Viele Krankenhäuser in Deutschland seien zu klein und verfügten häufig nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, um etwa Notfälle wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall angemessen zu behandeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung und des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), das regelmäßig auch im Auftrag der deutschen Pharmaindustrie arbeitet. Die Studien-Autoren raten zu einer Verringerung der Klinikanzahl von aktuell knapp 1.400 auf unter 600 Häuser.
Zu wenig Fachärzte in kleinen Krankenhäusern
Eine primäre Orientierung an Fahrzeiten ginge in die falsche Richtung. "Wenn ein Schlaganfallpatient die nächstgelegene Klinik nach 30 Minuten erreicht, dort aber keinen entsprechend qualifizierten Arzt und nicht die medizinisch notwendige Fachabteilung vorfindet, wäre er sicher lieber ein paar Minuten länger zu einer gut ausgestatteten Klinik gefahren worden", so Brigitte Mohn, Vorstandmitglied der Bertelsmann Stiftung.
Deutsche Krankenhäuser haben zu wenig Spezialgeräte
Die Studien-Autoren stellen zudem fest, dass viele Krankenhäuser schlecht ausgestattet sind: Fast zwei Drittel der Häuser verfügen über keine Koronarangiografie, ein Drittel besitzt keinen Computertomographen. "Dass viele Patienten in Krankenhäusern behandelt werden, die dafür weder personell noch technisch vernünftig ausgestattet sind, zeigt sich auch an der hohen Zahl der Verlegungen: 2017 wurden insgesamt rund 770.000 Patienten in andere Krankenhäuser verlegt."
Empfehlung stößt auf Kritik bei Patienten- und Ärztevertretern
Über eine eventuelle Verringerung der Zahl der Kliniken in Deutschland wird seit Langem diskutiert. Viele der Krankenhäuser schreiben rote Zahlen, ihre finanzielle Lage ist äußerst prekär. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat erst kürzlich zugesichert, Krankenhäuser in dünn besiedelten Regionen ab nächstem Jahr mit zusätzlich 400.000 Euro pro Klinik zu fördern. Damit will er eine bessere Versorgung in ländlichen Regionen gewährleisten. Bundesweit werden etwa 120 Krankenhäuser gefördert.
Die Bundesärztekammer hat sich kritisch zu der Schließungsempfehlung der Bertelsmann Stiftung geäußert: "Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission 'Gleichwertige Lebensverhältnisse' hat gerade erst die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur herausgestellt und das Bundesgesundheitsministerium die Förderung von 120 kleineren Kliniken bundesweit beschlossen. Da ist es schon mehr als befremdlich, wenn die Bertelsmann-Stiftung jetzt pauschal die Schließung von 800 Krankenhäusern fordert." Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhard stellt allerdings auch klar: "In Ballungsgebieten mit erhöhter Krankenhausdichte kann es durchaus sinnvoll sein, dass Ärzte und Pflegepersonal in größeren Strukturen Patienten behandeln. Dadurch könnten Abläufe vereinfacht und die zunehmende Arbeitsverdichtung gemildert werden."
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, spricht bei der Studie der Bertelsmann Stiftung von einem "Kahlschlag" und erklärt: "Das mag wissenschaftlich begründet sein, wäre für die Menschen aber verheerend. Denn es geht nicht immer nur um komplizierte Operationen mit Maximalversorgung. Vielmehr müssen auch die Patienten gut behandelt werden, die keine Maximaltherapie benötigen und dennoch ins Krankenhaus gehen müssen. Zu dieser Gruppe gehören besonders alte, pflegebedürftige und chronisch kranke Menschen".
Bevölkerung ist gegen Schließung von Kliniken auf dem Land
Eine ebenfalls aktuelle repräsentative Studie im Auftrag der Krankenkasse pronova BKK zeigt: Die Bevölkerung hängt an den Kliniken auf dem Land. Rund die Hälfte der Deutschen lehnt der Studie zufolge eine Schließung von Krankenhäusern auf dem Land kategorisch ab – auch dann, wenn die Häuser klein und kaum rentabel sind (Quelle: Aerzteblatt.de). Sogar in den Großstädten sprechen sich 44 Prozent gegen die Schließungen von kleinen Kliniken aus.
Weiterlesen auf oekotest.de: