördliche Auflagen wirksam verhindert werden. Über ihre Anforderungen an Humusbilanzen verhindern Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft (EU) demnach einen zu hohen Anteil von Mais in der Fruchtfolge; zudem gebe es konkrete Fruchtfolgerestriktionen. Vorgaben zur Bodenerhaltung beim Pflanzenschutz und der Nitratrichtlinie müssten berücksichtigt werden. Hinzu kämen in Deutschland unter anderem das Pflanzenschutzgesetz, das Bundesbodenschutzgesetz und die Düngeverordnung. "Die Kulturlandschaft wird durch die Nutzung von Bio-Gas somit nicht grundlegend verändert", konstatiert die Agentur für Erneuerbare Energien. Sie sieht die Züchtung von Energiepflanzen erst am Anfang ihrer Entwicklung. Es seien noch enorme Ertragssteigerungen möglich. Zudem könne eine Vielfalt von Pflanzen für die Bio-Gas-Erzeugung genutzt werden. "Wir suchen nach Alternativen."
Die Branche bemüht sich, ihr angeschlagenes Image zu verbessern. Teil dieser Strategie ist die Initiative "Farbe ins Feld" (FiF; www.farbe-ins-feld.de). Das Projekt haben der Deutsche Jagdschutzverband (DJV) und Fachverband Bio-Gas gemeinsam aus der Taufe gehoben. Zu den ideellen Unterstützern zählt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Inhalt der Kampagne: 12.000 ha zusätzliche Blühflächen in Deutschland. In Maisfeldern sollen demnach Blühstreifen als Bejagungsschneisen entstehen. Sie bieten Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Tiere; sie vereinfachen aber auch die Jagd auf Schwarzwild (Wildschweine). Hintergrund ist die starke Zunahme der Schwarzwildbestände, für die Tiere bieten die Maisfelder mit ihrem reichlichen Nahrungsangebot ideale Lebensbedingungen. Man wolle "Ackerbau, Bio-Masse-Produktion, Jagd und Naturschutz in der Agrarlandschaft in Einklang bringen", heißt es blumig bei der FiF. Das wichtigste Ziel wird im nächsten Satz formuliert: "Die Akzeptanz in der Bevölkerung wird erhöht."
Der WWF dürfte sich mit Blühstreifen nicht zufriedengeben. Agrarreferentin Dräger de Teran fordert, dass die Potenziale im Bereich der organischen Reststoffe in Zukunft stärker genutzt werden. Bislang würden nur zehn Prozent der Abfälle aus der Bio-Tonne in Bio-Gas-Anlagen vergärt. Für die Fruchtfolge soll es nach Vorstellung des WWF verbindliche Regeln geben. Beispielsweise dürfe Energiemais nur alle drei Jahre auf derselben Ackerfläche angebaut werden. Anders als bei Bio-Ethanol oder Bio-Diesel gebe es für Bio-Gas derzeit keine gesetzlich verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien. "Das ist vollkommen unlogisch und muss sich umgehend ändern", sagt Dräger de Teran. "Das EEG muss in dieser Hinsicht schnell und umfassend geändert werden."
Ähnlich kritisch beurteilen drei Verbände aus Landwirtschaft und Naturschutz die Situation: In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Bioland und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) die "Neuausrichtung der Förderung von Bio-Energie auf besonders klimaeffiziente und umweltverträgliche Maßnahmen". Der umweltpolitisch kontraproduktive Förderanreiz zum Maisanbau für Bio-Gas soll im EEG beseitigt, die Integration der Bio-Gas-Erzeugung im ökologischen Landbau gestärkt werden.