Sollten Kinder schon Zahnseide benutzen? Eine Expertin gibt Tipps

Autor: Lino Wirag | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 27.04.2023

Sollten Kinder schon Zahnseide benutzen? Eine Expertin gibt Tipps
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Wer gesunde Zähne haben will, sollte regelmäßig Zahnseide nutzen – da ist sich die dentale Zunft ziemlich einig. Aber: Gilt das Zahnseide-Gebot auch schon für die Kleinen? Wenn ja, ab welchem Alter sollte man regelmäßig zum Seidenspender oder zum Stick greifen?

Zahnseide kann Plaque und Speisereste, die der Zahnbürste entkommen sind, aus den Zahnzwischenräumen entfernen. Damit trägt das Fädeln zur Mund- und Zahnhygiene bei und hilft, verschiedenen Erkrankungen vorzubeugen. So weit, so bekannt und so unumstritten – zumindest unter Erwachsenen. Doch wie sieht es eigentlich bei Kindern aus?

Zumindest beim Zähneputzen gilt für die Kleinen ja bekanntlich das Gleiche wie für die Großen: Gründlich soll es sein, nicht zu kurz und nicht zu grob, auch muss die richtige Putztechnik beherrscht werden. 

Wie sieht es aber mit den Zahnzwischenräumen aus, die immerhin rund 30 Prozent der Zahnoberfläche ausmachen? Sind Hilfsmittel wie Zahnseide, Dental-Sticks oder Interdentalbürsten auch schon bei den Kleinen geboten? Oder ist es dafür bei den Milchzähnen noch zu früh? Wir haben bei einer Spezialistin für Kinderzahnheilkunde nachgefragt und uns angesehen, was die Forschung zum Thema zu sagen hat.

Zahnseide bei Kindern? Zahnärzte sagen: Ja, bitte!

Für Zahnärzte ist die Sache eigentlich klar: Sobald die ersten engeren Zahnlücken entstanden sind, können sich dort, wo Zahn auf Zahn trifft, auch Plaque, Bakterien & Co. ansammeln, die Erkrankungen von Zahnfleisch und Zähnen begünstigen. Experten sprechen sich deshalb mehrheitlich dafür aus, Zahnseide auch bei Kindern anzuwenden.

So schreibt die Berufsvertretung der Zahnärzte, die Bundeszahnärztekammer: "Der zusätzliche Einsatz [= zusätzlich zum Zähneputzen] von Zahnseide kann sinnvoll sein, wenn die Zahnzwischenräume sehr eng oder schwer zugänglich sind." Der Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ) äußert sich etwas entschiedener: "Sobald sich die Lücken zwischen den Zähnen geschlossen haben, sollte auch Zahnseide zum Einsatz kommen", schränkt aber ein: "Kinder können die Zahnseide erst ab einem Alter von ca. 12 Jahren selbständig anwenden."

Auch für die Spezialistin für Kinder- und Jugendzahnheilkunde Dr. Jacqueline Esch ist der Fall klar: "Wenn die Zahnflächen vollständig aneinanderstoßen, kommt die Zahnbürste einfach nicht mehr dazwischen, ob es sich um Milchzähne handelt oder nicht, macht da keinen Unterschied."

Zahnseide hilft nur, wenn man sie auch nutzt

Knackpunkt ist für die Zahnärztin auch weniger die Frage, ob die Anwendung von Zahnseide sinnvoll ist oder nicht. Sondern, ob das Hilfsmittel überhaupt benutzt wird. "Eltern sagen oft nicht die Wahrheit, wenn man sie fragt, ob sie sich auch um die Zahnzwischenräume kümmern", weiß Dr. Esch aus Erfahrung. Sie geht davon aus, dass Zahnseide bei Kindern in Wirklichkeit nur sehr wenig verwendet wird.

