E-Zigaretten & Co.: Lungenmediziner fordern strengeren Jugendschutz

Autor: Michelle Sensel | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 07.04.2025

Lungenmediziner fordern die neue Regierungskoalition dazu auf, Kinder und Jugendliche besser vor dem Suchtpotenzial vor Nikotin-Produkten wie E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotin-Beuteln zu schützen.
Foto: Sophon Nawit/Shutterstocj

Verharmlosung, Werbelücken und fehlende Alterskontrollen: Lungenmediziner fordern die neue Regierungskoalition dazu auf, Kinder und Jugendliche besser vor dem Suchtpotenzial vor Nikotin-Produkten wie E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotin-Beuteln zu schützen.

Nikotinprodukte wie E-Zigaretten und Nikotinbeutel sind unter Jugendlichen stark verbreitet – trotz gesetzlicher Vorgaben zum Jugendschutz. Lungenmediziner der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordern nun, dass die neue Regierungskoalition Kinder und Jugendliche besser schützt.

"Neueste Untersuchungen zeigen, dass Produkte verharmlost werden, falsche Versprechungen zur Tabakentwöhnung kursieren und Lücken beim Jugendschutz schamlos ausgenutzt werden", so Professor Wolfram Windisch, Präsident der DGP, dazu. 

Nikotinprodukte werden trotz Werbeverboten weiterhin beworben

Wie die Tabak- und Nikotinindustrie gezielt Influencer und Lieferdienste einsetzt, haben Dr. Claudia Bauer-Kemeny und Matthias Urlbauer vom Universitätsklinikum Heidelberg untersucht. Ihre Erkenntnis: Trotz Werbeverboten werde in sozialen Medien weiterhin illegal für Nikotinprodukte geworben.

Laut Zahlen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) werben über 40 Prozent der bekanntesten deutschen Rapper in ihren Kanälen für E-Zigaretten oder Shisha-Tabak – Zielgruppe sind unter 20-Jährige. "Bestehende Werbebeschränkungen für Tabak und E-Zigaretten werden von den Behörden in Deutschland nicht konsequent kontrolliert und umgesetzt", so Bauer-Kemeny.

Neue Untersuchungen zeigen unter anderem, dass E-Zigaretten verharmlost werden. Dabei sind sie etwa genauso schädlich wie Tabakzigaretten.
Neue Untersuchungen zeigen unter anderem, dass E-Zigaretten verharmlost werden. Dabei sind sie etwa genauso schädlich wie Tabakzigaretten. (Foto: ilkov_igor/Shutterstock)

Jugendliche kommen sehr leicht an Nikotin-Produkte

Wie Ärzte der Universitätsklinik der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg beobachtet haben, sei es für Jugendliche auch besonders leicht, Nikotin-Produkte an Automaten und im Netz zu kaufen. Automaten mit E-Zigaretten seien zum Teil nur wenige Meter von Schulen entfernt, Alterskontrollen im Onlinehandel oft lückenhaft.

"Die Alterskontrolle wird zum Teil umgangen, häufig reicht es, den Button ‚Ich bin über 18‘ für Bestellungen anzuklicken, Altersnachweise wie das Hochladen des Ausweises sind nicht immer erforderlich und Entgegen der Angaben von Lieferdiensten gibt es häufig auch keine Alterskontrolle bei der Auslieferung", kritisiert Matthias Urlbauer vom Klinikum Nürnberg.

Nikotinbeutel trotz Verbot erhältlich

Auch Nikotinbeutel, deren Verkauf in Deutschland aktuell verboten ist, seien online problemlos erhältlich – ohne echte Alterskontrolle. "Der Jugendschutz im Hinblick auf Tabak- und andere nikotinhaltige Produkte wird nicht ausreichend umgesetzt", sagt Urlbauer. "Notwendig sind eine strengere Regulierung, stärkere Kontrollen und höhere Strafen bei Zuwiderhandlungen."

E-Zigaretten etwa so gefährlich wie Tabakzigaretten

Die DGP warnt außerdem davor, E-Zigaretten als sichere Methode zur Tabakentwöhnung zu bewerben. "Unsere Untersuchungen zeigen: 50 Prozent derjenigen, die von der Tabakzigarette auf die E-Zigarette umsteigen wollen, rauchen am Ende beides. Und diese Doppelnutzung führt nur selten zur Entwöhnung", so der Chefarzt der Lungenfachklinik Immenhausen, Pneumologische Lehrklinik der Universitätsmedizin Göttingen.

E-Zigaretten seien etwa so gefährlich wie Tabakzigaretten. Und: "E-Zigaretten sind deutlich gefährlicher als Nichtrauchen. Und die Doppelnutzung, der sogenannte ‚Dual Use‘, wirkt sich auf die Gesundheit gefährlicher aus als Tabakzigaretten allein." 

Einfluss der Tabak- und Nikotinindustrie

Ein weiterer Kritikpunkt: Studien, die durch die Tabakindustrie mitfinanziert werden, zeigten seltener die schädlichen Effekte von E-Zigaretten auf. Unabhängige Publikationen hingegen belegten die gesundheitlichen Risiken deutlich.

Ein zentrales Instrument der Nikotinindustrie sei zudem ihre Sprache: Begriffe wie "rauchfrei", "dampfen" oder "risikoreduziert" sollen Produkte harmloser erscheinen lassen. Kritische Begriffe wie "Rauchen", "Sucht" oder "Schaden" würden vermieden.

"Es ist wichtig, die Sprache der Tabak- und Nikotinindustrie zu durchschauen und kritisch zu hinterfragen", sagt Soziologin Waltraud Posch von VIVID – Fachstelle für Suchtprävention in Graz dazu. "Denn die Tabak- und Nikotinindustrie benennt ihre neuen Produkte mit harmlosen, angenehmen Begriffen und vermeidet damit, Nikotinprodukte und deren Konsum entsprechend ihrem Gefährdungspotenzial zu benennen."

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