Was bedeutet Herdenimmunität eigentlich? Die sogenannte Herdenimmunität meint den Prozentsatz der Menschen, die gegen eine ansteckende Krankheit (in diesem Fall Sars-CoV-2) immun sein müssen, um eine weitere Ausbreitung zu stoppen. Diese Immunität entsteht zum einen durch eine durchgemachte Infektion, zum anderen durch eine Impfung.
Je mehr Menschen geimpft sind oder eine Krankheit bereits hatten, desto schwerer kann sich diese Krankheit ausbreiten.
Wird die Herdenimmunität erreicht, sind einzelne Infektionen unproblematisch: Infektionsketten brechen in diesem Fall schnell wieder ab, es können keine Hotspots – d.h. Gebiete mit sehr vielen Infektionen – mehr entstehen.
Das ist die Idee hinter Herdenimmunität
Die Idee hinter der Herdenimmunität: Sie ist ein Gemeinschaftsschutz, der auch die Menschen vor einer Infektion bewahren soll, die sich nicht selbst schützen können, weil sie beispielsweise nicht geimpft werden dürfen.
Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt die Impfung allerdings nicht allen Menschen. Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren dürfen sich zwar seit Kurzem gegen das Corona-Virus impfen lassen, eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es jedoch nicht. Als sinnvoll erachtet die Stiko die Impfung bei Kindern mit Vorerkrankung.
Auch für Schwangere wurde die Impfempfehlung angepasst: Nach individueller Prüfung könne die Covid-19-Impfung zum Beispiel bei Vorerkrankungen Schwangeren "großzügig empfohlen" werden.
Menschen mit chronischen Vorerkrankungen sollten sich nur nach Rücksprache mit dem Arzt impfen lassen.
Ab wann der Herdenschutz greift, ist von Krankheit zu Krankheit unterschiedlich. Die Masern gelten als eine der ansteckendsten Krankheiten der Welt, da liegt er bei 95 Prozent, bei Diphterie "nur" bei 80 Prozent.
Coronavirus: Wann wird Herdenimmunität erreicht?
Welcher Teil der Bevölkerung muss entweder durch eine Infektion oder eine Impfung immun gegen das Virus sein muss, damit unser normaler Alltag wieder zurückkehrt? Diese Frage ist allesentscheidend, wenn es um ein Ende der Corona-Pandemie geht.
Durch die neuen Virus-Mutationen wie zum Beispiel Delta ist diese Frage nur schwer zu beantworten. Wann der Herdenschutz bei Covid-19 erreicht ist, lässt sich derzeit nicht genau sagen.
Lange Zeit sind viele Wissenschaftler und auch das Robert Koch-Institut (RKI) von einer Durchseuchungs- oder Impfquote von 60 bis 70 Prozent ausgegangen. Inzwischen ist immer öfter die Rede von einer deutlich höheren Schwelle der Herdenimmunität.
Virologen rechnen nicht mit baldiger Herdenimmunität
Einige Virologen wie Ulrike Protzer von der TU München fürchten sogar, dass die Herdenimmunität kaum noch zu erreichen ist. "Mit den ansteckender werdenden Varianten ist eine Herdenimmunität eigentlich fast nicht mehr zu erreichen" sagte die Virologin im Gespräch mit B5.
Der Virologe Hendrik Streeck rechnet in Deutschland nicht mit einer Herdenimmunität gegen das Coronavirus bis Herbst. "Ich bin skeptisch. Wir haben es ja nicht mit Impfstoffen zu tun, die vollständig vor einer Infektion schützen", sagte Streeck laut Welt.de. Außerdem müssten für eine Herdenimmunität theoretisch auch Kinder geimpft werden, so Streeck. "Aber deshalb jetzt alle Kinder zu impfen, hielte ich für den falschen Ansatz."
Grund für die pessimistische Einschätzung vieler Wissenschaftler: Derzeit breiten sich Mutationen des Coronavirus immer weiter aus. Diese Mutationen gelten als deutlich ansteckender als die ursprüngliche Virus-Variante – mit der Folge, dass mehr Menschen geimpft werden müssten, um eine Herdenimmunität zu erreichen.
Ist eine Herdenimmunität ohne Impfung möglich?
Bei der Bekämpfung der Coronakrise haben sich die Länder für unterschiedliche Wege entschieden. Schweden ging in der ersten Phase der Coronapandemie den "schwedischen Sonderweg": Das Land verzichtete auf landesweite Ausgangssperren und Kontaktverbote und ließ die Schulen offen.
Die Idee dahinter: Vor allem junge Menschen sollten sich infizieren, damit bald eine natürliche Herdenimmunität erreicht sein würde. Schnell zeigte sich, wie hoch der Preis dieser Strategie war: Sehr viele Menschen starben, vor allem in Altenheimen.
Inzwischen lautet die Strategie in fast allen Ländern: Impfen, impfen, impfen – mit dem Ziel, die Herdenimmunität so zu erreichen.
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Herdenimmunität erreichen: Wichtige Faktoren
Bei der Frage, wie hoch die Herdenimmunität sein muss, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen, gibt es viele Unbekannte:
- Wie lange hält die Immunität nach einer durchgemachten Infektion bzw. Impfung an?
- Wie ansteckend sind die neuen Mutationen? Wie hoch ist ihr R-Wert?
- Wie gut schützen die Impfstoffe vor den mutierten Viren?
- Können die Impfstoffe nur vor einer Infektion schützen oder auch davor, das Virus an andere weiterzugeben?
All das sind Fragen, mit denen sich die Wissenschaft derzeit weltweit intensiv beschäftigt. Fakt ist: Bis zur Herdenimmunität ist es noch ein weiter Weg, bis dahin ist es am sichersten und am sinnvollsten, sich an die geltenden Schutzmaßnahmen zu halten, Kontakte nachzuverfolgen und Reiserückkehrer zu testen.