Studie: Welche Textilfaser ist wirklich ökologisch?

Autor: Beatrice Maisch | Kategorie: Freizeit und Technik | 28.08.2024

Studie: Welche Textilfaser ist wirklich ökologisch?
Foto: Iryna Mylinska/Shutterstock

Bei der Frage nach der richtigen Kleidung geht es nicht immer nur um Farbe, Form und Funktionalität, sondern auch um die richtigen Materialien. Welche sind eigentlich ökologisch? Mit dieser Frage hat sich das Öko-Institut in seiner Studie "Ökologische Bewertung textiler Fasern" beschäftigt. Ein Überblick.

Mit gutem Gewissen schön gekleidet – geht das überhaupt? Wer ökologisch leben will und geeignete Textilien sucht, hat es jedenfalls nicht leicht: Baumwolle ist zum Beispiel Natur pur, doch die Pflanze verbraucht enorm viel Wasser. Die Kunstfaser Polyester hat einen geringeren Wasserverbrauch, wird aber aus dem fossilen Rohstoff Erdöl hergestellt. Was also ist besser? Dieser Frage ist das Freiburger Öko-Institut in der Studie "Ökologische Bewertung textiler Fasern" nachgegangen.

Beauftragt hatte die Untersuchung das Umweltbundesamt. Die Aufarbeitung diente auch dazu, die Anforderungen des Blauen Engel an Textilien zu überarbeiten. Zunächst führt die Studie einige grundsätzliche Fakten zum Konsum von Textilien auf:

  • In der EU betrug der durchschnittliche Konsum im Jahr 2020 pro Person 6 Kilogramm Bekleidungstextilien, 6,1 Kilogramm Heimtextilien und 2,7 Kilogramm Schuhe
  • Hinsichtlich der negativen Umweltauswirkungen steht der Konsum von Textilien in Europa an vierter Stelle hinter Wohnraum, Mobilität und Ernährung.
  • Bezüglich Wasserfußabdruck sowie Flächenbedarf liegen Textilien in Europa sogar auf dem dritten Platz.

Der ökologische Fußabdruck – von Baumwolle bis zur Recyclingfaser

Die Freiburger Studie bezieht sich vor allem auf die Herstellung von Textilfasern. Denn diese verursacht rund 80 Prozent der Umweltauswirkungen.

Laut der Untersuchung bestehen bezüglich der einzelnen Fasern

  1. Baumwolle
  2. Schafwolle, Alpaka und Kaschmir
  3. Bastfasern: Flachs, Hanf, Nessel
  4. Regeneratfasern: Viskose, Tencel Lyocell
  5. Polyester
  6. Polyamid
  7. Polyacryl
  8. Recyclingfasern

folgende Problematiken:

1. Baumwolle

Die größte Umweltbelastung liegt im Anbau: Um gute Erträge und hochwertige Qualität zu erzielen, benötigt ein Großteil des Baumwollanbaus zusätzliche Bewässerung. Dies ist umso kritischer, als einige Hauptanbaugebiete ein hohes bis sehr hohes Risiko hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit bis 2040 haben. Dazu zählen China, Indien, verschiedene Regionen in den USA sowie Pakistan.

Konventionell angebaute Baumwolle weist im Vergleich zu ökologische angebauter zudem deutlich höhere Öko- und Humantoxizitätspotenziale auf. Damit sind mögliche Schäden der Umwelt und der menschlichen Gesundheit gemeint. Auch kommt es häufiger zu Eutrophierung, der menschlich verursachten Nährstoffanreicherung in Ökosystemen. Diese führt dazu, dass sich bestimmte Arten überdimensional ausbreiten und anderen die Lebensgrundlage entziehen.

Ein zusätzliches Umweltrisiko sind die Treibhausgasemissionen. Sie hängen vor allem vom Ertrag ab. Beim Vergleich verschiedener Anbausysteme (konventionell, Better Cotton, ökologischer Anbau) zeigte sich kein deutlicher Unterschied im Ernteertrag. Damit bietet hinsichtlich der Emissionen kein Anbausystem klare Vorteile.

Im konventionellen Anbau besteht mit gentechnisch veränderten Baumwollsorten ein weiteres Umweltrisiko. Es existieren Nachweise, dass sich eingebrachte Transgene in eine Wildart ausgekreuzt haben.

2. Schafwolle, Alpaka und Kaschmir

Die Produktion von Wolle hat ein hohes Treibhausgaspotenzial. Denn auch kleine Wiederkäuer stoßen Kohlendioxid (CO₂) und Methan aus. In der konventionellen Schafzucht werden zudem Mittel zur Bekämpfung von Parasiten eingesetzt.

Ein großes Problem ist mangelhafter Tierschutz. So finden häufig Lebendtransporte über große Distanzen statt. In der konventionellen Haltung erleiden zudem viele Schafe das sogenannte Mulesing. Dabei werden Hautpartien rund um den Schwanz ohne Betäubung entfernt, um Parasitenbefall zu verhindern. In Deutschland ist Mulesing verboten. In Australien jedoch, einem der Hauptproduktionsländer, gilt kein generelles Verbot.

Im weiteren Herstellungsprozess von Wollgarnen entstehen schädliche Abwasser. Auch Antischrumpfverfahren auf Basis von Chlor verursachen Umweltprobleme.

Bei der Haltung von Alpakas und Kaschmirziegen zählen Überweidung und Bodenerosion zu den Risiken. Zudem bestehen auch bei diesen Arten in der Haltung und bei der Schur vielfältige Tierschutzprobleme.

3. Bastfasern: Flachs, Hanf, Nessel

In den letzten Jahren sind Bastfasern beliebter geworden. Sie haben im Vergleich zum konventionellen Anbau von Baumwolle niedrigere Umweltauswirkungen. So benötigt die wiederentdeckte Brennnessel zum Beispiel keine Bewässerung.

Allerdings müssen Bastfasern für die Textilherstellung vom inneren Stängel und der äußeren Schale getrennt werden. Dies erfolgt mechanisch, chemisch, biologisch oder mit Dampf. Hierbei kann Abwasser mit hohen CSB- und BSB-Werten entstehen, was auf eine schlechte biologische Abbaubarkeit hinweist.

Hanffasern müssen zudem von Schleim befreit werden. Dieser Prozess kostet viel Energie. Aufgrund der aufwändigen Bearbeitung und der großen Anbauflächen ist es vergleichsweise schwierig, Bastfasern wirtschaftlich zu erzeugen.

4. Regeneratfasern: Viskose, Tencel Lyocell

Regeneratfasern sind chemisch gewonnene Fasern, die auf natürlichen Rohstoffen basieren. Eine der größten Umweltproblematiken ist dabei die Rohstoffgewinnung. Das Ausgangsmaterial Zellulose wird vor allem aus Holz gewonnen.

Etwa die Hälfte der 6,5 Millionen Tonnen Viskosezellstoff, die jährlich produziert werden, stammt aus alten und gefährdeten Wäldern. Dazu gehören die kohlenstoffreichen Waldmoorgebiete Indonesiens und die borealen Primärwälder Kanadas. Die Rodung dieser Wälder erzeugt hohe Treibhausgasemissionen und mindert die Biodiversität.

Die Isolierung der Zellulose aus dem Holz sowie der Herstellungsprozess der Faser benötigen große Mengen an Wasser und Energie. Des Weiteren ist der Einsatz von Chemikalien notwendig, die Abwasser und Abluft belasten. Zum Teil wird auch immer noch Chlor zum Bleichen des Zellstoffs eingesetzt. Für die Herstellung gibt es mittlerweile jedoch auch Verfahren, die geringere Umweltauswirkungen haben. Das Lyocell-Verfahren zeichnet sich etwa durch eine geschlossene Kreislaufführung der Chemikalien aus.

5. Polyester

Polyester ist die meistgehandelte Faser weltweit. Die wesentlichen Umweltauswirkungen ergeben sich aus dem hohen Energieverbrauch bei der Herstellung und der Nutzung fossiler Ressourcen wie Erdöl als Ausgangsmaterial. Dadurch tragen synthetische Fasern zur Verschmutzung durch Mikroplastik bei. Es gibt mittlerweile aber auch neue Verfahren, mit denen Polyester zum Beispiel aus nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus hergestellt wird. Der Prozess verbraucht in jedem Fall große Mengen an Wasser.

6. Polyamid

Polyamid ist in der Textilindustrie die zweitwichtigste synthetische Faser. Ihre Herstellung ist nochmals energieintensiver als die von Polyester. Außerdem wird dabei laut vorrausgegangener Studien Distickstoffoxid freigesetzt. Dieser Stoff soll fast 300-mal stärker zum Klimawandel beitragen als Kohlendioxid.

7. Polyacryl

Nach Angaben einer im Abschlussbericht zitierten Studie weist Polyacryl im Vergleich zu anderen Textilfasern das höchste Humantoxizitätspotenzial auf. Denn in der Herstellung werden gesundheitsgefährdende Chemikalien eingesetzt. Zudem kommt es aufgrund des hohen Energiebedarfes zu starken Treibhausgasemissionen.

8. Recyclingfasern

Aufgrund der oben beschriebenen Umweltbelastungen haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Recycling-Technologien etabliert. Bislang ist aber vor allem das Faser-zu-Faser-Recycling selten. Weniger als ein Prozent der Kleidung in der EU entstammt einem "Closed-Loop-Recycling", das heißt, sie ist aus textilen Abfällen produziert worden.

Zu den wichtigsten Recycling-Verfahren zählen:

Mechanisches Verfahren

Naturfasern können ausschließlich mechanisch recycled werden. Da dabei die Ausgangstextilien zerrissen werden, haben die "neuen" Fasern eine geringere Qualität.

Per Recycling entstandene synthetische Fasern gehen meist nicht auf Textilien zurück. Rezykliertes Polyester entsteht aus gebrauchten PET-Flaschen und Verpackungen, rezykliertes Polyamid aus Fischernetzen und Teppichen.

Thermo-mechanisches Recycling

Dieses Verfahren wird zum Recycling von Textilien wie Polyester oder Polyamid angewendet. Dabei schmelzen Polymere, die dann in Form von Granulat oder Fasern gebracht werden.

Thermo-chemisches Verfahren

Hierbei werden bei hohen Temperaturen Polymerstrukturen in ihre Monomere abgebaut. So entsteht etwa aus Polyester über Zwischenschritte Essigsäure. Diese wird mit Zellstoff kombiniert zu Zelluloseacetat, das sich zu Fasern spinnen lässt.

(Bio)chemisches Recycling

Zwar kann im chemischen Recycling auch Baumwolle verarbeitet werden, jedoch entstehen dabei nicht wieder Baumwollfasern, sondern Zellulose. Diese kann als Grundstoff in der Viskose- und Lyocell-Produktion verwendet werden. Die so hergestellten Fasern benötigen 90 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Viskose.

Recyclingansätze sind unter ökologischen Gesichtspunkten äußerst interessant. Denn insgesamt sind die Umweltauswirkungen bei Recycling geringer als bei der Umwandlung fossiler Rohstoffe. So erfordert die Verarbeitung von Textilabfällen etwa weniger Energie als die Vergasung fossiler Rohstoffe bei der Herstellung synthetischer Fasern.

Welche Faser ist ökologisch die beste Wahl?

Die Autorinnen und Autoren der Freiburger Studie kommen zu dem Schluss, dass ein direkter Vergleich der ökologischen Wertigkeit verschiedener Fasern kaum möglich ist. Ein Grund dafür ist eine unzureichende Datenlage, vor allem zu wiederentdeckten und innovativen Fasern. Zudem haben die Materialien sehr unterschiedliche Eigenschaften, so dass sie einander nicht ohne weiteres ersetzen können.

Die Autorinnen und Autoren der Studie weisen auch darauf hin, dass bei ein und derselben Faser die Rohstoffe und die Art der Herstellung so stark variieren können, dass sich daraus unterschiedliche Ökobilanzen ergeben.

Bei Öko-Wolle auf Siegel achten

Im Vergleich zeigt sich jedoch, dass Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau eine ökologisch relativ hochwertige Faser ist. Bei den tierischen Fasern gilt Merinowolle mit dem GOTS-Label als vergleichsweise tierfreundlich erzeugt, vorausgesetzt, sie stammt nicht aus Australien. Dort schließt auch die GOTS-Zertifizierung Mulesing nicht aus.

Die gängigen Zertifizierungen für Textlilien bieten generell nicht immer ausreichend Orientierung: So adressieren selbst wenige Standards für ökologischen Anbau das Wassermanagement. Eines davon ist das Naturland-Siegel. Wer an Tierwohl interessiert ist, sollte bei tierischen Fasern auf kontrolliert biologische Tierhaltung (k.b.T.) achten.

Wozu wurde die Studie gemacht?

Die Freiburger Studie diente dazu, die Anforderungen des Siegels "Blauer Engel" für Textilien zu überarbeiten. Ergänzt wurde nun eine Anforderung, damit Natur- und Zellulose-Regeneratfasern, die aus Reststoffen aus der Lebensmittel- und Agrarproduktion hergestellt werden, eingesetzt werden können. Zudem wurden wiederentdeckte Naturfasern wie Brennnessel und Hanf unter bestimmten Bedingungen zum Anbau zugelassen. In den Überarbeitungsvorschlag wurde auch der Einsatz von Bambus und nachwachsenden Rohstoffen zur Herstellung von Polyester oder Polyamid aufgenommen.

Insgesamt gibt es spannende Ansätze, ökologisch sinnvolle Textilien herzustellen: mit natürlichen Rohstoffen, sparsamen Herstellungsverfahren, besserem Tierschutz und effizientem Recycling. Ein Grundproblem besteht jedoch im "Fast Fashion"-Trend, dem kurzen Gebrauch und häufigen Neukauf billiger Kleidung. Hier sind die Verbraucherinnen und Verbraucher gefragt: Wer seltener und hochwertiger einkauft, ermöglicht neue sinnvolle Verfahren und fördert eine nachhaltigere Textilwirtschaft.

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