Expertin: Phthalat in vielen Urinproben vielleicht von Sonnencremes

Autor: dpa / Redaktion (lw;cord) | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 08.02.2024

Expertin: Phthalat in vielen Urinproben vielleicht von Sonnencremes
Foto: Shutterstock / Gorodenkoff

Behörden in Deutschland weisen eine gefährliche Substanz in teils jahrealten Urinproben in ungewöhnlich hoher Menge nach. Der Stoff ist seit langem großteils verboten. Nun gibt es erste Vermutungen, was die Quelle sein könnte.

Das Umweltbundesamt (UBA) hat im Urin zahlreicher Menschen in Deutschland Hinweise auf einen gefährlichen Weichmacher entdeckt, der seit Jahren streng reglementiert und großteils verboten ist. In der noch laufenden 6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit sei bislang in 37 Prozent der Proben der Metabolit MnHexP entdeckt worden, sagte UBA-Toxikologin Marika Kolossa.

Er ist nach UBA-Angaben ein Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP). Der fortpflanzungsschädigende Metabolit sei erstmals 2023 in Proben entdeckt worden.

"So einen Stoff dürfte man nicht im Körper finden und wir finden ihn", sagte Kolossa. Kürzlich waren Ergebnisse einer Untersuchung zu Proben in Nordrhein-Westfalen bekannt geworden.

Sonnschutzmittel als Quelle in Verdacht

Nun gibt es erste Vermutungen, was die Quelle für den Stoff sein könnte: Der in Urinproben entdeckte Schadstoff könnte nach Angaben aus dem Umweltbundesamt möglicherweise aus Sonnenschutzmitteln stammen.

"In unseren ersten, sondierenden Analysen sehen wir einen Zusammenhang zwischen der Belastung mit MnHexP und Kosmetika, darunter insbesondere Sonnenschutzmitteln", sagte Kolossa vom Umweltbundesamt am Donnerstag. Auch viele Cremes, darunter Nachtcremes, enthalten laut Kolossa Sonnenschutzmittel.

"Man sollte nun aber auf gar keinen Fall auf Sonnenschutzmittel verzichten", warnte sie zugleich. Die Krebsgefahr durch Sonnenstrahlen sei zu hoch. "Unsere Erkenntnisse reichen zu diesem Zeitpunkt nicht für eine Maßnahmenempfehlung", sagte sie. Zuvor hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"darüber berichtet.

Die Suche nach der Herkunft des Schadstoffs sei eine Detektivarbeit, sagte Kolossa. "Wir haben den Fragebogen in der noch laufenden 6. Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit so aufgesetzt, dass wir aufgrund von Hypothesen Fragen stellen." Aufgrund von Erkenntnissen zu anderen Phthalaten sei unter anderem gefragt worden: "Wie häufig benutzen Sie Sonnenschutzmittel?"

Das UBA arbeite eng mit EU-Behörden zusammen, um das Ausmaß des Problems in Europa zu erfassen und Maßnahmen zu ergreifen.  

Fortplanzungsschädigend und Risiko für viele Krankheiten

MnHexP sei nach Ergebnissen von Tierversuchen ein fortpflanzungsschädigender Stoff, sagte Kolossa kürzlich. Er wirke vor allem auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib. Er könne aber auch für Erwachsene schädlich sein und das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen, was aus weiteren Tierversuchen hervorgehe. In einzelnen Menschen seien Konzentrationen entdeckt worden, "die so hoch sind, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht auszuschließen ist."

Die Gesundheitsschädlichkeit sei zudem additiv mit anderen Phthalaten, das heißt die Wirkungen einzelner Phthalate addieren sich zu einer Gesamtwirkung, betonte Kolossa. 

Der Stoff DnHexP darf laut UBA in der EU seit 2023 ohne Zulassung grundsätzlich nicht mehr verwendet werden. Zulassungsanträge seien nicht gestellt worden. Nicht auszuschließen sei, dass er in Altlasten oder DnHexP-haltigen Importerzeugnissen stecke. Schon seit vielen Jahren ist DnHexP in der EU stark beschränkt beziehungsweise verboten.

Über die Untersuchung in NRW

In Nordrhein-Westfalen hatten Experten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) rückwirkend alte Urinproben von Kindergartenkindern untersucht. Ergebnis: Im Untersuchungszeitraum habe sich der Anteil der mit MnHeP belasteten Proben von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent (2020/21) erhöht, heißt es einer Mitteilung des LANUV vom 31. Januar. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa verzehnfacht.

Weiterlesen auf oekotest.de: