- Formaldehyd ist ein chemischer Stoff, der unter anderem in Kosmetik, Pressspanplatten und Bauschäumen eingesetzt wird.
- Das Problem: Der Stoff wird von der EU als "krebserzeugend" eingestuft und kann die Schleimhäute reizen sowie Allergien auslösen.
- Trotzdem stößt ÖKO-TEST immer wieder in Tests auf Formaldehyd.
Viele Menschen kennen aus ihrer Schulzeit noch die in Flüssigkeit eingelegten Kröten, Schlangen und Insekten aus der Biologie-Sammlung. Bei der für den Einlegeprozess verwendeten Flüssigkeit handelte es sich in der Regel um eine Formaldehydlösung. Diese verhindert, dass das Gewebe der eingelegten Tiere verfault und wirkt somit konservierend.
Formaldehyd ist immer mehr in die Kritik geraten. Denn der Stoff wird von der Europäischen Union als krebserregend bewertet. Was bedeutet das für Verbraucher und Verbraucherinnen?
Was ist Formaldehyd?
Formaldehyd ist in seiner Reinform ein Gas mit einem stechenden Geruch. Es entsteht natürlicherweise als Zwischenprodukt im Stoffwechsel der Zellen von Säugetieren und Menschen.
Naturgemäß kommt Formaldehyd auch in Holz und in der Atmosphäre vor. Darüber hinaus findet sich der Stoff in Lebensmitteln, wie Obst, Gemüse, Milchprodukten und Fleisch. Laut dem bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit stecken die höchsten natürlichen Formaldehydgehalte in Shiitakepilzen und Seewasserfischen. Darüber hinaus gelangt der Stoff auch über Zubereitungsprozesse, wie dem Räuchern von Fleisch und Fisch, in bestimmte Lebensmittel.
Und auch in Zigaretten und Alkohol kann Formaldehyd vorkommen.
Wo wird Formaldehyd eingesetzt?
Zusätzlich zu seinem natürlichen Vorkommen wird Formaldehyd auch industriell durch die Oxidation von Methanol gewonnen und für verschiedene Zwecke eingesetzt.
So wird der Stoff unter anderem in der chemischen Industrie genutzt, um daraus andere Stoffgemische herzustellen, wie zum Beispiel Harnstoff-Formaldehyd-Harze, die als Klebstoff, Leim oder zum Imprägnieren genutzt werden können und in der Herstellung von Pressspanplatten zum Einsatz kommen. Eine große Verwendung finden daneben auch sogenannte Phenol-Formaldehyd-Harze, aus denen Kunststoffprodukte, wie Handgriffe für Küchen- und Elektrogeräte hergestellt werden.
Auch für die Produktion von Melamingeschirr, Bauschäumen und Weichmachern werden Stoffgemische eingesetzt, die Formaldehyd enthalten. Außerdem findet der Stoff in der Textilindustrie Verwendung und kann zum Beispiel Kleidungsstücke aus Baumwolle oder Baumwollmischgeweben knitterfrei(er) machen.
Formaldehyd in Kosmetika
Darüber hinaus fand Formaldehyd lange Zeit auch in der Kosmetikindustrie als Konservierungsstoff Verwendung. Seit 2019 ist der Stoff in Kosmetika laut der EU-Kosmetikverordnung allerdings verboten.
Nach wie vor dürfen Kosmetikprodukte aber sogenannte Formaldehydabspalter enthalten. Das sind Substanzen, die über einen längeren Zeitraum Formaldehyd freisetzen können. Auch sie wirken als Konservierungsstoffe.
Hinter den folgenden Begriffen können sich zum Beispiel Formaldehydabspalter verbergen:
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DMDM Hydantoin
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Imidazolidinyl Urea
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Diazolidinyl Urea
- Bronopol
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Quaternium-15
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Sodium Hydroxymethylglycinate
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Methenamine
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2,4-Imidazolidinedione
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Bronidox
Laut der EU-Kosmetikverordnung müssen alle Kosmetikprodukte, die Formaldehyd enthalten und die Formaldehyd abspalten, den Hinweis "enthält Formaldehyd" tragen, sofern die Formaldehydkonzentration im Endprodukt 0,05 Prozent überschreitet.
Im Juli 2022 wurde dieser Höchstwert nach einer Empfehlung des wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit (SCCS) auf 0,001 Prozent gesenkt. Für die Hersteller gibt es aber noch eine Übergangsfrist. Entsprechende Produkte dürfen ohne den neuen Hinweis noch bis Ende Juli 2024 in den Handel gebracht werden und bis Ende Juli 2026 abverkauft werden.
Warum ist Formaldehyd bedenklich?
Doch warum ist der Stoff in Kosmetik überhaupt verboten? Dafür gibt es mehrere Gründe. So gilt Formaldehyd als Kontaktallergen und kann die Haut reizen. In seinem gasförmigen Zustand, beispielsweise als Ausdünstung aus Fußböden, Innenverkleidungen oder Möbeln kann der Stoff zudem Reizungen von Augen, Nase, Rachen und Atemwegen hervorrufen, die mit Symptomen wie allgemeinem Unwohlsein, Tränenfluss, Niesen, Husten und Atemnot einhergehen.
Schwerwiegender ist wohl aber, dass die EU-Kommission Formaldehyd 2014 in einer Neubewertung als krebserzeugend und potenziell erbgutverändernd einstufte. In Tierversuchen hatte sich gezeigt, dass der Stoff beim Einatmen Tumore in den Nasenhöhlen verursachen kann.
Weitere Studien, die die Formaldehydbelastungen am Arbeitsplatz untersuchten, fanden darüber hinaus bei den exponierten Personen mehr Fälle von Krebs in den Nasenhöhen und im Nasenrachenraum, als bei Personen, die nicht mit Formaldehyd in Berührung kommen.
In diesen Produkten kommt Formaldehyd vor
Immer wieder stößt auch ÖKO-TEST in Tests auf Formaldehyd oder Formaldehydabspalter. Hier eine Auswahl:
- Parfüm-Test: In zwei Parfüms im Test, darunter einem Naturkosmetikprodukt, steckt Formaldehyd.
- Gesichtscremes im Test: Auf den Formaldehyd/-abspalter Imidazolidinyl Urea stießen wir in einer von insgesamt 44 Gesichtscremes im Test.
- Haargel, Haarwachs & Co. im Test: In unserem Test von 51 Haarstyling-Produkten fanden wir Formaldehyd/-abspalter in zwei Haargelen und einer Haarpaste.
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Handcreme-Test: In einer Creme im Test steckte Formaldehyd/-abspalter.
- Selbstbräuner-Test: Viele Selbstbräuner im Test enthalten Dihydroxyaceton (DHA). Der Stoff sorgt für Bräune, setzt aber unter Einwirkung von Wärme nach und nach Formaldehyd frei.
- Kindergeschirr im Test: Alle neun Kindergeschirre aus Melamin setzten im Test unter Einwirkung von Hitze Formaldehyd frei.
- Kinderknete-Test: In einem Viertel der Kneten im Test kritisierten wir freies oder abspaltbares Formaldehyd.
- Antischimmelfarbe: Auch im Antischimmelfarben-Test war Formadehyd ein Thema. Wir fanden es in insgesamt vier Farben.
Gibt es Grenzwerte für Formaldehyd?
Die gesundheitsgefährdenden Eigenschaften von Formaldeyhd haben auch den Gesetzgeber auf den Plan gerufen. So ist der Stoff unter anderem Teil der REACH-Verordnung, die die Europäische Union 2006 verabschiedete. Diese Verordnung regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe in der EU.
Formaldehyd ist im Anhang XVII als Substanz aufgeführt, die Beschränkungen in der Verwendung unterliegt. Das bedeutet unter anderem, dass es für den Stoff einen tolerierbaren Höchstwert für die meisten Verbraucherprodukte gibt. Seit 2023 liegt dieser Wert bei 0,062 Milligramm pro Kubikmeter (mg/m³) für Gegenstände und Möbel auf Holzbasis und 0,080 mg/m³ für andere Artikel. Produkte, die Formaldehyd enthalten, dürfen nicht mehr als diese streng geregelte Menge an Formaldehyd ausdüsten.
