Sie weisen Schmutz und Wasser ab: Die sogenannten PFAS-Chemikalien werden in Produkten wie beschichteten Pfannen und Jacken genutzt oder sind Teil von Industrieprozessen und technischen Anwendungen. Für Gesundheit und Umwelt können sie jedoch schädlich sein.
Es ist ein bislang einmaliger Vorstoß: In der EU soll eine Chemikaliengruppe mit geschätzt mehr als 10.000 einzelnen Substanzen weitgehend verboten werden. Das grundlegende Verbot sei notwendig für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, wo sich die extrem langlebigen Chemikalien immer weiter anreichern, sagen die Initiatoren. Die Industrie hält den Schritt hingegen für unverhältnismäßig.
Am Mittwoch haben nun die öffentlichen, sechsmonatigen Konsultationen zu einem möglichen PFAS-Verbot begonnen. "Die Konsultation soll jedem, der über Informationen über PFAS verfügt, die Gelegenheit geben, sich zu äußern", teilte die EU-Chemikalienagentur ECHA in Helsinki mit. Nach Ablauf der Frist am 25. September 2023 will die Agentur ein mögliches Verbot aufgrund der vorliegenden Informationen beurteilen und sich eine Meinung darüber bilden. Die Entscheidung trifft die Europäische Kommission schließlich gemeinsam mit den EU-Mitgliedsstaaten.
PFAS können Jahrhunderte überdauern
Bei dem geplanten Verbot geht es um die Stoffgruppe der sogenannten per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Diese Chemikalien kommen nicht natürlich in der Umwelt vor. PFAS werden auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet. "Je nach Stoff überdauern sie mehrere Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Umwelt", sagte Wiebke Drost, PFAS-Expertin beim Umweltbundesamt (UBA), kürzlich der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das UBA ist an dem Vorstoß beteiligt.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gab im Februar 2023 bekannt, der Umweltbelastung durch diese besonders problematischen Chemikalien einen Riegel vorschieben zu wollen. Die Behörden schätzen, dass in den nächsten 30 Jahren rund 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen, wenn nichts dagegen unternommen wird.
Bekannte Gefahren von PFAS
Bei einer Untersuchung des Umweltbundesamts im vergangenen Jahr wurden PFAS in zu hohen Mengen im Blut von Kindern und Jugendlichen gefunden. Bei bis zu einem Viertel der Jugendlichen sei die Konzentration im Körper so hoch gewesen, dass "gesundheitliche Wirkungen nicht mehr mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können", hieß es.
Einige PFAS sind bereits weitgehend verboten, weil sie als gefährlich gelten. "Von den relativ wenigen gut untersuchten PFAS gelten die meisten als mittel- bis hochtoxisch, vor allem für die Entwicklung von Kindern", schreibt die Europäische Umweltagentur (EEA).
Besonders bekannt sind Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS): Studien ließen darauf schließen, dass PFOS und PFOA unter anderem eine verringerte Antikörperantwort auf Impfungen bewirken können, schreibt das UBA auf seiner Webseite. Zudem gebe es "eindeutige Hinweise" auf einen Zusammenhang zu erhöhten Serumspiegeln von Cholesterin. Laut EEA werden PFOA und PFOS auch mit Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs in Verbindung gebracht.
ÖKO-TEST hat in der Vergangenheit unter anderem Imprägniersprays und Backpapiere auf PFOS und PFOA untersuchen lassen. Hier erfahren Sie mehr:
Mögliche Risiken von PFAS
Von den allermeisten anderen PFAS weiß man allerdings nicht, wie sie auf Mensch und Umwelt wirken. Viele Fachleute gehen aber davon aus, dass zumindest ein Teil negative Eigenschaften aufweist.
"Es gibt Hinweise, dass auch andere PFAS gefährlich sind", so UBA-Expertin Drost. Sie sieht den Bedarf, schnell zu handeln. "Wenn wir darauf warten, bis die Toxizität für jeden einzelnen Stoff nachgewiesen ist, kann es zu spät sein." Schließlich reicherten sich die PFAS in der Umwelt an und seien dort nicht oder kaum mehr herauszubekommen.
So gelangen PFAS in die Umwelt
PFAS gelangen laut UBA beispielsweise durch die Abluft von Industriebetrieben in Böden und Gewässer. Da die Substanzen auch in Alltagsprodukten enthalten sind, treten sie laut UBA auch in der Raumluft auf. Im vergangenen Jahr ergab eine Studie, dass PFAS selbst in den entlegensten Weltregionen im Regenwasser nachweisbar sind.
"Mit der Aufnahme von PFAS aus verunreinigten Böden und Wasser in Pflanzen und der Anreicherung in Fischen werden diese Stoffe auch in die menschliche Nahrungskette aufgenommen", schreibt das UBA.
Mehrere EU-Länder wollen PFAS verbieten
Ein Problem bislang: Wird eine einzelne Substanz verboten, kann die Industrie sie durch einen ähnlichen, noch nicht regulierten Stoff ersetzen. Dieser kann aber genauso gefährlich oder gar gefährlicher sein als die ursprüngliche Substanz.
Deshalb haben Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden vorgeschlagen, die Herstellung, Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS fast komplett zu verbieten. Der Vorschlag sieht je nach Anwendung verschiedene Übergangsfristen von bis zu 13,5 Jahren vor. Für einige wenige Bereiche gäbe es unbegrenzte Ausnahmen.
Kritik am geplanten PFAS-Verbot
Die Industrie sieht den Vorstoß sehr kritisch. "Ein umfassendes Verbot der PFAS hätte erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Industrie und deren Innovationsfähigkeit", sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, der dpa.
Viele Branchen hätten in den vergangenen Jahren PFAS durch andere Substanzen ersetzt. Das sei aber nicht in allen Bereichen möglich. Insbesondere in Industrieanlagen und bei Technologien wie der Herstellung von Brennstoffzellen, Halbleitern oder Lithium-Ionen-Batterien sei man auch in Zukunft auf PFAS angewiesen. Ein komplettes PFAS-Verbot ginge aus Löschs Sicht zu weit: "Weil dann auch viele Anwendungen untersagt wären, von denen gar keine Gefahr ausgeht und die in der Industrie dringend benötigt werden."
Warum werden PFAS eingesetzt
Aufgrund ihrer einzigartigen Merkmale werden PFAS heute in einer Vielzahl vor allem industrieller Produkte verwendet, wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in einem Positionspapier aus dem Jahr 2021 schreibt:
- Die Stoffe seien chemisch stabil, auch große Hitze mache ihnen nichts aus.
- Zudem haben sie eine sehr niedrige Oberflächenspannung und sind dadurch sowohl öl- als auch wasserabweisend.
- Ferner gelten sie als sehr belastbar.
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