Aus für Amalgam: Abschied von einer brisanten Wundersubstanz

Autor: Annett Stein (von der dpa) | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 30.12.2024

Aus für Amalgam: Abschied von einer brisanten Wundersubstanz
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/dpa-tmn

Grau-silbrige Füllungen tragen etliche Menschen in einigen ihrer Zähne. Neu hinzukommen werden nur noch wenige: Der Einsatz von Amalgam ist ab 2025 verboten. Warum – und welche Alternativen gibt es?

Über die möglichen gesundheitlichen Folgen von Amalgam-Zahnfüllungen wird seit etlichen Jahren diskutiert. Mit Beginn des neuen Jahres ist die Verwendung von Dentalamalgam nun weitgehend verboten – allerdings nicht aus direkten gesundheitlichen Gründen. Vielmehr geht es bei dem EU-Beschluss darum, das in Amalgam enthaltene giftige Quecksilber besser aus der Umwelt zu verbannen.

Das Verbot betrifft ausschließlich neue Füllungen, es geht nicht um die Entfernung bereits vorhandener. Erachtet der Zahnarzt es etwa wegen hoher Kariesaktivität als medizinisch notwendig, Dentalamalgam zu nutzen, ist dies weiterhin erlaubt.

Eine Amalgamfüllung galt bisher für gesetzlich Krankenversicherte als einzige Kassenleistung für die Behandlung eines durch Karies geschädigten Zahnes. Künftig sind nun selbsthaftende Füllungen wie sogenannte Glasionomerzemente zuzahlungsfrei, die ohne zusätzliche Klebemittel angebracht werden können, wie der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) mitteilte. 

Was ist Hintergrund des EU-Beschlusses?

Die EU setzt damit Beschlüsse des sogenannten Minamata-Übereinkommens von 2017 um, eines internationalen Vertrags zum Schutz vor Quecksilberemissionen. Ziel ist, die Verwendung von Quecksilber in Produkten zu reduzieren und so die Freisetzung in die Umwelt zu vermindern.

Mit Quecksilber versetzte Produkte wie Zahnamalgam und quecksilberhaltige Lampen stellen die größte verbleibende absichtliche Verwendung des Stoffes in der EU dar. Herstellung, Einfuhr und Ausfuhr solcher Lampen sollen von 2026 an eingestellt werden. Früher wurde Quecksilber unter anderem auch in Batterien, Leuchtstoffröhren und Thermometern verwendet.

Was ist Amalgam?

Amalgam ist ein Stoffgemisch, das zu etwa der Hälfte aus Quecksilber sowie aus weiteren Metallen wie Silber, Zinn und Kupfer besteht. Es wird schon seit weit über 100 Jahren für Zahnfüllungen verwendet. Das Material ist preisgünstig, haltbar und leicht formbar. Gerade für größere Defekte in Seitenzähnen mit hoher Kaubelastung gilt es als sehr geeignet.

Was ist Quecksilber?

Quecksilber ist ein auch natürlich weltweit in der Umwelt vorkommendes Metall. Es ist zum Beispiel ein typischer Bestandteil der Steinkohle, wie es beim Umweltbundesamt heißt. Das in Deutschland vorhandene Quecksilber in Luft, Wasser und Sedimentschichten von Gewässern geht demnach auf Jahrhunderte der Kohleverfeuerung sowie, insbesondere in bestimmten Flussabschnitten, auf die einstige Einleitung aus Industrieanlagen zurück.

Für Menschen und Tiere ist die Substanz giftig, in größeren Mengen auch tödlich. Quecksilberbelastung kann das zentrale Nervensystem, die Lunge, die Nieren und das Immunsystem schädigen. Da es vom Organismus schlecht ausgeschieden werden kann, reichert sich aufgenommenes Quecksilber im Körper an.

Neben dem Fischverzehr ist Dentalamalgam hierzulande die Hauptquelle. Das Quecksilber wird – in sehr geringen Mengen – aus den Füllungen freigesetzt. Höher ist die potenzielle Aufnahme beim Einsetzen oder dem Entfernen einer Füllung, wenn die Substanz dampfförmig freiwerden kann. Wer eine Amalgamfüllung hat, sollte sie daher nicht ohne Anlass – wie einem Spalt zwischen Füllung und Zahn – entfernen lassen, raten Experten.

Wie groß sind die Risiken?

Laut Umweltbundesamt sind neben Amalgam-Zahnfüllungen Fisch und andere Meerestiere eine bedeutsame Quelle für die Aufnahme von Quecksilber. Mit zunehmender Zahl und Größe der Füllungen steigt die Belastung. 

Studien zufolge ist die aufgenommene Menge in Deutschland meist zu gering, um schädlich zu wirken. Mehrere Analysen, unter anderem eine bereits 2007 vom Robert Koch-Institut (RKI) und eine 2008 von der TU München veröffentlichte, kamen zu dem Schluss, dass es keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Amalgamfüllungen und chronischen Erkrankungen gibt. Es gebe auch keine wissenschaftlichen Beweise für ein Krebsrisiko durch Amalgamfüllungen, heißt es beim Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Welche Alternativen gibt es?

Verwendet werden alternativ bestimmte Kunststoffe, nicht-metallische Legierungen aus Keramik sowie Metalllegierungen aus Edelmetallen wie Gold. Der Einsatz von Dentalamalgam war in den letzten Jahrzehnten bereits stark rückläufig – vielfach, weil Menschen die grauen Füllungen unschön finden. Im Jahr 2022 bestanden daraus nur noch 2,4 Prozent der plastischen Restaurationen, die über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet wurden, wie es von der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) heißt.

Zu möglichen gesundheitlichen Risiken etwa der verwendeten Kunststoffe gibt es bisher kaum Ergebnisse aus Langzeitstudien. Zudem gelten Zahnfüllungen ohne Amalgam teils noch immer als weniger haltbar.

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