Angefangen hat alles mit einem Video, das im Frühling durch die sozialen Medien ging. Ein gewisser Marc Freemann warnt darin vor dem Krebserregenden Stoff Ethylenoxid in den Wattestäbchen für Corona-Tests. Seither wurde das Filmchen von zigtausenden Menschen geklickt.
Vor allem Eltern und Großeltern machen sich nun Sorgen, wie unbedenklich es ist, wenn ihre Kinder wie geplant mehrmals pro Woche in der Schule getestet werden sollen. Was ist also dran an der Sache und wie groß ist die Gefahr wirklich?
Corona-Tests: Wattetupfer mit Ethylenoxid sterilisiert
Richtig ist, dass die Wattetupfer von Corona-Tests mit Ethylenoxid sterilisiert werden, sowohl Antigen-Schnelltests als auch PCR-Tests. Das Mittel ist seit Jahren gebräuchlich zum Abtöten von Keimen in Medizinprodukten wie diesen.
Richtig ist außerdem, dass Ethylenoxid giftig ist: Die europäische Chemikalienagentur ECHA stuft die Verbindung als "wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd beim Menschen, Kategorie 1B" ein. Und auch das Institut für Arbeitsschutz (IFA) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sagt: Eine "akute Exposition" gegenüber dem Gas kann zu Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen, im Extremfall sogar zu Herzrhythmusstörungen und Bewusstlosigkeit führen.
Nicht umsonst hat die EU den Schadstoff Ethylenoxid für die Anwendung in Lebensmitteln seit 30 Jahren verboten. Aber: Die Hersteller sind verpflichtet, bei der Sterilisation ihrer Wattetupfer mit Ethylenoxid die strengen Regeln eines validierten Verfahrens einzuhalten.
Sicherheit der Teststäbchen wird überprüft
Deshalb erfüllen die Tupfer nach der Sterilisation eine so genannte "Ausgasungszeit": Das Ethylenoxid wird dabei sozusagen ausgelüftet, denn als Gas hat es die Eigenschaft, sich schnell zu verflüchtigen. Anschließend müssen die Hersteller die Teststäbchen auf ihre Sicherheit überprüfen.
Dazu gehört auch der Nachweis, dass sie die in der Norm DIN EN ISO 10993-7 festgeschriebenen Grenzwerte für die Belastung mit Ethylenoxid und dessen Abbauprodukte 2-Chlorethanol und Ethylenglycol nicht überschreiten. Erst, wenn ein Produkt alle Anforderungen erfüllt und alle vorgeschriebenen Prüfungen durchlaufen hat, darf es eine CE-Kennzeichnung erhalten und in Verkehr gebracht werden.
Eine Studie australischer Forscher legt übrigens nahe, dass das Auslüften funktioniert: Sie hatten 2017 Wattestäbchen untersucht, die für die Entnahme von DNA-Proben vorgesehen und ebenfalls mit Ethylenoxid sterilisiert waren. Sie stellten fest: Drei Wochen nach der Sterilisation war das Gas nicht mehr nachweisbar.
Erfolgreiches Verfahren endet mit CE-Kennzeichung
Gibt für die Einhaltung der Grenzwerte aber auch unabhängige Kontrollen? Die Corona-Tests und ihre Wattetupfer zählen zu den Medizinprodukten. Diese durchlaufen, anders als Arzneimittel, kein behördliches Zulassungsverfahren über das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Sondern die Hersteller überprüfen eigenständig, ob ihre Produkte die Voraussetzungen für einen Marktzugang erfüllen. Das nennt sich dann nicht Zulassung, sondern "Konformitätsbewertungsverfahren".
Kontrolliert werden sie dabei von den Gesundheitsbehörden der einzelnen Bundesländer. Ein erfolgreiches Konformitätsbewertungsverfahren endet mit der CE-Kennzeichnung, sichtbar auf der Verpackung eines Produktes. "Daher können CE-gekennzeichnete Medizinprodukte, die mit Ethylenoxid sterilisiert wurden, als sicher angesehen werden", sagt uns das Gesundheitsministerium Baden-Württemberg.
Erst dann, wenn ein Profi-Test auch für die Anwendung von Laien zugelassen werden soll, muss der Hersteller eine so genannte "benannte Stelle" hinzuziehen: Das sind Prüfstellen wie der TÜV Rheinland oder die DEKRA. Im Moment springt aus Kapazitätsgründen auch das BfArM ein, das bis Anfang Mai alleine 55 Sonderzulassungen für Antigen-Tests vergeben hat.
Eine Liste dieser ordnungsgemäß zugelassenen und vom Paul-Ehrlich-Institut zusätzlich auf Empfindlichkeit evaluierten Tests finden Verbraucher unter: https://www.bfarm.de/Liste-Antigentests-Eigenanwendung
Ethylenoxid als Problem bei Lebensmitteln mit Sesam
Soviel zur Frage möglicher Rückstände. Wir wollten dennoch sicher gehen und haben zum Gefahrenpotential der Teststäbchen einen unabhängigen Experten um seine Einschätzung gebeten: Prof. Manfred Schubert-Zsilavercz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Uni Frankfurt ist der Meinung, das Problem Ethylenoxid müsse man absolut ernst nehmen.
Derzeit ist der krebserregende Schadstoff auch in den Schlagzeilen, weil Untersuchungsbehörden hohe Rückstände in Lebensmitteln mit Sesam finden und aus dem Verkehr ziehen. "Aber es ist etwas völlig anderes, ob ich Ethylenoxid mit einem Lebensmittel aufnehme oder ob ich ein Wattestäbchen habe, das nur in einen kurzen Kontakt mit meiner Schleimhaut kommt."
Corona-Test: Keine Gefahr aufgrund von Ethylenoxid
Selbst wenn es noch geringe Rückstände gäbe – das Risiko, dass diese über die Schleimhäute in den Organismus übergingen, sieht der Wissenschaftler als "absolut vernachlässigbar" an. "Da müssen wir die Kirche wirklich im Dorf lassen: Ich sehe hier überhaupt keine Gefahr."
Übrigens: Dass ein Produkt mit Ethylenoxid sterilisiert wurde, erkennen Verbraucher am blauen Symbol "STERILE EO" auf der Rückseite. Es gibt aber auch andere Sterilisationsverfahren für Medizinprodukte: So werden manche Wattestäbchen für Corona-Tests auch mittels Bestrahlung von Keimen befreit. Symbol für diese Sterilisationsmethode ist das blaue "STERILE R" auf der Verpackung.
Weiterlesen auf oekotest.de: