Bislang war der Impfpass ein gelbes, oft schon reichlich zerfleddertes Stück Papier, das einen durchs Leben begleitete. Ein Heftchen, das halb Deutschland, wie eine populäre Aufklärungskampagne nahelegte, regelmäßig in den Tiefen der heimischen Schubladen suchen musste.
Zumindest übergangsweise könnte bald beides – das Suchen sowie das Papier – der Vergangenheit angehören. Dann nämlich, wenn ein digitaler Impfpass zur Verfügung steht, der einfach auf dem Smartphone angezeigt werden kann: ein Gerät, das die meisten Menschen im Land sehr viel schneller zur Hand haben als ein Stück Papier.
Der individuelle Impfschutz soll dann verschlüsselt auf dem Handy gespeichert werden und bei Bedarf vom Besitzer abgerufen werden. Den jeweiligen Impfstatus könnten dann beispielsweise behandelnde Ärzte und Krankenhäuser einsehen, aber auch Fluggesellschaften oder Veranstalter, die eine gültige Corona-Impfung voraussetzen, um ihre Dienste anbieten zu können.
Der digitale Impfpass wird freiwillig bleiben
Die Covid-19-Pandemie hat die Entwicklung eines Smartphone-Impfpasses erst so richtig ins Rollen gebracht – steht er doch für das Versprechen, anwenderfreundlich, daten- und fälschungssicher dokumentieren zu können, ob jemand bereits gegen das Virus geimpft wurde. Und wenn ja, wie lange die Impfung zurückliegt und welcher Impfstoff verabreicht wurde. Die EU treibt die Entwicklung von digitalen Impfpässen in den jeweiligen Mitgliedsstaaten auch deshalb voran, um so schnell wie möglich wieder ein freizügiges Reisen auf dem Kontinent zu ermöglichen.
Der digitale Impfpass soll aber ein freiwilliges und ergänzendes Angebot bleiben – das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) spricht deshalb lieber von einem "digitalen Impfnachweis" oder, technischer, von einem "Impfbescheinigungstoken". Der schon deshalb nicht vorgeschrieben werden kann, weil nicht jeder Geimpfte über ein Smartphone verfügt, und weil ein Mobiltelefon natürlich auch verlorengehen kann.
Das bekannte "gelbe Heft" – übrigens ein international anerkannter Ausweis der Weltgesundheitsorganisation (WHO) – hat also vorerst nicht ausgedient: Es wird auch weiterhin als wichtigster Impfnachweis zur Verfügung stehen, nur eben zukünftig parallel zur neuen Smartphone-Anwendung.
Der digitale Impfpass: Fragen & Antworten
Hier finden Sie die wichtigsten Fragen rund um den neuen Impfpass – und natürlich alle Antworten. Hinweis: Die folgenden Abschnitte werden laufend aktualisiert.
Wann kommt der digitale Impfpass?
Geplant ist eine Einführung "zum Ende des zweiten Quartals 2021", so das Bundesgesundheitsministerium (BMG), also schon innerhalb der nächsten zwei Monate. An anderer Stelle ist die Regierung ein wenig pessimistischer und gibt als möglichen Start für die Impf-App "spätestens zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2021" an, was dem 1. Juli 2021 entspräche. Die Sommerferien in Norddeutschland beginnen am 21. Juni 2021.
Woher weiß der digitale Impfpass, dass ich geimpft wurde?
Impfzentren und Arztpraxen sollen zukünftig befähigt sein, Impfbescheinigungen auch in Form von individuellen digitalen Zertifikaten auszustellen. Der Patient erhält ein solches Zertifikat nach seiner Impfung als QR-Code angezeigt, den er entweder direkt mit dem Smartphone abscannen oder als Ausdruck mit nach Hause nehmen kann, um ihn dort ins Handy einzulesen. Dazu soll es eine eigene, kostenfreie App geben, ähnlich der Corona-Warn-App (siehe dazu unten).
Aus Datenschutzgründen sollen die Impfbestätigungen nicht auf einem zentralen Server, sondern nur auf dem Smartphone des Geimpften gespeichert werden. Die Daten, die dazu in der Arztpraxis oder im Impfzentrum anfallen, werden nur temporär erzeugt und sollen anschließend gelöscht werden. Ein zentrales Impfregister ist ausdrücklich nicht geplant. Digitale Impfnachweise von Kindern oder Partnern können auf ein und demselben Smartphone gespeichert werden, so das BMG.
Der nach dem Impfen erzeugte QR-Code kann laut BMG nur einmal und nur in ein Smartphone eingelesen werden. Wie ein Geimpfter bei einem Verlust oder Wechsel des Handys an einen neuen gültigen Impfnachweis für sein Gerät kommt, ist noch nicht bekannt.
Wer kann meinen Impfstatus einsehen?
Für Dienstleister wie Fluggesellschaften, die den Impfstatus kontrollieren möchten, wird es eine eigene Prüf-App geben. Ein Geimpfter wiederum wird dann auf Wunsch einen Impfnachweis auf seinem Smartphone erzeugen, der mithilfe der Prüf-App ausgelesen werden kann. Das Ganze wird wie bei einer digitalen Fahrkartenkontrolle funktionieren, bei der ein Kunde einen Code auf dem Handy bereithält, der dann abgescannt wird.
Die Prüf-App soll neben dem Impfstatus nur den Namen und gegebenenfalls das Geburtsdatum des Geimpften auslesen können. Um zu verhindern, dass jemand ein fremdes Smartphone (und damit einen fremden Impfnachweis) vorzeigt, muss unter Umständen zusätzlich ein Lichtbildausweis bereitgehalten werden. Alternativ wird sich eine Impfung weiterhin mit dem analogen Impfpass nachweisen lassen, auch hier möglicherweise nur in Kombination mit einem Lichtbildausweis.
Was passiert mit der Corona-Warn-App?
Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes soll nicht nur weiter im Einsatz bleiben, sondern in zukünftigen Versionen ebenfalls in der Lage sein, die digitalen Impfzertifikate einzulesen und abzuspeichern.
Ob der digitale Impfpass vielleicht sogar vollständig in der Corona-Warn-App aufgehen wird, ist noch nicht bekannt – obwohl dies sicherlich ein sinnvoller Ansatz wäre, schließlich befindet sich die Warn-App bereits auf Millionen von Geräten. Schon jetzt kann die Warn-App beispielsweise die Ergebnisse von Corona-Schnelltests anzeigen.
- Weiterlesen: Corona-Warn-App: Bald mit Check-in-Funktion
Was passiert, wenn ich bereits geimpft wurde?
Geplant ist, dass Arztpraxen oder Impfzentren den digitalen Impfnachweis auch im Nachhinein erzeugen können, sofern Patienten dort belegen können, dass sie bereits geimpft wurden. Die kann mithilfe des analogen Impfpasses oder eines vergleichbaren Nachweises geschehen.
Patienten, die bereits eine erste Impfdosis erhalten haben, sollen die digitale Bescheinigung bei ihrem zweiten Impftermin erhalten, sofern die Anwendung dann bereits zur Verfügung steht.
Offen ist auch noch, ob eine überstandene Corona-Infektion mit einer erfolgreichen Impfung gleichgesetzt und entsprechend in der App vermerkt werden wird.
Meine Impfung steht nicht im gelben Impfpass!
Wer seinen analogen, gelben Pass bei seinem Impftermin beim Arzt oder Impfzentrum versehentlich nicht dabei hatte oder ihn zwischenzeitlich verliert, sollte seine Impfung auch in seinem analogen Pass nachtragen lassen, damit sie sicher dokumentiert ist – unabhängig davon, ob und wann eine digitale Lösung zur Verfügung steht. Dazu müssen Sie bei Ihrem Arzt oder dem Gesundheitsamt ein Dokument vorlegen, das beweist, dass Sie geimpft wurden. Dann kann ein Nachtrag in den gelben Ausweis erfolgen.
Die Pharmazeutische Zeitung (PZ) berichtete darüber hinaus Ende April, dass es bald auch Apotheken erlaubt sein könnte, nachgewiesene Impfungen im Impfpass aus Papier nachzutragen. Das sieht laut PZ ein neuer Entwurf der Regierung zum Infektionsschutzgesetz vor. Am Di., 4. Mai 2021, stellte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn diesen Plan allerdings wieder infrage. Um Fälschungen und Betrug zu verhindern (siehe auch nächster Punkt), kann es sein, das zukünftig nur Praxen bzw. Impfzentren den Impfnachweis erzeugen dürfen, in denen die betreffende Impfung auch tatsächlich verabreicht wurde. Auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat sich zuletzt für diese Lösung ausgesprochen.
- Lesen Sie auch: Impfpass verloren: Was tun?
Wie daten- und fälschungssicher wird der digitale Impfpass?
Das Bundesministerium für Gesundheit spricht davon, dass der digitale Impfpass "kryptographisch vor Veränderungen geschützt" sei. Eine Verschlüsselung über die sogenannte Blockchain, die als besonders sicher gilt, soll allerdings nicht zum Einsatz kommen.
Die Gefahren für den Datenschutz dürften dennoch vergleichsweise gering sein: Wie zuvor bei der Corona-Warn-App des Bundes, sollen die neuen Anwendung, die zum digitalen Impfpass gehören, transparent programmiert werden, sodass sie unabhängig überprüft werden können. Dabei soll vollständig auf offene Quellcodes (Open-Source-Verfahren) gesetzt werden.
Bereits Probleme mit gefälschten Impfbestätigungen
Gefälschte Impfbestätigungen sind dennoch bereits ein Problem, wenn auch bislang nur in analoger Form. Und sie sind bei Kriminellen begehrt, schließlich werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bald deutlich mehr Freiheiten ermöglichen.
Der bekannte gelbe WHO-Impfpass ist, da aus Papier, besonders anfällig für gefälschte Impfbestätigungen. Datenschützer warnen deshalb davor, Fotos von eigenen Impfnachweisen in sozialen Netzwerken zu teilen – sie können Fälschern als Vorlage dienen, die beispielsweise die Chargennummer einer Impfung, Stempel und Unterschriften kopieren. Gute Fälschungen sind schwer zu enttarnen: So ist es in Deutschland beispielsweise bislang nicht möglich, die Chargennummer einer Impfung mittels eines digitalen Abgleichs auf Ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Bereits Ende April wurden Dutzende gefälschte Impfpässe in einer Berliner Wohnung sichergestellt. Der Besitzer soll die Pässe illegal zum Verkauf angeboten haben. Auch in anderen Bundesländern sollen bereits Blanko-Impfbücher mit gefälschten Bestätigungen für Corona-Impfungen aufgetaucht sein.
Während es nur ordnungswidrig ist, eine erfolgte Impfung nicht (oder nicht korrekt) zu dokumentieren, macht sich strafbar, wer gefälschte Gesundheitszeugnisse ausstellt, verbreitet oder nutzt. Es handelt sich um Urkundenfälschung. Laut BMG wird zurzeit geprüft, ob die rechtlichen Regelungen speziell zur Strafbarkeit von gefälschten Covid-19-Gesundheitszertifikaten überarbeitet werden müssen.
Wer entwickelt den digitalen Impfpass?
Entwickelt wird der deutsche digitale Impfpass unter der Führung des US-amerikanischen IT-Konzerns IBM. Beteiligt sind außerdem das Kölner Start-up Ubirch, der deutsche IT-Dienstleister Bechtle sowie Govdigital, eine genossenschaftliche Kooperation von IT-Dienstleistern der öffentlichen Hand.
Warum ist der Impfpass nur provisorisch?
Nach dem Willen der Regierung wird der digitale Impfpass in seiner geplanten Form nur eine Übergangslöung bleiben. Ab dem kommenden Jahr 2022 soll der digitale Impfnachweis Teil der sogenannten elektronischen Patientenakte (ePA) werden, die die digitale Vernetzung des Gesundheitssystems vorantreiben soll. Dann könnte eine Impfung beispielsweise über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) nachgewiesen werden.
Was ist das "grüne Zertifikat"? Was ist der Unterschied zum digitalen Impfpass?
Die EU-Staaten hatten sich bereits Anfang des Jahres darauf verständigt, eine gemeinsame Lösung vorzulegen, mit der Corona-Impfungen in den EU-Ländern digital dokumentiert und bei Bedarf nachgewiesen werden können. Das Vorhaben bekam den Namen "Grünes Zertifikat" (green certificate), weil die Farbe Grün mit Reisefreizügigkeit assoziiert ist. Das "Grüne Zertifikat" soll EU-weit gültig sein.
Der digitale Impfpass (korrekter: digitaler Impfnachweis) des deutschen Bundesministeriums für Gesundheit, von dem in diesem Artikel die Rede ist, ist der erste Schritt in Richtung einer Anwendung, die die Bedingungen eines solchen "Grünen Zertifikats" erfüllen könnte. Die Begriffe "Grünes Zertifikat" und digitaler Impfpass sind deshalb, zumindest in Bezug auf Deutschland, bislang synonym zu verwenden.
Mit der Einschränkung, dass die EU-Organe bislang (Stand: 12. Mai 2021) noch keinen verbindlichen Beschluss verabschiedet haben, wie das geplante "Grüne Zertifikat" ganz konkret ausgestaltet werden soll. Heißt: Ein digitaler Impfnachweis innerhalb Deutschlands kommt ziemlich sicher – ob er aber auch an oder über EU-Grenzen hinweg akzeptiert werden funktionieren wird, ist noch nicht klar.
Im ungünstigsten Fall könnte es sein, dass die EU-Staaten einen Flickenteppich von jeweils eigenen technischen Lösungen vorlegen, die nicht zusammenspielen. Sodass beispielsweise ein österreichischer Grenzbeamter nicht in der Lage wäre, eine digitalen Impfnachweis zu überprüfen, der in Deutschland ausgestellt wurde. Genau das soll mithilfe des Vorhabens "Grünes Zertifikat" aber verhindert werden.
Die gemeinsamen EU-Verhandlungen dazu sollen Ende Mai zum Abschluss kommen, damit allen Ländern ausreichend Zeit bleibt, die genauen Vorgaben bis zum Beginn der Sommerferien umzusetzen. Viele Fragen sind aber noch offen. So hatte das EU-Parlament zuletzt beispielsweise vorgeschlagen, den Impfnachweis nicht "Grünes Zertifikat" zu nennen, sondern besser "EU COVID-19 Certificate". Was zumindest ein verständlicherer Name wäre.
Sicher ist nur, dass auch der EU-Impfnachweis nur eine Übergangslösung sein soll, bis die Corona-Pandemie überstanden ist.
Was ist die CovPass-Ap? Warum ist sie eine Dublette?
Um die Verwirrung zu vergrößern, kündigte das Robert-Koch-Institut vor wenigen Tagen seine App "CovPass" an, bei der es sich um die offizielle Umsetzung des elektronischen Impfnachweises handeln wird.
Besser, weil verständlicher als "CovPass", wäre hier – in Analogie zur "Corona-Warn-App" – der Name "Corona-Impfnachweis-App" oder "Digitaler Impfnachweis" gewesen. Wenigstens lautet die Adresse der dazugehörigen Website digitaler-impfnachweis-app.de, die vom RKI betrieben wird, auf einen entsprechenden Namen.
Wichtig zu wissen: Die bisherige "Corona-Warn-App", die ebenfalls vom RKI verantwortet wird, soll die benötigten Funktionen (Impfnachweise einscannen, speichern, bei Bedarf nachweisen) ebenfalls in Kürze aufweisen. Nutzer werden damit die Wahl zwischen "CovPass" und der "Corona-Warn-App" haben, um ihre Impfnachweise elektronisch zu speichern.
Warum RKI, BMG und die technischen Entwickler eine zweite Anwendung schaffen, statt einfach nur die bestehende "Corona-Warn-App" um die neue Nachweis-Funktion zu erweitern, erschließt sich nicht.
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