Testanbieter wie ÖKO-TEST müssen die Kontrolle darüber behalten, was mit ihren Testurteilen geschieht und wie Hersteller getesteter Produkte mit den Testergebnissen und Testlabeln werben. Das gilt für das ÖKO-TEST-Label, aber auch für andere Testsiegel. Daher sieht Hans Oppermann, Chefredakteur und Vorstand der ÖKO-TEST AG mit großem Interesse den Entscheidungen entgegen, die der Bundesgerichtshof am 19. September 2019 über drei Revisionsverfahren zu fällen hat. „Wir erhoffen uns, dass der Bundesgerichtshof die Testanbieter in ihren Markenrechten stärkt und damit gleichzeitig auch den Verbraucherschutz“, sagt Oppermann.
Nachdem der EuGH Testsiegeln einem grundsätzlichem markenrechtlichen Schutz im Falle ihrer markenrechtlichen Bekanntheit zugesprochen hat, ist nun zu erwarten, dass der BGH die drei Revisionsverfahren nutzen wird, um markenrechtliche Fragen der Testwerbung umfassend zu klären.
Die damit grundsätzlichen Entscheidungen betreffen neben ÖKO-TEST auch andere Testanbieter Deutschlands, die die Nutzung ihrer Testsiegel für Testwerbung gestatten. Für diese Testanbieter wird durch die Entscheidung des BGH hoffentlich endlich Rechtssicherheit im Hinblick auf ihre Rechte an ihren Testsiegeln entstehen.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher würde eine Entscheidung des BGH zugunsten einer Kontrollbefugnis der Testanbieter eine erhöhte Zuverlässigkeit im Hinblick auf Testwerbung bewirken, da Testanbieter sicherstellen könnten, dass die unter Testsiegeln mitgeteilten Testergebnisse auch tatsächlich für das konkrete Produkt ausgesprochen wurden und noch immer Gültigkeit beanspruchen können.
Der Bundesgerichtshof hat aktuell über drei Revisionsverfahren zu entscheiden, denen die Nutzung des ÖKO-TEST Labels durch Hersteller und Online-Händler getesteter Produktezugrunde liegt.
Hintergrund
Wie auch andere Testanbieter gestattet ÖKO-TEST Herstellern und Händlern die Nutzung des ÖKO-TEST Labels, um Verbraucherinnen und Verbraucher über die Testergebnisse getesteter Produkte zu informieren. Hierzu verlangt ÖKO-TEST jedoch den vorherigen Abschluss eines Lizenzvertrages, der Bedingungen enthält, die eine wahrheitsgemäße und sachgerechte Verbraucherinformation unter dem ÖKO-TEST Label sicherstellen sollen.
Unter anderem sehen diese Bedingungen vor, dass das ÖKO-TEST Label nur für das konkret getestete Produkt genutzt werden darf. Damit soll verhindert werden, dass das Testergebnis zu einem Produkt durch die Nutzung des Labels auf andere Produkte, etwa derselben Produktserie, übertragen wird.
Testet ÖKO-TEST etwa ein rotes T-Shirt, so darf das Label nur für dieses, nicht aber auch für ein grünes T-Shirt genutzt werden. Da ÖKO-TEST Produkte vor allem auf Schadstoffe untersucht und diese oftmals in Farbstoffen stecken, sagt das Testergebnis eines roten T-Shirts nichts über die Schadstoffbelastung eines grünen T-Shirts aus. Durch die Nutzung des ÖKO-TEST-Labels für beide Produkte würde sich dies für den Verbraucher jedoch anders und damit falsch darstellen.
Außerdem sehen die Lizenzbedingungen von ÖKO-TEST vor, dass ein Unternehmen das Label nur in Zusammenhang mit einem aktuellen Testergebnis nutzen darf. Denn ein einmal vergebenes Testurteil kann auch nach kurzer Zeit nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen. Dies liegt daran, dass ÖKO-TEST seine Bewertungen und Testkriterien immer dann verändert, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse oder Weiterentwicklungen der Laborpraxis es nötig machen.
