Pestizide sind seit Jahren weit verbreitet. Viele Menschen machen sich Sorgen um ihre Gesundheit und um die Auswirkungen auf die Umwelt. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff "Pestizide", wie massiv werden sie tatsächlich eingesetzt und welche Gefahr geht von ihnen aus?
Pestizide werden insbesondere in der Landwirtschaft angewendet, um eine maximale Ernte einzufahren und Schäden durch unerwünschte Organismen zu verhindern.
Somit bezieht sich der Begriff Pestizide umgangssprachlich meist auf chemisch-synthetische Wirkstoffe, die dem Pflanzen"schutz" dienen sollen. Der lateinische Wortstamm deutet bereits auf eine gefährliche Wirkung hin: Er setzt sich aus den Wörtern "Pestis" (Seuche) und "caedere" (töten) zusammen.
Diese Pestizidarten gibt es
Je nach Wirkung werden Pestizide in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Diese drei Pestizidarten zählen dabei zu den bekanntesten:
- Herbizide gegen Beikräuter
- Insektizide gegen Insekten
- Fungizide gegen Pilze und Sporen
Daneben gibt es aber auch weniger bekannte Pestizidgruppen, wie zum Beispiel folgende:
- Akarizide gegen Spinnen und Milben
- Bakterizide gegen bakterielle Schaderreger
- Rodentizide gegen Nager
- Molluskizide gegen Schnecken
- Wachstumsregler als Mittel zur Steuerung biologischer Prozesse
Auch Biozide sind Pestizide
Wichtig zu wissen: Der Begriff Pestizide wird zwar in der Umgangssprache oft als Synonym für "Pflanzenschutzmittel" genutzt. Tatsächlich umfasst der Oberbegriff Pestizide aber auch Biozide.
Diese Mittel werden nicht nur an Pflanzen angewendet, sondern auch in vielen anderen Bereichen, etwa in der Baubranche und im Haushalt. Typische Biozidprodukte sind beispielsweise Putz- und Desinfektionsmittel, Holzschutzmittel, Ameisengift, Mottengift und Mückenspray.
"Pflanzenschutzmittel" und Biozide richten sich oft gegen die gleichen Organismen, unterliegen aber unterschiedlichen Anwendungsbestimmungen und Regulierungen, informiert der Nabu in seinem "Faltblatt Pestizide".
Warum Pestizide gefährlich sind
Im konventionellen Anbau haben chemisch-synthetische Pestizide seit 1950 zu einer landwirtschaftlichen Intensivierung und zu mindestens einer Verdopplung der Ernteerträge geführt, wie der Nabu berichtet.
Allerdings gehen mit Pestiziden bekanntermaßen viele Probleme einher: Pestizide belasten die Umwelt, beschleunigen das Artensterben und stehen mit akuten und chronischen Krankheiten in Verbindung.
Dabei kommen weltweit immer mehr Pestizide zum Einsatz. Das konkrete Ausmaß macht der Pestizidatlas 2022 deutlich, den die Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht hat – in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dem Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) und der Monatszeitung Le Monde Diplomatique.
Demnach sei die Menge an angewendeten Spritzgiften seit 1990 bis 2017 um rund 80 Prozent gestiegen, in einigen Regionen wie Südamerika sogar um fast 150 Prozent. Weltweit liege die jährlich ausgebrachte Pestizidmenge bei zirca 4 Millionen Tonnen. Fast die Hälfte davon seien Herbizide, gefolgt von Insektiziden (knapp 30 Prozent) und Fungiziden (17 Prozent). In der EU liege der Pestizideinsatz bei rund 350.000 Tonnen pro Jahr.
Nachfrage nach Fleisch verstärkt Pestizideinsatz
Ein Grund für den enormen Anstieg des Pestitzdverbrauches ist die weltweit wachsenden Nachfrage nach Fleisch, heißt es im Fleischatlas 2021 der Heinrich-Böll-Stiftung. Diese fördere schließlich den Bedarf an proteinhaltigen Futtermitteln aus Soja. Dessen wichtigste Anbauländer seien die USA, Brasilien und Argentinien – Länder, die zu den größten Pestizidverbrauchern überhaupt zählen.
