Wir essen Plastik, trinken Plastik und atmen Plastik ein. Das Problem wurde lange unterschätzt: Österreichische Forscher sorgten 2018 für Aufsehen, als sie erstmals nachwiesen, wie viel Kunststoff durch unser Verdauungssystem wandert.
Dazu hatten sie den Stuhl von acht Probanden untersucht. Es fanden sich 20 winzige Plastikteilchen pro zehn Gramm Kot. Wegen der geringen Fallzahl sind die Ergebnisse allerdings nicht representativ. Seither gibt es immer wieder Meldungen um Kunststoffe, die ihren Weg in unseren Körper finden.
Auch ÖKO-TEST hat Anfang 2020 eine Untersuchung beauftragt, um Mikroplastik-Partikel in Mineralwässern ausfindig zu machen: In 44 Prozent der Wässer aus Plastikflaschen fand das Labor antimonhaltiges Mikroplastik, nur die Mineralwässer aus Glasflaschen waren unbelastet. Im Mai 2020 erschien eine Studie, die darlegte, dass sich aus Kunststoff-Babyflaschen große Mengen an Plastikpartikeln lösen, wenn sie mit Heißgetränken gefüllt und geschüttelt werden. Anfang 2021 wurden Mikroplastik-Partikel zum ersten Mal in menschlichen Plazentas nachgewiesen.
Kunststoffteilchen sind inzwischen überall
Das birgt nicht nur gesundheitliche Risiken, die sich bislang kaum einschätzen lassen, sondern belastet auch die Umwelt. Schließlich ist Kunststoff in seinen verschiedenen Formen, Formeln (PET, PE, PVC, PVP, PP u.v.a.) und Größen unter natürlichen Bedingungen kaum abbaubar und findet damit seinen Weg überallhin. Und zwar wirklich überallhin: So wurden Kunststoffpartikel von Forschern ebenso auf dem Mount Everest nachgewiesen wie in der Antarktis oder in der Tiefe des Marianengrabens im Pazifik.
An die Studienergebnisse der letzten Jahre schließt nun eine Untersuchung an, die vor kurzem in der Fachzeitschrift "Environmental Science & Technology Letters" publiziert wurde. US-Forscher hatten dazu erneut Stuhlproben untersucht, diesmal von drei Neugeborenen, sechs einjährigen Säuglingen sowie zehn Erwachsenen. Die Proben wurden mittels Massenspektrometrie auf Polyethylenterephthalat (PET) sowie Polycarbonate (PC) untersucht. PET ist vor allem als Werkstoff für Plastikflaschen (Einweg und Mehrweg) bekannt; PC werden unter anderem zur Herstellung von CDs und DVDs genutzt.
Säuglinge kauen und lutschen häufig Plastik
Obwohl die Ergebnisse wegen der niedrigen Probandenzahl nicht als repräsentativ gelten können, sind die Ergebnisse beunruhigend: Sie zeigen, dass Säuglinge deutlich mehr PET und PC ausscheiden als Erwachsene – und damit wohl auch wesentlich mehr Kunststoffe zu sich nehmen.
Die Urheber der Studie führen die hohe Exposition im ersten Lebensjahr nicht nur auf die Nahrungsaufnahme zurück, sondern auch darauf, dass Kleinkinder häufig an Plastikgegenständen lutschen, saugen, knabbern oder darauf herumkauen: Man denke an Beißringe, Babyflaschen aus Kunststoff, Sauger und Schnuller sowie Plastikbesteck und -geschirr. Erwachsene hingegen nehmen nur selten Kunststoffartikel in den Mund.
>> Lesen Sie auch: Beißringe-Test: Neun Zahnungshilfen mit Schadstoffen belastet sowie Baby-Schnuller im Test: So gut sind Bibs, Nip, Mam & Co.
Auf ihr Körpergewicht bezogen waren die Ausscheidungen der Säuglinge im Schnitt mehr als zehnmal so stark mit PET belastet wie die der Erwachsenen. Die Forscher schätzen, dass Säuglinge täglich 0,083 Milligramm Plastik pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen, Erwachsenen hingegen nur rund 0,006 Milligramm. Bei den Polycarbonaten (PC) lagen die Schätzungen bei rund 0,0009 (Säuglinge) und 0,0002 Milligramm (Erwachsene).
Mikroplastik-Risiken weitgehend ungeklärt
Was Mikroplastik aus der Nahrung, Luft oder auch aus Kosmetik auf Dauer für unsere Gesundheit bedeutet, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beispielsweise geht bislang nicht davon aus, dass Plastikpartikel in Lebensmitteln gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Für abschließende Einschätzungen fehlen aber weitere Daten und Studien, so das BfR.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Mikroplastik: Woher es kommt und warum es der Umwelt schadet
- Neue Studie: Babyflaschen setzen Millionen Mikroplastik-Partikel frei
- Silikone: Was macht der Kunststoff in Kosmetik?
- Mikroplastik in Mineralwasser: Teile aus Plastikflaschen landen im Getränk
- Greenpeace warnt: 75 % aller Make-up-Produkte enthalten Kunststoffe