- Hinter dem Begriff PFAS verbirgt sich eine Gruppe von mehreren tausend Stoffen, die alle industriell hergestellt werden.
- Sie kommen in vielen verschiedenen Dingen des Alltags vor - von Essensverpackungen über Teppiche bis zu Outdoor-Bekleidung.
- Das Problem: Inzwischen sind auch Menschen und Umwelt mit PFAS belastet. Und: Die auch als Ewigkeitschemikalien bekannten Verbindungen bauen sich kaum wieder ab.
PFAS kommen in unzähligen Alltagsprodukten vor – beispielsweise in wasserdichter Kleidung, beschichteten Pfannen, Lebensmittelverpackungen, Wachsen, Poliermitteln, Imprägnierungen, Farben, bedrucktem Papier, Klebeetiketten, Teppichen, Kosmetik, Bodenbelägen, Kabeln, Arzneimitteln und vielen mehr. Außerdem in Schutzausrüstung für verschiedene Berufsgruppen, in Feuerlöschschäumen, Schmierstoffen, Pestiziden, Hydraulikflüssigkeiten, Kälte- und Treibmitteln oder medizinischen Anwendungen.
Was sind PFAS?
Das Kürzel PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Sie bilden eine große Familie von mehreren tausend industriell hergestellten Stoffen, die wasser-, schmutz-, fett- oder ölabweisend sind. Diese äußerst praktischen, komfortablen Eigenschaften haben dazu geführt, dass unser modernes Leben ohne PFAS mittlerweile kaum vorstellbar ist. Darüber hinaus sind sie extrem langlebig und nahezu unzerstörbar: Nicht umsonst nennt man PFAS auch Ewigkeitschemikalien.
Warum sind PFAS so problematisch?
Mit PFAS seien "alle für Umwelt und Menschen schlechten Eigenschaften versammelt in einer Stoffgruppe", fasst es Prof. Thorsten Reemtsma vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) zusammen – "Beschränkungen für PFAS sind dringend geboten".
Da ist zum einen ihr – wissenschaftlich "Persistenz" genannter – Ewigkeitscharakter: Durch die ihnen zugrunde liegende Kohlenstoff-Fluor-Bindung gehören PFAS zu den stabilsten bekannten Chemikalien überhaupt. Einmal in die Umwelt gelangt, bauen sie sich kaum ab – bleiben also buchstäblich ewig dort, zumindest aber über einen sehr langen Zeitraum.
PFAS sind zudem bioakkumulierend, das heißt, sie reichern sich an – in Böden, in Gewässern, in Tieren und Pflanzen und damit in Nahrungsketten und auch in uns Menschen. Außerdem sind sie sehr mobil und verteilen sich global über die Atmosphäre und das Wasser. Mit der Folge, dass PFAS selbst in entlegensten Regionen der Erde und in der Tiefsee nachweisbar sind. Darüber hinaus werden PFAS in Verbindung mit verschiedenen negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gebracht, etwa auf das Immun- und das Hormonsystem.
Gesundheitliche Auswirkungen von PFAS
Laut der Datenbank pfastoxdatabase.org werden PFAS in Zusammenhang mit einem verringerten Geburtsgewicht, Fettleibigkeit, Diabetes, hohen Cholesterinwerten, einer verminderten Reaktion auf Impfstoffe oder Schilddrüsenerkrankungen diskutiert. Es gibt Hinweise auf Leberschäden und ein erhöhtes Risiko für Nieren-, Hoden-, aber auch Brustkrebs sowie auf chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa.
Ebenso auf Entwicklungsverzögerungen und Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit – so sind die beiden PFAS-Verbindungen Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS), deren Einsatz mittlerweile verboten ist, als reproduktionstoxisch eingestuft. Schätzungen zufolge belasten PFAS die europäischen Gesundheitssysteme jährlich mit 52 bis 84 Milliarden Euro.
Wie hoch ist die Belastung der Bevölkerung mit PFAS?
Die tatsächlichen Dimensionen sind bislang unbekannt. Allerdings gibt es – bezogen auf einzelne Bevölkerungsgruppen – Hinweise auf allgemein hohe Belastungen mit PFAS. Etwa durch die GerES V-Studie, mit der das Umweltbundesamt (UBA) untersuchte, inwieweit die junge Generation von Umweltschadstoffen betroffen ist.
Sie zeigte, dass Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 17 Jahren zu viele langlebige PFAS im Blut haben. Dabei lagen einzelne PFAS-Verbindungen in gut einem Fünftel der Proben über jenem Wert, der nach aktuellem Wissen als gesundheitlich unbedenklich gilt.
Dass Menschen nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit teilweise bedenklich hoch mit Schadstoffen belastet sind, bestätigt die von der UBA-Toxikologin Dr. Marike Kolossa-Gehring koordinierte europäische Human-Biomonitoring-Initiative HBM4EU. Diese lieferte erstmals vergleichbar und nachvollziehbar Daten über die Belastungen der EU-Bevölkerung mit wichtigen Chemikalien.
Bereits Neugeborene kommen mit PFAS in Kontakt
Neben Weichmachern unter anderen auch mit PFAS: Die wurden im Blut aller untersuchten Jugendlichen nachgewiesen – mit der höchsten Rate in Frankreich. Aufgrund der Eigenschaften von PFAS müsse man davon ausgehen, so Toxikologin Kolossa-Gehring, "dass es keinen Menschen gibt, der nicht damit belastet ist".
Auch Neugeborene und Säuglinge kommen extrem früh mit PFAS in Kontakt, da sie die Substanzen über die Plazenta, die Nabelschnur, Muttermilch oder auch Muttermilchersatz aufnehmen.
Wie gelangen PFAS in unsere Körper?
Hauptsächlich nehmen wir PFAS über Lebensmittel, Trinkwasser und die Luft auf, wobei "die Nahrung für die meisten Menschen die wesentliche Quelle zu sein scheint", so das Umweltbundesamt in seiner Publikation PFAS – Gekommen, um zu bleiben. Darunter vor allem Fisch, Innereien, Fleisch, Eier und Früchte -ein Beleg dafür, dass PFAS sich in Böden, Pflanzen und Nahrungsketten anreichern.
Doch auch durch beschichtete Lebensmittelverpackungen wie Coffee-to-go-Becher gelangen die Ewigkeitschemikalien in unsere Körper. Einige PFAS-Verbindungen sind flüchtig – wir nehmen sie daher über die Außen- oder Raumluft auf, beispielsweise, wenn schmutzabweisend ausgerüstete Teppiche ausgasen oder über Imprägniersprays.
Andere Aufnahmequellen sind Hausstaub oder der Kontakt mit PFAS-haltigen Produkten. Bislang zu wenig beachtet werde, dass PFAS auch über die Haut aufgenommen werden können, so der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND.
Einige Kosmetika sind potenzielle PFAS-Quelle
Studien hätten gezeigt, dass dieser Weg erheblich zu unserer Chemikalienbelastung beiträgt – etwa über bromierte Flammschutzmittel oder Kosmetik. Der BUND hatte im September 2022 stichpunktartig die Deklarationen auf Verpackungen von Kosmetik- und Körperpflegeprodukten mehrerer Drogerieketten überprüft – und war mehrfach auf PFAS als Inhaltsstoffe in Cremes, Gesichtsmasken, Shampoos und Make-up gestoßen. Oft sind PFAS auch in Sonnenschutz- oder Haarpflegemitteln enthalten, um sie wasserabweisend zu machen.
Wie lassen sich PFAS-haltige Produkte erkennen?
Das ist in der Regel schwierig, da es keine Kennzeichnungspflicht für PFAS gibt. Doch bei einigen Produktinformationen sollten Verbraucherinnen und Konsumenten hellhörig werden. Denn sie können ein Indiz für den Einsatz von PFAS sein. Dazu gehören Auslobungen wie "wasserabweisend" oder "wasserdicht" bei Textilien und Schuhen, "fleckgeschützt" oder "schmutzabweisend" bei Heimtextilien wie Teppichen oder Polstern.
Pfannen oder Backformen mit Antihaft-Beschichtung enthalten häufig PFAS. Sehr wahrscheinlich sogar, wenn Hersteller dazu raten, die Gegenstände nicht über 200 Grad Celsius oder leer zu erhitzen und sie vor Kratzern zu schützen.
Skepsis ist geboten bei Werbeaussagen wie "PFOA/PFOS-frei" oder "GenX-frei", denn die beziehen sich lediglich auf zwei einzelne – mittlerweile verbotene – Verbindungen aus der riesigen Gruppe der PFAS. Sehr wahrscheinlich stecken in derart gekennzeichneten Produkten andere PFAS-Verbindungen. Ein wirklich PFAS-freies Produkt können Konsumenten dagegen erwarten, so die Verbraucherzentralen, wenn es als "Frei von PFAS", "frei von PFC" oder "fluorfrei" ausgelobt ist.
Wie können wir uns vor einer PFAS-Belastung schützen?
Da PFAS in so vielen Produkten verwendet werden und praktisch überall in der Umwelt vorkommen, ist es so gut wie unmöglich, den Kontakt damit komplett zu vermeiden. Eine Möglichkeit wäre, auf PFAS-freie Textilien und Schuhe zu achten – Zertifizierungen wie GOTS oder der Blaue Engel schließen den Einsatz von PFAS aus, ebenso wie einige Hersteller von Outdoorbekleidung.
Auch bei Imprägniersprays gibt es Mittel ohne schädliche Fluorchemikalien; wasserabweisend wirken etwa natürliche Fette und Wachse. Teppichen verleiht Wolle eine natürliche schmutzabweisende Wirkung. Anstelle beschichteter Pfannen kann man Modelle aus Eisen oder mit Keramikschicht nutzen; ebenso Gläser und Mehrweggeschirr statt Coffee-to-go-Becher oder Fast-Food-Verpackungen. Vor allem solche beschichteten Einwegtrays sind eine leicht vermeidbare PFAS-Quelle – und der Verzicht darauf ohnehin ein Gewinn für die Umwelt.
Wie gelangen PFAS in die Umwelt?
Das geschieht auf verschiedenen Wegen. Etwa über Industriebetriebe, die PFAS über ihre Abluft in Böden und Gewässer einlagern. Aber auch über Partikel, an die sich PFAS anhaften und über weite Strecken transportiert werden. Über Niederschläge gelangen sie aus der Luft wiederum in Böden und Gewässer.
Ein weiterer möglicher Eintragsweg von PFAS sind Klärschlämme, die beispielsweise als Dünger auf Äcker ausgebracht werden und von dort aus allmählich ins Grundwasser sickern. Direkt in die Umwelt gelangen PFAS auch bei der Brandbekämpfung durch den Einsatz von Löschschäumen.
Vermutlich gibt es kaum noch Orte, die frei von PFAS sind. Da sie sich global in der Atmosphäre verteilen, regneten PFAS heute praktisch vom Himmel, so Thorsten Reemtsma vom Leipziger UFZ, "auch in Regionen mit vermeintlich reiner Luft". Forschende des Stockholmer Resilience Center warnen etwa davor, dass von Menschen hergestellte künstliche Stoffe, die wie PFAS für lange Zeit in der Umwelt bleiben, die planetaren Grenzen wohl schon überschritten haben.
Wo ist Deutschland am stärksten mit PFAS belastet?
Nach Recherchen des Forever Pollution Project sind deutschlandweit deutlich mehr Orte mit PFAS belastet als bisher angenommen. Die Journalistinnen führen darin mehr als 1.500 kontaminierte Standorte auf, darunter mehr als 300 Hotspots.
Als Hotspots gelten Orte in der Nähe von chemischen Fabriken, die PFAS produzieren oder verwenden, auch das Umfeld von Kläranlagen, Deponien, Flughäfen oder militärisch genutztem Gelände oder Flächen, auf denen Großbrände gelöscht wurden. Wie im April 1996 beispielsweise am Flughafen Düsseldorf, wo Löschschäume Böden und Grundwasser verunreinigten.
Befinden sich PFAS bereits im Trinkwasser?
Da PFAS sehr mobil sind, gelangen sie von ihren Ausgangsorten problemlos auch ins Trinkwasser. "Trinkwasser kann grundsätzlich eine Quelle für PFAS sein", erläutert UBA-Toxikologin Dr. Marike Kolossa-Gehring, "vor allem in besonders belasteten Regionen."
Abseits solcher Hotspots hätten Messungen jedoch kaum belastende PFAS-Konzentrationen festgestellt. Nach Schätzungen niederländischer Behörden sind 2 bis 17 Prozent der PFAS-Belastungen der europäischen Bevölkerung auf Trinkwasser zurückzuführen, auf Nahrung hingegen 83 bis 98 Prozent.
Verbindliche Grenzwerte für Trinkwasser
Die Trinkwasserverordnung sieht seit Anfang 2023 – mit einer Übergangsfrist bis 2026 – verbindliche Grenzwerte für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen vor: 0,1 Mikrogramm pro Liter (µg/L) für die Summe von 20 ausgewählten Einzelverbindungen sowie 0,5 µg/L für die Gesamtmenge an PFAS. Allerdings gebe es bislang noch kein geeignetes Verfahren, um alle PFAS zu erfassen, gibt das auf Umweltanalytik spezialisierte Labornetzwerk Eurofins Deutschland zu bedenken.
Wie sind PFAS bislang reguliert?
Beschränkungen gibt es bislang nur für einzelne PFAS. So ist der Einsatz von Perfluoroktansäure (PFOA) EU-weit verboten; ebenso die Nutzung von Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) – mit wenigen Ausnahmen. PFOS und PFOA – und seit Juni 2022 auch Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) – sind zudem in die Verbotsliste der Stockholm-Konvention für persistente organische Schadstoffe (POP) aufgenommen. Deren Herstellung und Verwendung ist weltweit verboten oder stark eingeschränkt.
Zu den Chemikalien, die bereits früher als POP identifiziert wurden, gehören Pestizide wie DDT, Dioxine und Furane sowie polychlorierte Biphenyle (PCB). Darüber hinaus gelten verschiedene Werte für PFAS-Konzentrationen in Oberflächengewässern, Grundwasser, Trinkwasser, Böden oder Klärschlamm.
Um die körperliche Schadstoffbelastung bei Menschen zu beurteilen, hat die HBM-Kommission (Human-Biomonitoring) des Umweltbundesamtes Beurteilungswerte für PFOA- und PFOS-Konzentrationen im Blut festgelegt. Werden diese überschritten, seien "relevante gesundheitliche Beeinträchtigungen prinzipiell möglich".
Da PFAS so vielfältig sind und Beschränkungen einzelner Verbindungen dazu führen, dass Hersteller auf andere PFAS ausweichen, die weniger untersucht sind, haben Deutschland und vier weitere EU-Länder jetzt einen Antrag auf Verbot der gesamten Stoffgruppe vorgelegt
Kommt ein generelles PFAS-Verbot?
Der von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA vorgestellte Vorschlag sieht vor, den Einsatz und die Herstellung sämtlicher Verbindungen der Ewigkeitschemikalien PFAS zu verbieten – mit Übergangsfristen zwischen 18 Monaten und 12 Jahren, je nachdem, wie verfügbar und verwendbar PFAS-Alternativen sind.
Das Besondere an dem Vorschlag ist, dass mit PFAS erstmals eine komplette und sehr große Substanzklasse statt einzelner Verbindungen verboten werden soll. Stimmt die EU-Kommission dem Vorschlag zu, müssten Alternativen für rund 10.000 Anwendungen gefunden werden, bei denen PFAS zum Einsatz kommen.
Zurzeit bewerten zwei Ausschüsse der ECHA den Vorschlag aus toxikologischer und sozioökonomischer Sicht und diskutieren mögliche Änderungen mit den beteiligten Behörden und anderen Interessensvertretern. Dieser Prozess wird mindestens bis September 2024 dauern, sehr wahrscheinlich länger, da noch nicht einmal klar ist, wie viele Sektoren (z.B. Polstermöbel, Leder, Bekleidung, Teppiche, Verpackungen usw.) überhaupt bewertet werden müssen.
Anschließend geht ein überarbeiteter Verbots-Vorschlag von der ECHA an die EU-Kommission, die einen entsprechenden Gesetzgebungsprozess initiieren kann. Vor 2025, eher 2026, ist mit keinem Ergebnis zu rechnen.
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