- Ein Hörsturz trifft meist Menschen über 50, doch auch Jüngere können einen Hörsturz erleiden.
- Holen Sie sich zügig ärztlichen Rat. Nur ein Arzt kann die Ursache für den Hörsturz feststellen.
- Ein dauerhafter Tinnitus kann die Folge sein, ist aber therapierbar.
Ein Hörsturz ereilt jedes Jahr 150.000 Menschen, die meisten sind zwischen 50 und 60 Jahre alt. Doch auch jüngere Leute kann es treffen, Frauen wie Männer. 85 Prozent hören gleichzeitig Ohrgeräusche, 30 Prozent leiden unter Schwindel. Warum sie plötzlich auf einem Ohr das Gehör verlieren, ist bis heute unklar. Sicher ist: Der Hörsturz passiert im Innenohr. Normalerweise wandeln dort die Haarsinneszellen Schallwellen in Nervensignale um. Bei einem Hörsturz funktioniert diese Signalumwandlung in bestimmten Frequenzen schlagartig nicht mehr. Man vermutet, dass Durchblutungsstörungen des Innenohrs, Virusinfektionen oder Autoimmunerkrankungen den Hörsturz auslösen.
Was ist bei einem Hörsturz zu tun?
Die Empfehlung lautet: Gehen Sie so schnell wie möglich zum Arzt. Er klärt als Erstes, was den Hörverlust ausgelöst hat. Auch Mittelohrentzündungen, Knalltrauma oder Tumore können zu Hörverlust führen.
Behandlung eines Hörsturzes
Bis vor wenigen Jahren verordneten die meisten Hals-Nasen-Ohren-Ärzte nach einem Hörsturz Infusionen. Die Wirksamkeit der zeitaufwendigen Infusionen ist aber schon länger umstritten. Bisher kann keine solide Studie belegen, dass die blutverdünnenden oder entzündungshemmenden Infusionen besser wirken als eine wirkstofflose Lösung. Tatsächlich beobachteten die Forscher, dass sich das Gehör bei vielen Probanden von alleine erholte.
Die ernüchternden Studienergebnisse haben vor einigen Jahren dazu geführt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten und Krankenkassen die Wirkstoffe in den Infusionen von der Liste der verordnungsfähigen Arzneimittel gestrichen hat. Im Klartext: Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen sie nicht mehr. Abwarten und auf Heilung hoffen, mehr kann ein Arzt seinen Patienten demnach nicht mehr empfehlen.
Prof. Friedrich Bootz, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde der Universität Bonn hat an der Hörsturz-Leitlinie seiner Fachgesellschaft mitgearbeitet, die im Jahr 2010 überarbeitet wurde. Sie empfiehlt, bei Patienten mit geringfügigen Hörverlusten eher einige Tage abzuwarten.
Bei starkem Hörverlust und zusätzlichem Schwindel halten die Fachleute einen Behandlungsversuch mit blutverdünnenden oder entzündungshemmenden Wirkstoffen für gerechtfertigt. Die müssen Kassenpatienten nun als sogenannte IgeL-Leistung selbst zahlen, die privaten Versicherungen zahlen noch.
Folgen eines Hörsturzes: Der Ton im Ohr bleibt
Ein leichter Hörsturz heilt häufig wieder aus, und zwar ohne Therapie. Bei drei von zehn Leuten mit Hörsturz bleibt ein dauerhaftes Ohrgeräusch zurück, der Tinnitus. Da fiept, klingelt, rauscht oder brummt es - nur eins ist es nicht mehr: still. Der Dauerton im Ohr ist vermutlich die Folge einer Innenohrschädigung - sei es durch Hörsturz, sei es durch schleichenden Verlust von Haarsinneszellen infolge von Dauerlärm, sei es als Nebenwirkung von Medikamenten.
Sicher ist, ein Tinnitus geht fast immer mit einem Hörverlust einher und er existiert nur im Kopf.
Hält das Fiepen länger als drei Monate an, sprechen die Mediziner von einem chronischen Tinnitus und gehen von einer Fehlverarbeitung im Gehirn aus. Zu den genauen Ursachen haben Mediziner bisher nur Hypothesen. Eine lautet, dass das Gehirn die Frequenzen ausgleichen will, die es vorher eingebüßt hat. Denn 90 Prozent der Tinnituspatienten hören genau die Frequenz, die ihr Innenohr nicht mehr liefern kann.
Häufig wird der Tinnitus auch mit Stress oder Verspannungen an der Hals- und Kiefermuskulatur in Verbindung gebracht. Bootz hält derartige Vermutungen für nutzlos. In seinen Anfangsjahren habe man noch vielerlei versucht: Infusionen, Behandlungen der Wirbelsäule, des Kiefergelenks. Geholfen habe die Behandlung nie.
Dennoch: Wer Ohrgeräusche hört, sollte zum Arzt gehen und organische Ursachen klären lassen.
Tinnitus: Mit dem Ton leben
Hat sich das Fiepen oder Rauschen im Ohr verselbstständigt, dann hilft kein Medikament. Es bleibt nur noch eins: mit dem Ton leben lernen. Denn er belastet die Betroffenen umso stärker, je mehr Aufmerksamkeit er dem Dauerton schenkt. Wer das Geräusch als eher unwichtig abtut und nicht ständig darauf achtet, kann den Tinnitus zumindest aus dem Bereich der bewussten Wahrnehmung verbannen. So geht es uns im Alltag mit vielen Dingen, die wir ständig hören: Wer nahe an einer Bahnstrecke wohnt, nimmt die Züge mit der Zeit nicht mehr wahr. Im Vergleich zum Zug ist der Tinnitus sehr leise: 10 bis 15 Dezibel, so wie das Ticken einer Uhr.
Therapien bei chronischem Tinnitus
So setzen moderne Therapien bei chronischem Tinnitus denn auch an der Psyche und nicht am Ohr an. Ziel ist, das Reizsignal aus dem Bewusstsein zu verbannen. Das geht aber nicht von heute auf morgen und erfordert vom Patienten eine aktive Mitarbeit: Sie lernen den Teufelskreis zwischen übermäßiger Aufmerksamkeit auf den Tinnitus und psychischen Reaktionen wie Konzentrations- und Schlafstörungen bis hin zur Depression zu durchbrechen.
Das fängt damit an, die Ursachen und Auswirkungen des Tinnitus zu verstehen und ihn nicht länger als Bedrohung zu erleben. Die Hörtherapie sensibilisiert für die Geräuschvielfalt im Alltag, schult das Richtungshören und die Fokussierung auf Gespräche. Entspannungsverfahren helfen, den Stress zu lindern, den der Tinnitus auslöst. Dazu trägt auch Verhaltenstherapie bei. Als wirksam hat sich zudem die Musiktherapie erwiesen, bei der die Tinnituspatienten auch Musik machen.
Bei Menschen, die schwerhörig sind, hilft meistens schon ein Hörgerät. Wird ein Vogelgezwitscher oder ein Gespräch wieder wahrgenommen, dann verliert der Tinnitus für die Betroffenen seine Bedeutung.
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