In Deutschland regelt darüber hinaus der Ausschuss für Innenraumrichtwerte (AIR), wie hoch die Formaldehydkonzentration in der Raumluft sein darf, damit aus ihr keine gesundheitlichen Probleme entstehen. Der Auschuss hat 2016 einen Richtwert von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter als verträglich festgelegt und damit die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation übernommen.
In Kosmetik ist Formaldehyd dagegen seit 2019 verboten. Sogenannte Formaldehydabspalter dürfen jedoch weiterhin zum Einsatz kommen. Die EU-Kosmetikverordnung regelt welche Höchstwerte und Warnhinweise für diese Stoffe in Kosmetika gelten (siehe oben).
Darüber hinaus gibt es auch für Spielzeuge, Textilien und Geschirr aus Melamin eigene Verordnungen, in denen jeweils eigene Höchstwerte für Formaldehyd festgelegt sind.
Die größte Aufnahmequelle von Formaldeyhd dürfte für die meisten Menschen ihre tägliche Nahrung sein. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind die Mengen, die dabei aufgenommen werden, im Vergleich zur körpereigenen Produktion von Formaldehyd aber so gering, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht. Die durchschnittliche tägliche Aufnahmemenge liegt, laut einem wissenschaftlichen Report der EFSA aus dem Jahr 2014, bei knapp 100 Milligramm pro Tag.
Was meint ÖKO-TEST
ÖKO-TEST kritisiert Formaldehyd und Formaldehydabspalter in Alltagsgegenständen und Kosmetik bereits seit Jahren. Dr. Jürgen Steinert, stellvertretender Chefredakteur bei ÖKO-TEST, erkärt: "Zum Schutze von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist es gut, dass in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen – unter anderem die Senkung des Richtwertes in Raumluft, neue Höchstwerte in Kosmetika etc. – eingeleitet wurden, um die Belastung mit Formaldehyd zu verringern."
Formaldehyd vermeiden: Ist das möglich?
Mit Formaldehyd kommen wir im täglichen Leben ziemlich häufig in Berührung. Doch es gibt Möglichkeiten, den Kontakt mit dem Stoff zu verringern.
- Auf das Siegel Blauer Engel achten: Mit dem Siegel RAL-UZ 38 werden zum Beispiel emissionsarme Möbel und Lattenroste aus Holz und Holzwerkstoffen ausgezeichnet. Das Siegel RAL-UZ 176 zeichnet außerdem emissionsarme Bodenbeläge, Paneele und Türen aus Holz und Holzwerkstoffen für Innenräume aus.
- Auch Möbel, die mit der Emissionsklasse E1 ausgezeichnet werden, gelten als emissionsarm. Das bedeutet, dass sie verhältnismäßig wenig Stoffe ausdünsten.
- Regelmäßig lüften: Mögliche Raumluftbelastungen durch Formaldehyd können durch einen regelmäßigen Luftaustausch verringert werden.
- Die Inhaltsstoffliste lesen: Formaldehydabspalter in Kosmetik sind in der Regel auf der Verpackung deklariert. Hinter welchen Begriffen sie sich verbergen können, haben wir weiter oben aufgelistet.
- Auf Warnhinweise achten: Kosmetika, die Formaldehydabspalter enthalten, müssen einen Warnhinweis tragen, sobald ihre Konzentration einen bestimmten Wert übersteigt.
- Auf Zigaretten verzichten: Beim Rauchen bildet sich Formaldehyd. Also besser Schluss machen mit dem Glimmstängel.
- Auf die richtige Zubereitung setzen: Gebrühte, gekochte oder gebackene Lebensmittel enthalten niedrigere Formaldehydgehalte, da Formaldehyd beim Erhitzen entweicht.
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