Es gibt kaum einen Beitrag über Apfelessig, in dem nicht auch Hildegard von Bingen genannt wird. Die Heilerin des Mittelalters soll den apfeligen Essig bei diversen Krankheiten wie etwa Magen-Darm-Beschwerden eingesetzt haben.
Allerdings fand der Historiker Georg Thalmeier heraus, dass von Bingen zwar auf die Wirkstoffe des Apfels schwor und sie für diverse Heilzwecke nutzte. Jedoch werde ein Essig aus Äpfeln in den medizinischen Werken "Physica und Causae et curae" von Bingens überhaupt nicht explizit erwähnt, so Thalmeier in seiner Dissertation über die Kulturgeschichte des Essigs in Mitteleuropa 2020. Vermutlich spielten eher Zubereitungen aus in Wasser und Wein eingelegten Äpfeln eine Rolle.
So wirkt Apfelessig auf die Gesundheit
Aber sei's drum: Heute gibt es rund 100 wissenschaftliche Studien, die den apfeligen Essig und andere Essige zum Gegenstand haben. Sie analysieren die Inhaltsstoffe von Essigen und deren Wirkungen. Dabei kam heraus, dass Apfelessig tatsächlich bei einigen Substanzen besser aufgestellt ist als andere Essige.
So enthalten naturtrübe unerhitzte Apfelessige fünfmal mehr Polyphenole und Flavonoide als Weinessige, zeigt eine Untersuchung der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) in Speyer.
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Die Substanzen sitzen in und unter der Schale des Apfels und werden im Zuge der Fermentation von Apfelwein zu Essig herausgelöst. Polyphenole wirken antibakteriell, denn sie können die Zellmembran von unerwünschten Keimen im Körper knacken und so im Wachstum hemmen. Sie haben auch eine antioxidative Wirkung, verhindern also unter anderem, dass sich Cholesterinpartikel an den Gefäßinnenwänden festsetzen.
Wie jedes fermentierte Lebensmittel liefert Apfelessig auch Milchsäurebakterien, die vor allem gut für den Darm sind. Denn sie bilden sogenannte Bacteriocine, die schädlichen Bakterien zu Leibe rücken. Auch die von Milchsäurebakterien gebildete Milchsäure eliminiert unerwünschte Darmkeime.
Apfelessig wirkt mit Säure – auch gegen Viren
Star jedes Apfelessigs aber ist die Essigsäure. Sie gibt ihm nicht nur den stark sauren Geschmack. Sie wirkt auch nachweislich antibakteriell, eliminiert also krankmachende Keime von der Haut und aus dem Darm.
Essigsäure merzt auch Viren aus. Bereits ab einer Konzentration von fünf Prozent geht sie Viren, die auf Oberflächen sitzen, an den Kragen und löscht sie zu fast 100 Prozent aus, ergab eine Hygienestudie der Hochschule Rhein-Waal 2020. Von jeher weiß man, dass Essig ein effektives natürliches Reinigungsmittel für Küchen ist. Dass er aber so potent ist, war neu.
Kann man mit Apfelessig abnehmen?
Immer wieder geistert Apfelessig auch als Schlankmacher durch die Medien. Zu Recht? Dafür spricht eine Studie aus Japan mit 155 übergewichtigen Frauen und Männern. Probanden, die täglich einen Apfelessig-Drink aus zwei Esslöffeln Apfelessig gemischt mit etwas Wasser tranken, nahmen in zwölf Wochen bis zu zwei Kilo ab – im Vergleich zur "Wassergruppe", die weniger Gewicht verlor.
Das ist zwar nicht viel, bringt der Gesundheit aber trotzdem was. Denn mit jedem Kilo weniger auf den Hüften sinkt das Risiko für Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Diabetes Typ 2. Eine Erklärung für die schwindenden Kilos ist, dass Essigsäure den Blutzuckerspiegel günstig beeinflusst.
Auch Diabetiker profitieren von Apfelessig
Untersuchungen zeigen: Wird Apfelessig vor dem Essen mit etwas Wasser getrunken, verhindert dies Blutzuckerspitzen. Es wird also weniger Insulin ausgeschüttet und Heißhungerattacken bleiben aus. Dies ist auch für Menschen mit Diabetes von Vorteil, die zu wenig oder gar kein Insulin haben.
Und nicht nur das. Ein Mix aus einem Esslöffel Apfelessig mit etwas Wasser, der am Abend getrunken wird, verbessert bei Diabetikern nachweislich die Blutzuckersituation am Morgen, berichtet das Portal Diabetes Deutschland. Bei Blutzuckerwerten von mehr als 139 Milligramm pro Deziliter betrug die Abnahme rund sechs Prozent.
Apfelessig hilft gegen Entzündungen
Die im Essig enthaltene Säure kann durch ihre antibakterielle und antivirale Wirkung auch Entzündungen vorbeugen und helfen, sie zu kurieren. So regt Essigsäure die Harnausscheidung an und macht den Urin sauer. Auch hat sie eine leicht antibiotische Wirkung. So werden unerwünschte Bakterien, die den Harnleiter belagern und in die Blase eindringen können, in Schach gehalten. Eine handfeste Entzündung bekommt man so aber meist nicht in den Griff.
Die antibakterielle Wirkung der Essigsäure lässt sich auch bei Ohrenschmerzen nutzen, wie eine Studie der Universität von Seoul zeigt. 15 Patienten mit Trommelfellentzündung erhielten mehrmals täglich verdünnte Essiglösung in das kranke Ohr geträufelt. Die Vergleichsgruppe bekam klassische Antibiotika. Nach drei Wochen waren alle Teilnehmer der "Essiggruppe" beschwerdefrei. In der Gruppe, die Medikamente bekam, lag die Erfolgsquote bei 65 Prozent.
Auch Zahnfleischentzündungen werden meist von Bakterien hervorgerufen. Diese sitzen im Zahnbelag und haben leichtes Spiel, wenn zu wenig Speichel produziert wird, etwa durch kurzes Kauen oder sehr weiches Essen.
Auch geht im Alter die Speichelproduktion zurück. Neben Vollkornprodukten und Gemüse, die durch intensives Kauen die Speichelsekretion anregen, kann auch ein Apfelessig-Drink helfen. Er fördert die Speichelproduktion und eliminiert durch seine antibakterielle Wirkung Mikroorganismen im Mund.
Gurgeln mit Apfelessig gegen Halsschmerzen
Bei Halsschmerzen sind hingegen meist Viren im Spiel. Sie rufen das Kratzen im Hals und den Schnupfen hervor. Mit Apfelessig kann man versuchen, die Beschwerden zu lindern. Schon beim ersten Halskratzen kann man mit einer Lösung aus je einem Teil Apfelessig und Wasser gurgeln und so versuchen, den Viren Paroli zu bieten.
Doch sicher ist auch: Egal, um welche Krankheit es sich handelt, bessern sich die Beschwerden durch Apfelessig innerhalb von zwei bis drei Tagen nicht, muss ein Arzt aufgesucht werden.