Corona-Sommerwelle: Wie gefährlich ist die Corona-Variante BA.5?

Autor: Benita Wintermantel / dpa | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 21.07.2022

Neue Variante BA.5: Wie gefährlich ist die neue Corona-Mutation?
Foto: Shutterstock / Melinda Nagy

Ein weitgehend coronafreier Sommer ist uns dieses Jahr nicht vergönnt: Die besser übertragbare Sublinie BA.5 sorgt für steigende Infektionszahlen. Wie sieht die Corona-Prognose für den Herbst aus? Wie gefährlich ist die Corona-Variante BA.5? Was hat es mit der Variante BA.2.75 auf sich? Und wie können wir uns schützen?

Viele Erkrankte in der Bevölkerung, vermehrte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen und eine steigende Zahl von Intensivpatienten - eine Entspannung der Corona-Lage ist vorerst nicht in Sicht. Der Infektionsdruck bleibe in allen Altersgruppen hoch, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI) in seinem Wochenbericht. Vielleicht noch das Erfreulichste: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz der gemeldeten Fälle blieb im Vergleich zur vorherigen Berichtswoche weitgehend unverändert - "es zeichnet sich ein Plateau ab", schreibt das RKI.

Den Daten zufolge hat die seit Mitte Juni vorherrschende Omikron-Variante BA.5 alle anderen Varianten mittlerweile fast vollständig verdrängt. Laut der aktuellsten Stichprobe von vorletzter Woche liegt ihr Anteil nun bei 83 Prozent - nach 77 Prozent in der Woche davor. Der Anteil an BA.4-Infektionen sei von 6,7 auf 7 Prozent gestiegen, der von BA.2 nehme weiter ab, berichtet das RKI.

Neue Omikron-Sublinien dominieren: Wie wird sich die Sommerwelle entwickeln?

Der Virologe Christian Drosten rechnet nach den Sommerferien in Deutschland mit einer sehr hohen Zahl an neuen Corona-Fällen. "Ich hoffe, dass die Schulferien den Anstieg der Erkrankungsfälle etwas dämpfen werden. Aber ab September, fürchte ich, werden wir sehr hohe Fallzahlen haben", sagte der Leiter der Virologie-Abteilung an der Berliner Charité Ende Juni dem 'Spiegel'. Wenn nichts getan werde, werde es im Arbeitsleben "sehr viele krankheitsbedingte Ausfälle" geben.

In dem RKI-Wochenbericht heißt es, die Belastung des Gesundheitsversorgungssystems, insbesondere im intensivmedizinischen Bereich, sei in der vergangenen Woche wieder leicht angestiegen.

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Experten befürchten Sommer-Welle durch die Omikron-Subvariante BA.5.
Experten befürchten Sommer-Welle durch die Omikron-Subvariante BA.5. (Foto: Shutterstock / Melinda Nagy)

Wie sieht die Corona-Prognose für den Herbst aus?

Das Gesundheitsministerium rechnet angesichts der ansteckenderen Virusvariante BA.5 nach dem Sommer mit einer "prekären Situation", wie es aus Kreisen des Ressorts hieß. Es sei wie bei einer an beiden Enden zugleich brennenden Kerze: einerseits nicht nur viele, sondern sogar sehr viele Infektionsfälle in der Bevölkerung - und andererseits ebenfalls viele infiziert ausfallende Pflegekräfte oder Ärzte.

Im Herbst und Winter werde es wohl eine lange Infektionswelle geben, meint auch Christian Drosten, Leiter der Charité-Virologie, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Grund seien zwei Effekte: "Erstens verlieren die größten Teile der Bevölkerung bis zum Herbst den Übertragungsschutz, zumal bei den jetzt zirkulierenden Varianten die Übertragbarkeit nochmals erhöht ist. Zweitens wird die Politik wegen des erreichten Impferfolgs zunächst weniger Kontrollen anwenden." Aber: "Insgesamt werden aber viel weniger Menschen schwer erkranken und sterben als noch 2021", so Christian Drosten.

Auch wenn die Zahlen Wachsamkeit erfordern, einen Grund zur Panik sehen die Fachleute nicht. Intensivmediziner Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf spricht momentan von einem 'moderaten' Anstieg der Infektionszahlen. "Es muss in der aktuellen Lage darum gehen, Erkrankung und nicht so sehr die reine Infektion zu verhindern. Daher ist eine Sommerwelle zunächst auch erst mal nicht besorgniserregend", sagt Watzl. 

Brauchen wir eine Auffrischimpfung?

Noch ist unklar, wie schwer die Sommerwelle Deutschland in den nächsten Wochen tatsächlich treffen wird und wie sich die Zahlen im Herbst entwickeln, wenn die Temperaturen kälter werden und wir uns mehr in Innenräumen aufhalten.

Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach steht aber fest: Der bisher beobachtete Sommereffekt in der Pandemie verpuffe diesmal. "Älteren und Vorerkrankten empfehle ich daher dringend, sich nochmal impfen zu lassen." Dies verhindere nicht unbedingt eine Infektion, aber es verhindere schwere Krankheitsverläufe.

Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, geht davon aus, dass sich rund die Hälfte der Bevölkerung noch nicht mit Omikron infiziert hat. "Da die Impfung nicht so gut vor der reinen Ansteckung schützt, hat das Virus also noch ausreichend Potenzial, Menschen zu infizieren."

Wie wir uns für den Herbst wappnen können

Mediziner sind sich einig: Wichtiges Instrumentarium gegen einen schweren Corona-Verlauf ist und bleibt die Impfung. Dabei gilt: Je länger die Impfung zurückliegt, desto weniger schützt sie.

Das RKI schreibt auf seiner Website: "Auch aktuell bei Dominanz der Omikron-Variante kann für vollständig geimpfte Personen aller Altersgruppen – insbesondere für Personen mit Auffrischimpfung – weiterhin von einem sehr guten Impfschutz gegenüber einer schweren COVID-19-Erkrankung ausgegangen werden. Weiterhin zeigt sich für ungeimpfte Personen aller Altersgruppen ein deutlich höheres Risiko für eine schwere Verlaufsform der COVID-19-Erkrankung."

Das RKI ruft weiter dazu auf, Empfehlungen zum Vermeiden von Ansteckungen einzuhalten. Insbesondere an Risikogruppen und Menschen ab 70 appelliert das RKI erneut, sich mit einem zweiten Booster vor einer schweren Erkrankung zu schützen. "Aktuelle Daten zeigen, dass der Schutz nach ersten Auffrischimpfung gegen Infektionen mit der momentan zirkulierenden Omikronvariante innerhalb weniger Monate abnimmt", heißt es in der Stiko-Erklärung.

Ab Oktober gelten nur noch dreifach Geimpfte bzw. zweifach Geimpfte, die genesen sind, als vollständig geimpft. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die vierte Impfung allen über 70-Jährigen sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

Wie gefährlich ist die Corona-Variante BA.5?

Zu den Omikron-Sublinien gibt es bislang kaum Daten und wissenschaftliche Untersuchungen – dazu ist die Variante noch zu neu. Einige Details sind aber inzwischen bekannt:

Das Robert Koch-Institut (RKI) sieht weiter keine wachsende Krankheitsschwere durch die derzeit besonders verbreitete Corona-Variante in Deutschland. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die nun dominierende Omikron-Sublinie BA.5 an sich schwerere Verläufe verursache oder tödlicher sei als vorherige Varianten, so das RKI.

  • Von der WHO wurden die Subvarianten BA.4 und BA.5 Mitte Mai 2022 als "besorgniserregende Varianten" eingestuft.
  • Die Variante BA.5 sorgt für eine höhere Übertragbarkeit, da sie den Antikörpern von Geimpften und Genesenen leichter entkommt.
  • Auch über die Inkubationszeit kann noch nichts genaues gesagt werden, Mediziner gehen beim Subtyp BA.1 von einer Inkubationszeit von drei Tagen aus. Beim Subtyp BA.5 gehen Wissenschaftler von einer ähnlichen Inkubationszeit aus, Studien gibt es hierzu allerdings noch nicht.

Omikron-Variante BA.2.75 wächst langsamer als erwartet

Die von manchen Wissenschaftlern zunächst mit Sorge betrachtete Omikron-Sublinie BA.2.75 breitet sich nicht ganz so schnell aus wie befürchtet. Zwar nehme BA.2.75 in Indien nach wie vor zu und scheine dort einen klaren Übertragungsvorteil zu haben, teilte Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Er ist Leiter einer Forschungsgruppe für Evolution von Viren und Bakterien.

Außerhalb Indiens sei das Bild nicht so klar, erläuterte Neher. Indien habe bislang keine ausgeprägte Welle durch die Sublinie BA.5 gehabt, daher sei die dortige Situation nicht ohne weiteres mit dem Rest der Welt vergleichbar. Neher betonte, es sei nach wie vor möglich, dass sich BA.2.75 weltweit ausbreite. "Aber Daten der vergangenen zwei Wochen haben gezeigt, dass die Variante nicht ganz so schnell wächst wie anfangs vermutet."

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kommentierte Erkenntnisse zu Nachweisen des Erregers auf Twitter mit den Worten: "Es sieht in den Daten bisher nicht danach aus, als ob die Variante BA.2.75. sich durchsetzen könnte." Dies sei eine gute Nachricht, wenn auch vorläufig. Mehrere Erbgutveränderungen von BA.2.75 hatten Forscher vor einigen Wochen aufhorchen lassen.

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