Normalerweise hat uns der Winter um diese Jahreszeit fest im Griff. Nicht so dieses Jahr – der Winter in Mitteleuropa ist ungewöhnlich mild, fast warm. Sowohl der Dezember als auch der Januar waren ungefähr drei Grad wärmer als der über 40 Jahre gemessene Mittelwert, so der Deutsche Wetterdienst (DWD). Laut der US-Wetterbehörde NOAA ist der zurückliegende Januar sogar der wärmste Januar seit Beginn der Messungen vor 141 Jahren. Und ein richtiger Wintereinbruch mit anhaltendem Schneefall und Minusgraden ist laut Wetterexperten derzeit auch nicht in Sicht.
Bedroht der warme Winter Pflanzen und Tiere?
Die warmen Temperaturen sorgen dafür, dass Hasel, Erle, Forsythien, Schneeball und Seidelbast schon im Dezember Knospen angesetzt haben, an wärmeren Standorten blühen sie bereits jetzt. Auch Schneeglöckchen, Krokusse und Primeln zeigten an vielen Orten bereits Anfang Februar erste Blüten, "teilweise mehr als vier Wochen zu früh", so der NABU.
Kaum Schnee oder Regen: Wald in Gefahr
Nicht nur kalte Tage und Nächte waren in den vergangenen zwei Monaten Mangelware, es hat auch zu wenig geregnet. An vielen Orten ist der Boden deshalb extrem trocken. Es drohen Ernteausfälle und Umweltschäden. "Trockenheit ist der größte Risikofaktor in der europäischen Landwirtschaft", so das Ergebnis einer Studie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF).
Die Trockenheit hat vor allem für den Wald gravierende Folgen: Die Bäumen sind bereits aus den Vorjahren gestresst durch permanenten Wassermangel. Fehlt den Wäldern weiterhin (Regen-)Wasser, sterben die Bäume ab oder werden anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Vor allem Birken und Fichten sind anfällig für Trockenschäden.
Allergiker leiden schon im Winter
Wer allergisch reagiert, hat es sicher schon gemerkt: Der milde Winter lässt die Natur explodieren. Erste Frühblüher wie Hasel und Erle sind bereits aktiv und machen Allergikern zu schaffen. Derzeit liegt die Belastungsintensität für Erle im Westen Deutschlands schon bei mittleren Werten.
Dass noch keine Insekten unterwegs sind, macht diesen Sträuchern glücklicherweise nichts aus: Bei ihnen übernimmt der Wind die Bestäubung.
Warmer Winter bringt Obstblüten in Gefahr
Wenn Pflanzen verfrüht austreiben, können die Jungtriebe absterben, wenn es im März oder April nochmals starken Frost geben sollte. Viele heimische Pflanzen treiben in diesem Fall zwar erneut aus – allerdings nicht ohne Folgen, wie der NABU erklärt: "Zwar verfügen die meisten Pflanzen über genügend Energiereserven für einen zweiten, dann allerdings schwächeren Austrieb, sie werden dadurch aber häufig weniger widerstandsfähig gegenüber weiteren Wetterumschwüngen oder Befall durch Insekten und Pilze."
Bei Obstgehölzen ist die Gefahr, die mit einem verfrühten Austreiben verbunden ist, noch größer: Hier ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die empfindlichen Blüten bei Frost absterben und dadurch erhebliche Ernteausfälle entstehen.
Blattlaus-Plage steht bevor
Gut lachen haben kleine Insekten, denen es zugutekommt, wenn starke Fröste ausbleiben. Denn viele Blatt- und Schildläuse sterben nur ab, wenn es richtig kalt wird. Den Winter 2019/20 werden deshalb viele Schädlinge voraussichtlich überleben und vermutlich schon bald zur Plage in unseren Gärten werden.
Andere Plagegeister wiederum leiden unter dem warmen Wetter: Stechmücken werden häufiger von Pilzen und Bakterien befallen, ihre Chancen, den Winter zu überleben, sinken damit.
Zecken werden zur Ganzjahres-Gefahr
Eine Bodentemperatur von sieben Grad reicht aus, um Zecken aus ihren Winterverstecken zu locken. War die Zeckensaison früher auf die Zeit von März bis Oktober begrenzt, sind die Tiere inzwischen ganzjährig eine Gefahr. Zecken übertragen zwei gefährliche Erkrankungen auf Mensch und Tier: die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose.
Warmer Winter bedroht nützliche Insekten
Bei ungewöhnlich warmem Wetter kommen nicht nur Schädlinge, sondern auch nützliche Insekten wie Hummeln oder Wildbienen früher als sonst aus ihren Winterverstecken. Wenn die kleinen Tiere dann nichts zu fressen finden, kann das lebensgefährlich werden.
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Weniger Vögel in den Gärten
An den Vogelhäusern in Gärten und auf Balkonen ist derzeit wenig los. Bei der Aktion "Stunde der Wintervögel" wurden vor Kurzem deutschlandweit weniger Vögel gezählt als in den Vorjahren. Dieses Ergebnis ist nach Aussagen des NABU jedoch nicht besorgniserregend: Denn nur wenn es kalt ist und Schnee liegt, suchen die Vögel Zuflucht in den Gärten.
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Insgesamt profitieren die Vögel von den milden Temperaturen: Sie verbrauchen weniger Energie und starten gut gerüstet in den Frühling. Auch Wildtiere wie Hasen, Rehe, Hirsche und Wildschweine genießen den warmen Winter und beginnen früher als sonst mit der Paarungszeit.
Klimawandel gefährdet Tier- und Pflanzenwelt
Trotz der verwirrenden Signale, die die Natur zurzeit erhält: Umweltexperten sind sich einig, dass einmalige Wetterextreme den meisten Tier- und Pflanzenarten kaum schaden.
Das ändert jedoch nichts daran, dass der Klimawandel, der mit dem warmen Winter zumindest in Zusammenhang steht, mit seinen dauerhaften Veränderungen gravierende Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben wird - auch wenn einige Tiere, Pflanzen oder Insekten vom milden Winter zurzeit eher zu profitieren scheinen als umgekehrt.
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