Lange wurde das Urteil erwartet, nun ist es gefallen: Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat entschieden, dass es sich auch bei neuartigen Methoden zur genetischen Veränderung um Gentechnik handelt. Auf diese Weise veränderte Pflanzen gelten damit grundsätzlich als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und fallen unter die GVO-Richtlinie der EU. Sie unterliegen also strengeren Auflagen als herkömmlich erzeugte Pflanzen.
Bei dem Urteil geht es um die Veränderung von Organismen durch Mutagenese. Das bedeutet, das Erbgut zu verändern, ohne dabei eine fremde DNA einzuführen. Auf diese Weise züchten Forscher etwa Saatgutsorten mit Resistenzen gegen bestimmte Pflanzenvernichtungsmittel. Durch technische Fortschritte - wie etwa das Verfahren Crispr/Cas9 - können sie Mutagenese mittlerweile sehr gezielt einsetzen. Die so gewonnenen Organismen sind kaum mehr von klassisch gezüchteten zu unterscheiden.
Entscheidung des EuGH zu Gentechnik & Crispr/Cas9 lässt Ausnahmen zu
Mit der Entscheidung des EuGH benötigen so erzeugte Organismen ebenso wie andere GVO eine besondere Genehmigung. Sie sind zu prüfen, zu kennzeichnen und zu überwachen. Für alle Arten von Mutagenese gilt das Urteil allerdings nicht. Ausgenommen sind solche Verfahren, die bereits "herkömmlich bei einer Reihe von Anwendungen angewandt wurden und seit langem als sicher gelten". Für so gewonnene Pflanzen stellt das Gericht es den EU-Mitgliedstaaten frei, sie besonderen Regeln zu unterwerfen.
Das Urteil des Gerichtshofs geht zurück auf eine Klage des französischen Landwirtschaftsverbands "Confédération paysanne". Er hatte zusammen mit acht weiteren Verbänden vor einem französischen Gericht geklagt. Die Verbände befürchten durch solche Pflanzen erhebliche schädliche Auswirkungen auf die Umwelt sowie auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Der EuGH gibt ihnen nun im Wesentlichen Recht und begründet seine Entscheidung damit, dass durch Mutagenese eine auf natürliche Weise nicht mögliche Veränderung vorgenommen werde.
EuGH zu Gentechnik: Reaktionen von BUND, Grünen und Bauernverband
Die ersten Reaktionen auf das Urteil fielen seitens Umweltverbänden und -behörden positiv aus. "Mit seinem Urteil bestätigt Europas höchstes Gericht die Position von Umwelt- und Verbraucherschützern, unabhängigen Wissenschaftlern und gentechnikfrei wirtschaftenden Unternehmen", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch das Bundesamt für Naturschutz begrüßte die Entscheidung und sah "eine am Vorsorgeprinzip orientierte Risikoprüfung gewährleistet". Grünen-Chef Robert Habeck bezeichnete auf Twitter die Einstufung des EuGH als "richtig". Das Verfahren müsse kontrolliert und reguliert werden.
Kritiker argumentieren dagegen, es gehe nicht um die Entstehung, sondern um das Ergebnis: Nicht das Verfahren der Züchtung sei entscheidend, sondern der entstandene Organismus. Ist der sehr ähnlich wie bei klassischer Züchtung, dürfe er nicht wesentlich strenger beurteilt werden. Auch der Deutsche Bauernverband sah die EuGH-Entscheidung kritisch. "Dieses Urteil verbaut uns die notwendigen Möglichkeiten, mit Hilfe der Pflanzenzüchtung die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern", sagte Präsident Joachim Rukwied.
https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-07/cp180111de.pdf