Dass der Pestizidverbrauch in Braslien und Argentinien so stark angestiegen ist, hänge mit der Einführung von gentechnisch modizifierten (GM) Sojapflanzen Ende der 1990er-Jahre zusammen. Da diese resistent gegen Glyphosat sind, also nicht durch das Totalherbizid vernichtet werden, kann es auch in der Wachstumsphase der Sojapflanze aufgebracht werden, um Beikräuter zu bekämpfen, heißt es weiter.
Aber: Je mehr Glyphosat eingesetzt werde, desto eher würden auch Beikräuter resistent dagegen. Dann müssten Landwirtinnen und Landwirte noch mehr Glyphosat und andere Pestizide einsetzen, und es entstehe ein Teufelskreis.
Glyphosat ist weltweit meistverkauftes Spritzgift
Glyphosat ist aber nicht nur in den USA oder Südamerika ein Problem: Es ist das weltweit meistverkaufte Pflanzengift. Bereits 2015 wurde Glyphosat von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" eingestuft. Dennoch hat die EU-Kommission im Dezember 2023 die Zulassung des Hebrizides um weitere zehn Jahre verlängert.
Hintergrund war, dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Ende Juli 2023 eine neue Risikobewertung von Glyphosat veröffentlicht hatte, in der sie keine inakzeptablen Gefahren von Glyphosat sah, obgleich die Behörde einräumte, dass noch Datenlücken bestünden.
Aus Sicht von ÖKO-TEST zählt Glyphosat zu den besonders bedenklichen Pestiziden. Daher werten wir es bereits im Spurenbereich ab. Das Spritzgift haben wir zum Beispiel in folgenden Tests entdeckt:
- Berg- und Tellerlinsen, rote Linsen, Hummus, Kircherbsen, Couscous,
- Paprikapulver und Gewürzgurken
-
Schwarzer Tee, Kräutertee, Früchtetee und alkoholfreies Bier
- Vegane Sahne und vegane Joghurts
- Kernige Haferflocken und Früchtemüslis
- Spaghetti und Fusilli
Umwelt wird durch Pestizide belastet
Fest steht: Der großflächige Gebrauch von Pestiziden wie Glyphosat belastet die Umwelt massiv. Denn die Chemikalien bleiben nicht immer dort, wo sie angewendet werden.
Mit dem Wind können sie zum Beispiel auf Nachbarfelder gelangen, auf denen keine Pestizide gespritzt werden. Mit dem Regen erreichen sie tiefere Bodenschichten und dadurch auch das Grundwasser sowie Seen und Flüsse. Zugleich sind einige Pestizide sehr langlebig.
Außerdem können Pestizidwirkstoffe große Strecken zurücklegen, von einigen hundert Metern bis über 1000 Kilometer, heißt es im Pestizidatlas 2022. Damit sind die chemisch-synthetischen Stoffe im Prinzip überall zu finden, sie können auch in Schutzgebiete oder Bio-Äcker gelangen. Und so lassen sich auch immer wieder Rückstände von Pestiziden in Lebensmitteln nachweisen.
Wie stark die Umwelt konkret von Pestiziden belastet ist, ist laut Nabu weitgehend unbekannt. Demnach würden etwa Anwendungsdaten von "Pflanzenschutzmitteln" nicht zentral erfasst, nicht ausgewertet und nicht verfügbar gemacht. Auch Monitoringprogramme erfassen nur einen geringen Anteil an Wirkstoffen, so der Nabu.
Pestizide gefährden die Artenvielfalt
Die massenhafte Anwendung von Pestiziden gefährdet die Artenvielfalt von Beikräutern, Wasserorganismen, Vögeln und Insekten. Schließlich schädigen die Chemikalien auch Arten, die nicht bekämpft werden sollen.
Manche von ihnen töten Pflanzen und Tiere direkt, andere schädigen sie indirekt, indem sie zum Beispiel für ein verringertes Nahrungsangebot sorgen, wie das Umweltinstitut München auf seiner Webseite schreibt. Der Pestizideinsatz fördert zudem großflächige Monokulturen, die ebenfalls die biologische Vielfalt bedrohen.
Ein anschauliches Beispiel für die artenschädliche Wirkung ist Glyphosat: Wo es gespritzt wird, wächst im wahrsten Sinne kein Gras mehr. Es tötet jede Pflanze, die nicht entsprechend gentechnisch verändert ist, betont etwa der BUND. Damit entzieht es Organismen die Lebensgrundlage.
Eine der Hauptursachen für globales Insektensterben
Besonders dramatisch: Pestizide gelten als Hauptverursacher für das globale Insektensterben – neben Düngemitteln, dem Verlust von Lebensraum und der Klimakrise. Insektizide schaden schließlich allen Insekten, und auch Fungizide und Herbizide stellen eine Gefahr für sie dar, heißt es im Pestizidatlas 2022.
Denn einige Fungizide wirken mit Insektiziden synergetisch; das heißt, die jeweiligen Stoffe wirken in Kombination noch giftiger. Durch die Anwendung von Herbiziden finden Insekten wiederum weniger Futterquellen. Und gibt es weniger Insekten, finden auch andere Tiere wie Vögel keine Nahrung.
Dabei sind laut Greenpeace über 80 Prozent der Blütenpflanzen weltweit von der Bestäubung durch Tiere abhängig. Allein in Europa gebe es rund 4.000 Gemüsesorten, die von bestäubenden Insekten abhängig sind. Insekten sind also für unsere Ökosysteme unverzichtbar.
Für Bienen hochgiftig: Neonikotinoide
Eine besondere Bedrohung geht für Insekten von den Neonikotinoiden aus – hochwirksame Nervengifte, die laut Umweltinsitut München zu den weltweit am meisten eingesetzten Insektengiften zählen. Sie umhüllen meist als Beizmittel das Saatgut und werden von der Pflanze beim Wachsen aufgenommen.
Um sie rundum zu schützen, verteilen sich die systemisch wirkenden Stoffe in alle Bestandteile. Damit stecken sie nicht nur etwa in Wurzeln, Blättern und Stielen, sondern auch in den Pollen und im Nektar. Die "Neoniks" stellen somit gerade für nützliche, bestäubende Insekten wie Wild- und Honigbienen eine massive Bedrohung dar.
Selbst wenn sie etwa Bienen nicht unmittelbar töten, schädigen sie ihr Nervensystem und stören die Reizweiterleitung. Das kann zu einem eingeschränkten Orientierungssinn führen, wodurch die Insekten nicht mehr in ihren Stock zurückfinden und teils umherirren, bis sie vor Erschöpfung sterben. Zudem können die Nervengifte die Fruchtbarkeit der Insekten beeinträchtigen und sie anfälliger für Krankheiten machen.
Da Neonikotinoide außerdem wasserlöslich und schwer abbaubar sind, reichern sie sich auch in den umliegenden Böden, Wildblumen und Gewässern an. Dabei vergiften bzw. töten sie auch andere Organismen, wie der BUND auf seiner Webseite schreibt.
ÖKO-TEST stößt oft auf Bienengifte
ÖKO-TEST findet immer wieder Neonikotinoide; auch solche, die in der EU nicht mehr zugelassen sind. Wir haben "Neoniks" zum Beispiel im Test von folgenden Produkten nachgewiesen:
- Honig
- Nektarinen
- Paprikapulver
- Schwarzer Tee
- Ingwershots
- Apfelsäfte
-
Apfelmus
- Früchtemüslis
- Gefrorene Himbeeren
Andere bienengiftige Pestizide, die nicht zu den Neonikotinoiden gehören, kritisieren wir ebenfalls. Dazu gehören beispielsweise Deltamethrin und Cypermethrin. Spuren des erstgenannten Stoff beanstanden wir etwa in unseren Tests von fertigen Pizzateigen, Olivenölen und Chips. Spuren von Cypermethrin werten zum Beispiel im Test von Couscous, Aufbackbrötchen und Früchtetee ab.
Wie schädlich sind Pestizide für den Körper?
Stellt sich die Frage, wie sich die Pestizide auf die menschliche Gesundheit auswirken? Pestizide zählen zu den gefährlichsten Umweltgiften der Welt. Zirka 5000 verschiedene Spritzmittel werden laut Greenpeace rund um den Globus angewendet. Die Liste an möglichen Erkrankungen ist entsprechend lang.
Pestizide können beispielsweise zu folgenden gesundheitlichen Schäden führen:
- Vergiftungserscheinungen bei direktem Kontakt
- akute und chronische Hauterkrankungen
- Krebs
- Fruchtbarkeits- und Erbgutschäden
- Missbildungen bei Neugeborenen
(Quelle: BUND)
Dem Pestizidatlas 2022 zufolge belegen Studien einen Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson sowie Leukämie im Kindesalter. Darüber hinaus werden Pestizide mit einem erhöhten Risiko für Leber- und Brustkrebs, Diabetes Typ 2, Asthma, Allergien, Adipositas und Störungen der Hormondrüsen in Verbindung gebracht. Auch etwa Frühgeburten und Wachstumsstörungen ließen sich auf Kontakt mit Pestiziden zurückführen.
Manche Pestizide sind hormonell wirksam
Problematisch ist auch, dass einige Pestizide hormonell wirksam sind. In der Landwirtschaft sollen sie etwa die Vermehrung von Insekten verhindern. Doch solche "Endokrine Disruptoren" (EDCs) können die Hormonsysteme von Mensch und Tier stören, indem sie wie körpereigene Hormone wirken oder deren Wirkung hemmen. Das schreibt das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany) in seinem Faltblatt "Hormonell wirksame Pestizide – eine schleichende Gefahr"
Solche Stoffe könnten daher irreversible und schwerwiegende Entwicklungs- und Gesundheitsstörungen zur Folge haben. Fehlbildungen der Geschlechtsorgane, verringerte Fruchtbarkeit, verfrühte Pubertät, hormonbedingte Krebsarten wie Brust-, Prostata- und Hodenkrebs, Verhaltens- und Entwicklungsauffälligkeiten wie ADHS, Diabetes und Adipositas werden mit den Endokrinen Disruptoren in Verbindung gebracht, heißt es weiter.
Somit sind letztendlich auch besonders (ungeborene) Kinder von diesen Stoffen gefährdet. Studien zeigen auch, dass hormonell wirksame Pestizide die menschliche Spermienkonzentration senken.
Insgesamt listet das internationale Pestizid Aktions-Netzwerk aktuell 338 hochgefährliche Pestizide ("Highly Hazardous Pesticides") auf, die beispielsweise als krebserregend, erbgutverändernd, fortpflanzungsschädigend oder hoch bienengefährlich gelten.
Arbeitende auf Feldern besonders gefährdet
Um die Gesundheit der Menschen zu schützen, wurden in den meisten Ländern der Welt Pestizid-Rückstandshöchstmengen für Lebensmitteln festgelegt. Diese können aber je nach Land und Region sehr unterschiedlich ausfallen, betont der Pestizidatlas 2022.
So gelten in der EU oft strengere Vorgaben als in Nicht-EU-Ländern. In Brasilien gelten zum Beispiel Rückstandshöchstgehalte in Lebensmitteln, die teils doppelt oder dreifach, in einigen Fällen auch hundertfach über den maximalen Rückstandswerten der EU liegen.
Besonders gefährdet sind die Arbeiterinnen und Arbeiter die den Spritzgiften tagtäglich ausgesetzt sind: Aus einer Studie von 2020 geht hervor, dass pro Jahr rund 385 Millionen Menschen in der Landwirtschaft eine akute Pestizidvergiftung erleiden.
Diese äußert sich etwa in Form von Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen bis hin zu Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, beschreibt der Pestizidatlas 2022. Auch das menschliche Nervensystem kann beeinträchtigt werden. Bei schweren Verläufen versagen Herz, Lunge oder Nieren. Daran sterben jährlich etwa 11.000 Menschen, zeigte die Analyse.
Pestizidvergiftungen vor allem in Asien
Von akuten Pestizidvergiftungen sind vor allem Menschen im globalen Süden betroffen, heißt es im Pestizidatlas 2022. Konservativen Berechnungen zufolge sei in Asien von jährlich rund 255 Millionen Vergiftungsunfällen auszugehen, in Afrika von knapp über 100 Millionen und in Europa von rund 1,6 Millionen.