Siehe auch: ÖKO-TEST Fragen und Antworten zum ÖKO-TEST Label
ÖKO-TEST begann vor etwa acht Jahren, konsequent gegen die unberechtigte Nutzung des ÖKO-TEST-Labels vorzugehen. Damals setzten immer mehr Firmen in ihrer Testwerbung nur scheinbar gute und sehr gute Testergebnisse in das ÖKO-TEST Label ein und informiertendie Verbraucher dadurch falsch. In aufwendigen und kostspieligen Gerichtsprozessen wehrt sich ÖKO-TEST seitdem immer wieder gegen die unzulässige Nutzung des Labels. Die nun vom BGH zu entscheidenden Revisionsverfahren stellen das vorläufige Ende dieser als Musterprozesse geführten Verfahren dar.
Eine gerichtliche Klärung zu Fragen der Testwerbung war notwendig, da die zulässige Nutzung von Testsiegeln wie dem ÖKO-TEST-Label mit Angabe des Testergebnisses „sehr gut“ oder „gut“ bisher nicht höchstrichterlich geklärt war. Sämtliche Urteile zur Testwerbung ergingen im Wettbewerbsrecht. Doch das räumt den Testanbietern gegenüber den Herstellern getesteter Produkte keine eigene Klagebefugnis ein.
Auch konnten sich Testanbieter bisher nicht rechtssicher darauf stützen, dass es sich bei ihren Testsiegeln um Marken im Sinne des EU-Markenrechts handelt. Nur Marken geben ihren Inhabern das alleinige Recht, darüber zu entscheiden, wer diese in welcher Weisenutzen kann. Auch ÖKO-TEST hatte es damit schwer, falsche oder unsachgemäße Informationen der Verbraucher durch missbräuchlich genutzte ÖKO-TEST-Label zu unterbinden.
Revisionsverfahren vor dem BGH
Im ersten Revisionsverfahren (Verfahren I ZR 173/16) hatte der Versandhändler Otto in seinem Onlineshop eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring angeboten, die von ÖKO-TEST in einer anderen Farbgestaltung getestet worden waren. Neben den Produktpräsentationen fand sich jeweils eine Abbildung des ÖKO-TEST-Labels, das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehen war.
Im zweiten Revisionsverfahren (Verfahren I ZR 174/16) hatte der Versandhändler Baur in seinem Internetportal einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungsformen sowie einen in Schwarz, Weiß und Rot gehaltenen Fahrradhelm angeboten. Auch hier war neben den Angeboten das mit der Bezeichnung des getesteten Produkts, dem Testergebnis "gut" bzw. "sehr gut" und der Fundstelle des Tests versehene ÖKO-TEST-Label abgebildet. ÖKO-TEST hatte den Lattenrost jedoch nur in einer bestimmten Größe mit verstellbarem Kopf- und Fußteil getestet. Den Fahrradhelm hatte ÖKO-TEST in einer anderen Farbgestaltung getestet.
In dem dritten Revisionsverfahren (Verfahren I ZR 117/17) bot eine Herstellerin auf ihrer Internetseite einen Lattenrahmen und ein Kopfkissen in verschiedenen Größen und unter der oben beschriebenen Nutzung des ÖKO-TEST Labels an. Der Lattenrahmen und das Kopfkissen waren von ÖKO-TEST jeweils nur in einer der angebotenen Größen getestet worden.
Verfahren vor dem EuGH
Der Bundesgerichtshof hatte nach einer mündlichen Verhandlung die ersten beiden Revisionsverfahren und später auch das dritte Verfahren bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im dortigen Verfahren C-690/17 (Öko-Test Verlag/Dr. Liebe) ausgesetzt.
In jenem Verfahren hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf dem EuGH Rechtsfragen aus einem Parallelverfahren zur Nutzung des ÖKO-TEST Labels vorgelegt, die auch für die Entscheidung der BGH-Streitfälle erheblich sind. Diese Fragen hat der EuGH mit Urteil vom11.04.2019 beantwortet (http://curia.europa.eu).
Der EuGH hat dabei entschieden, dass Testanbieter wie ÖKO-TEST die Nutzung ihres Testsiegels untersagen können. Mit seinem Urteil hat der EuGH sich zwar dagegen ausgesprochen, dass Testanbieter die Nutzung ihrer Testsiegel bereits dann untersagen können, wenn diese als Marken eingetragen sind. In diesem Fall erfolge keine markenmäßige Nutzung des Testsiegels durch die Hersteller, so der EuGH. Erst wenn ein Testanbieter sich darauf stützen kann, dass es sich bei seinem Testsiegel um eine bekannte Marke handelt, kann er einen markenrechtlichen Schutz an diesem geltend machen.
Download der Pressemitteilung von ÖKO-TEST vom 11.04.2019
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