ÖKO-TEST: Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts sind fast 60 Prozent der Deutschen zumindest suboptimal mit Vitamin D versorgt. Ist das nicht Grund genug, zur Vitamin-D-Tablette zu greifen?
Professor Dr. Martin Smollich: "Eine suboptimale Versorgung ist noch kein Mangel. Und allgemeine Lehrmeinung ist, dass nicht mit Tabletten supplementiert werden sollte, ohne dass ein Mangel nachgewiesen ist. Aber auf der einen Seite sind die Labormessungen des Vitamin-D-Spiegels mit 25 bis 40 Euro recht teuer und auf der anderen Seite weiß man, dass tägliche Tabletten mit 800 bis 1.000 IE praktisch ohne Risiko sind. Bei einer solchen Nutzen-Risiko-Abwägung kann man schon mal ein Auge zudrücken und von der reinen Lehre abweichen."
Welchen Risikogruppen wird denn zu einer Supplementierung geraten?
"Babys und ganz kleine Kinder sollten auf jeden Fall bis zum zweiten erlebten Sommer täglich eine Vitamin-D-Tablette mit 400 IE bekommen. Außerdem wird Menschen mit Zöliakie, chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Kurzdarmsyndrom sowie chronischen Leber- und Nierenerkrankungen geraten, Vitamin D zuzuführen. Wer Medikamente wie Glucocorticoide, Antikonvulsiva oder Zytostatika nimmt, muss den Vitamin-D-Spiegel beobachten."
"Weitere Risikogruppen sind Pflegebedürftige mit geringem Aufenthalt im Freien, voll verschleierte Frauen und Menschen mit dunkler Hautfarbe, die in Mitteleuropa leben. Auch Veganer und Vegetarier haben oft einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel. Woran das liegt, ist bisher noch nicht geklärt, denn über die Nahrung kommt ja nur ein vergleichsweise geringer Anteil. Für alle Risikogruppen reichen aber tägliche Tabletten mit 800 bis 1.000 IE. Bei Osteoporosepatienten wird diese Menge noch mit 1.000 mg Calcium am Tag kombiniert."
Wann machen hoch dosierte Vitamin-D-Präparate Sinn?
"Bis zu 4.000 IE täglich gelten noch als vertretbar, aber für eine solche Zufuhr gibt es in der unspezifischen Prophylaxe schon keine vernünftigen Gründe mehr. Wenn der Arzt einen schweren Vitamin-D-Mangel feststellt, der Spiegel also unter 12,5 nmol/l liegt, dann kann er für kurze Zeit ein hoch dosiertes Mittel zum Auffüllen verschreiben, damit ein schneller Ausgleich geschaffen wird. Ansonsten sind hoch dosierte Vitamin-D-Präparate nur etwas für Patienten mit chronischen Nieren- und Lebererkrankungen. Bei einer solchen Gabe muss der Arzt aber regelmäßig den Vitamin-D-Spiegel checken, denn zu viel kann gesundheitsgefährdend sein."
Professor Dr. Martin Smollich leitet die AG Pharmakonutrition am Institut für Ernährungsmedizin des Uniklinikums Schleswig-Holstein.
Vitamin D im Test: Wirksamkeit und Nutzen von 21 Mitteln überprüft
ÖKO-TEST hat 20 Vitamin-D-Präparate sowie die aktuelle Forschungslage zu Vitamin D unabhängig überprüfen lassen. Unser Gutachter: Professor Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Universität Frankfurt. Im Vitamin-D-Test: Fünf rezeptfreie Arzneimittel und 15 Nahrungsergänzungsmittel. Interessiert haben uns vor allem die Wirksamkeit und der Nutzen der Präparate.