"Das eine Glas Wein, das Schlückchen Sekt kann doch nicht so schlimm sein." Wer schwanger ist und so leichtfertig mit Alkohol umgeht, begeht einen großen Fehler: Wissenschaftler des Münchner Instituts für Therapieforschung (IFT) haben im Fachmagazin "BMC Medicine" eine Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen des Alkoholkonsums in Deutschland für Dritte beschäftigt. Neben Verkehrsunfällen und Gewalttaten unter Alkoholeinfluss zeigt sie auf, wie verbreitet die Schäden für Neugeborene tatsächlich sind.
So kamen die Zahlen der Münchner Studie zustande
Auf der Basis von internationalen Übersichtsstudien errechneten die Forscher, dass 2014 in Deutschland 12.650 Babys mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD) geboren wurden. Von diesen litten knapp 3.000 an der vollen Ausprägung der Störung, dem Fetalen Alkoholsyndrom (FAS).
Auch eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts in Berlin zum Alkoholkonsum von Schwangeren floss in die Studie ein: Von 10.000 Kindern kamen nach dieser Erhebung 177 mit FASD auf die Welt. Das rechneten die Wissenschaftler auf die Zahl von rund 715.000 Geburten in Deutschland hoch. Ihr Fazit: Bisher seien die Zahlen unterschätzt worden. Wie viele Babys tatsächlich mit FASD und FAS bundesweit jährlich geboren werden, ist unbekannt.
FASD – eine schwere Schädigung durch Alkohol
Alkohol ist ein Nervengift und wirkt sich als solches auf die Zellteilung aus. Nimmt die Mutter Alkohol zu sich, dringt es ungehindert durch die Gebärmutterschranke und erreicht im Körper des Embryos die gleiche Konzentration wie im Körper der Mutter. Der Fötus ist noch nicht in der Lage, den Alkohol selbst effizient abzubauen – besonders in der Phase der Organbildung sind diese toxischen Einflüsse fatal.
Für die betroffenen Kinder bedeutet das irreversible Schäden im Gehirn: Sie sind oft lebenslang mental und motorisch eingeschränkt, wobei die Ausprägung sehr unterschiedlich sein kann. Zum Teil haben sie körperliche Fehlbildungen wie Kleinwüchsigkeit, einen geringen Kopfumfang oder veränderte Gesichtszüge (etwa eine zu schmale Oberlippe). Aber auch Verhaltens-, Entwicklungs- und Konzentrationsstörungen können auftreten, wodurch Kinder mit FASD große Probleme haben, ihren Alltag zu bewältigen.
Das Thema Alkohol wird oft bagatellisiert
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist darauf hin, dass die Symptome beim Neugeborenen nicht immer leicht zu erkennen sind – daher müsse mit einer zusätzlichen hohen Dunkelziffer gerechnet werden. FASD stelle eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen dar, ohne als solche bislang erkannt und berücksichtigt zu werden. Der Verein FASD Deutschland kritisiert, dass in den Vorsorgeuntersuchungen der Schwangerschaft zwar nach Drogen und Alkohol gefragt, das Thema Alkohol jedoch bagatellisiert werde.
Auch die an der aktuellen Studie beteiligten Forscher fordern mehr Prävention. Sie betonen außerdem, dass FASD längst nicht das einzige Risiko ist, das Alkoholkonsum während der Schwangerschaft birgt: Andere mögliche Folgen seien ein verringertes Wachstum im Mutterleib, ein geringes Geburtsgewicht oder Früh-, Fehl- und Totgeburten. Eine sichere Alkoholgrenze, bei der keine Schädigungen auftreten, gibt es nicht. Während der Schwangerschaft sollte komplett auf Alkohol verzichtet werden – auch auf den Geburtstagssekt oder das eine Glas Wein.
Weitere Informationen zu FASD, Alkohol und Schwangerschaft
- Der Verein FASD Deutschland ist ein Zusammenschluss aus Adoptiv- und Pflegefamilien, leiblichen Eltern, Ärzten, Hebammen, Therapeuten und anderen Menschen, die sich für die Anliegen von alkoholgeschädigten Kindern einsetzen. Hier gibt es Informationen, Hilfe und Beratung.
- Wenn Sie Alkoholprobleme haben, finden Sie auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Anlaufstellen für Beratung und Selbsthilfegruppen.
- Regionale Einrichtungen und Suchtberatungsstellen vermittelt auch das Portal der Caritas.
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