Die hohen Vergiftungszahlen im Süden seien einerseits darauf zurückzuführen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiterin nicht ausreichend geschützt und auch nicht über die Gefahren aufgeklärt werden. Auf der anderen Seite kommen in den jeweiligen Ländern zu großen Teilen hochgefährliche Pestizide zum Einsatz – häufig auch solche, die etwa in Europa verboten sind.
EU exportiert hochgiftige Pestizide in großen Mengen
Hier zeigt sich eine große Doppelmoral: Hochgiftige Pestizide, die in der EU verboten sind, werden in großen Mengen in andere Länder exportiert. Laut Pestizidatlas 2022 haben die EU-Staaten und das Vereinigte Königreich 2018 und 2019 den Export von insgesamt 140.908 Tonnen an Pestiziden genehmigt, die auf hiesigen Feldern nicht mehr angewendet werden dürfen. Fast 10.000 Tonnen solcher Pestizide exportierten allein deutsche Hersteller in jenen Jahren.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) plant zwar, den Export von in der EU verbotenen, gesundheitsschädlichen Pestiziden zu verbieten – das gilt aber nur für fertige Produkte, die solche Pestizide enthalten. Die giftige Grundsubstanz selbst kann weiter exportiert und in Drittstaaten weiterverarbeitet werden.
Doch solche reinen Wirkstoffe werden in großer Zahl exportiert, wie eine Studie von 2022 zeigt: Im Jahr 2020 wurden demnach insgesamt 20.298 Tonnen verbotene Pestizide als reine Wirkstoffe aus Deutschland ausgeführt, 2021 waren es 37.525 Tonnen. In fertigen Produkten wurden im Jahr 2020 insgesamt 8.260 und im Folgejahr 8.499 Tonnen verbotene Pestizidwirkstoffe exportiert.
Ein weiteres Problem: Das Exportverbot soll nur für Pestizidprodukte greifen, die zum Schutz der menschlichen Gesundheit in der EU nicht angewendet werden dürfen. Die Ausfuhr von verbotenen umweltschädlichen Pestizidprodukten soll, bis auf wenige Ausnahmen, erlaubt bleiben.
Der Export verbotener Pestizide ist nicht nur verantwortungslos, sondern führt auch zu einem Bumerangeffekt: Dadurch können Nahrungsmittel, die in Drittstaaten mit solchen Stoffen hergestellt wurden bzw. damit belastet sind, durch den Import wieder in europäische Supermärkte gelangen. Möglich wird das durch sogenannte Importtoleranzen, die auf Antrag eines Lieferanten festgelegt werden. Solche Anträge können auch gestellt werden, wenn unterschiedliche Rückstandshöchstmengen gelten.
Pestizid-Höchstmengen nur für einzelne Gifte
Zwar gelten in Europa strengere Regeln als in vielen anderen Teilen der Welt, was mögliche Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln angeht. Mit der am 1. September 2008 in Kraft tretenden EG-Verordnung Nr. 396/2005 wurden die Höchstgehalte von Pflanzenschutzmittel-Rückständen auf Lebensmitteln und Futtermitteln in der EU auch weitgehend harmonisiert. Zudem unterliegen Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder besonders strengen Anforderungen.
In Deutschland sind die Lebensmittel prinzipiell nur wenig mit Pestizid-Rückständen belastet, wie Untersuchungen der Lebensmittelüberwachung zeigen. Den Ergebnissen aus dem Jahr 2022 zufolge betrug die Anzahl an Überschreitungen der Rückstandshöchstgehalte bei Lebensmitteln aus Deutschland 1,3 Prozent, bei Produkten aus anderen EU-Ländern 1,5 Prozent. Generell seien Erzeugnisse aus Deutschland und anderen EU-Staaten deutlich geringer belastet als solche aus Nicht-EU-Staaten.
Der jüngste Bericht der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) über Pestizidrückstände in Lebensmitteln zeigte, dass 2,1 Prozent der Proben im Jahr 2021 die zulässigen Werte überschritten. Dagegen lagen 97,9 Prozent der Proben innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte.
Es gibt also noch Luft nach oben. Besonders bedenklich: Gesetzliche Höchstmengen gibt es nur für einzelne Gifte. Lebensmittel können jedoch mit gleich mehreren Pestiziden belastet sein. Summen-Rückstandshöchstgehalte für Mehrfachbelastungen gibt es nicht. Das ist insofern problematisch, da mögliche Wechselwirkungen von "Pestizidcocktails" auf Mensch – und Umwelt – kaum erforscht sind. Sie werden auch bei der Zulassung von Wirkstoffen nicht berücksichtigt.
ÖKO-TEST kritisiert Pestizidcocktails
Auf regelrechte Pestizidcocktails stößt auch ÖKO-TEST immer wieder. Mehrfachbelastungen haben wir zuletzt in unseren Tests von folgenden Produkten festgestellt:
- Paprikapulver: Rekordhalter sind zwei Gewürzpulver, in denen wir satte 23 unterschiedliche Pestizidrückstände gefunden haben – darunter auch solche, die in der EU verboten bzw. nicht mehr zugelassen sind.
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Schwarzer Tee: Negativer Spitzenreiter war ein Produkt, in dem das beauftragte Labor sieben verschiedene Pestizide in einem Produkt nachgewiesen hat. Zwei davon sind in der EU im Anbau nicht zugelassen.
- Weinblätter: In nur einem Produkt lagen 19 Pestizide über den zugelassenen Grenzwerten; darunter befanden sich auch zwei von der EU im Anbau verbotene oder nicht mehr zugelassene und acht besonders bedenkliche Gifte.
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Früchtemüsli: Den Negativrekord stellte ein Müsli auf, das Spuren von 31 Einzelsubstanzen enthielt, auch solche, deren Anwendung in der EU nicht mehr erlaubt sind.
Wie Sie sich vor Pestiziden schützen können
Pestizide sind in Spuren nicht akut gefährlich. Doch regelmäßig aufgenommen könnten sie zum Problem werden. Besonders bedenklich sind die Mehrfachrückstände, weil mögliche Gesundheitsrisiken durch Wechselwirkungen kaum erforscht sind. Daher ist es ratsam, nicht immer auf die gleichen Produkte zurückzugreifen, sondern immer mal zu variieren.
Wer sich vor Pestiziden schützen möchte, sollte vor allem Bio-Lebensmittel bevorzugen. Da im Bio-Anbau chemisch-synthetische Pestizide verboten sind, sind sie auch in der Regel frei davon. Auch Produkte aus regionalem Anbau sind oft weniger belastet als importierte Lebensmittel. Tipp: Bio-Produkte sind meist günstiger, wenn sie gerade Saison haben.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt außerdem unter anderem:
- Gründlich waschen: Obst und Gemüse vor dem Verzehr gründlich unter fließendem Wasser abwaschen und abtrocknen. Belastungen lassen sich dadurch zumindest teilweise entfernen. Bei Salaten die äußeren Blätter entfernen.
- Äpfel und Birnen nicht schälen: Ihre wertvollen Inhaltsstoffe sitzen direkt unter der Schale.
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Hände waschen: Das ist zum Beispiel nach dem Schälen von Zitrusfrüchten, Bananen und Mangos sinnvoll, da sich so die Übertragung von Rückständen von der Schale auf das Fruchtfleisch vermeiden lässt.
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Mehr Wurzel- und Stängelgemüse essen: Solche Gemüsesorten, zu denen etwa Karotten, Kartoffel und Spargel zählen, sind tendenziell deutlich rückstandsärmer als Blatt- und Fruchtgemüse wie Salate, Gurken, Paprikas und Tomaten.
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Vorsicht bei "unbehandelten" Produkten: Früchte, die so gekennzeichnet sind, sind es nicht unbedingt. Die Kennzeichnung bedeutet nur, dass sie nach der Ernte nicht mit Schalenbehandlungsmitteln behandelt wurden. Wer für ein Rezept etwa Zitronen- oder Orangenschale benötigt, sollte lieber Bio-Ware kaufen.
- Nährstoffschonend garen: Pestizidrückstände werden unter hohen Temperaturen vielfach besser abgebaut. Damit aber nicht so viele Nährstoffe verloren gehen, das Gemüse nur kurz und schnell bei anfänglich hohen und dann niedrigen Temperaturen dünsten.
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