Zahnseide bei Kindern wird dann sinnvoll, wenn die Zähne eng genug aneinander stehen, sodass die Zahnbürste nicht mehr alle Flächen erreicht.
Zahnseide bei Kindern wird dann sinnvoll, wenn die Zähne eng genug aneinander stehen, sodass die Zahnbürste nicht mehr alle Flächen erreicht. (Foto: Shutterstock/p_ponomareva)

Ihre Einschätzung deckt sich mit den Ergebnissen zweier Metastudien aus den Jahren 2006 und 2016, die unter anderem zu dem Schluss kamen, dass Zahnseide bei Kindern nur dann von nachweislichem Nutzen ist, wenn die Reinigung professionell – also z.B. von einem Zahnarzt – durchgeführt wird. Wenn Eltern, die an den Studien teilnahmen, selbst fädeln sollten, waren hingegen keine aussagekräftigen Ergebnisse festzustellen. Der mutmaßliche Grund: zu seltene und zu unsachgemäße Anwendung.

Gute Zahnpflege ist – leider – Elternsache

Das Eltern bei der Zahnseide zum Schludern und Schummeln neigen, ist verständlich, denn: Zahnseide nervt. Nicht nur die Kleinen, für die oft schon das Zähneputzen eine Zumutung ist, sondern auch die Großen, die hier in der Pflicht sind.

Weil Zahnseide nicht leicht zu handhaben ist, sind nämlich vor allem die Eltern gefragt. Papa und Mama müssen in den ersten Jahren zunächst selbst an die Zähnchen ran, um das Fädeln für die Kleinen zu übernehmen. Und die richtige Technik dann – etwa ab dem 10. Lebensjahr – Stück für Stück mit dem Nachwuchs einüben und überwachen.

Zahnseide-Sticks, die mit einem kleinen Plastikhalterchen daherkommen, machen die Handhabung für Groß und Klein oft etwas einfacher. Sie erbringen aber nicht unbedingt bessere Reinigungsergebnisse, da sie sich – im Gegensatz zum klassischen Seidenfaden, der um die Finger geschlungen wird – nicht bogenförmig an den Zahn anlegen lassen. Als Wegwerfprodukte erzeugen sie außerdem mehr Müll als gewöhnliche Zahnseide.

Dr. Esch hat ohnehin einen anderen Favoriten: sogenanntes "expanding floss", eine Zahnseide von der Rolle, die sich beim Reinigen etwas aufspreizt. So entsteht ein flauschiger Faden, der die Zwischenräume optimal ausfüllt, ohne dauernd in den Lücken hängenzubleiben.

Zahnseide: Das sagt die klinische Forschung

Ist der Fall also geklärt? So gut wie. Zum Schluss noch ein Blick in die Wissenschaft, die eine kleine Überraschung bereit hält. Der Nutzen von Zahnseide ist bislang nur teilweise belegt – und das, obwohl kein Zahnmediziner von ihrer Anwendung abraten würde.

Studien an Erwachsenen (beispielsweise diese Übersichtsstudie aus dem Jahr 2019) haben gezeigt, dass die regelmäßige Heim-Anwendung von Zahnseide vor Zahnfleischentzündung – und damit auch vor Parodontitis – schützt. Zur Wirkung des Fadens auf Karies oder Zahnstein gibt es hingegen bislang keine aussagekräftigen Ergebnisse. Muss uns das beeindrucken? Nein, hier gilt: Nur weil der Nutzen von Zahnseide gegen Karies nicht abschließend belegt ist, heißt das keineswegs, dass er nicht existiert.

Im Gegenteil: Nicht nur dem gesunden Menschenverstand ist klar, dass Bakterien, die zwischen den Zähnen überleben, mit der Zeit Schaden anrichten können; es findet sich auch kaum ein Zahnheilkundler, der das bezweifeln würde. Kinderzahnärztin Esch ist sich sicher: "Auch wenn dazu noch keine Daten vorliegen, zweifle ich nicht daran, dass Zahnseide zur Kariesprävention beiträgt." Eine ihrer Erfahrungen sei nämlich durch nichts zu widerlegen: "Ein sauberer Zahn wird nicht krank."

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