Sonne, Urlaub – und bis zum See ist es auch nicht weit. Im Idealfall steht dem ungetrübten Badespaß im Sommer nichts im Weg.
Wer sichergehen will, dass die Badegewässerqualität vor Ort auch wirklich ausgezeichnet ist, kann sich zuvor bei den offiziellen Stellen informieren (zu finden hier beim Umweltbundesamt). Bestehen hygienische oder gesundheitliche Bedenken beispielsweise aufgrund von Blaualgen, Vogelkot oder Zerkarien, werden Badestellen entsprechend gekennzeichnet – oder auch zeitweise gesperrt.
Wer nicht nur den nächsten Badesee ansteuert, sondern das Glück hat, zum Baden an die Nord- oder Ostsee fahren zu können, kann zusätzlich einen Blick auf die Vibrionen-Karte des "European Centre for Disease Prevention and Control" (ECDC) werfen. Dort wird die jeweils aktuelle Risikostufe für eine mögliche Infektion mit sogenannten Vibrionen angezeigt. Ist ein bestimmter Bereich der ECDC-Karte gelb eingefärbt, besteht nur ein sehr niedriges Risiko, mit den Bakterien in Kontakt zu kommen.
Vibrionen: Bestehende Verletzungen als Risiko
Das ist auch gut so, denn eine Vibrionen-Infektion kann unangenehme Folgen haben. Zu den genannten Erregern zählt das Bakterium Vibrio vulnificus, das hierzulande natürlicherweise in Meer- und Brackwasser vorkommt und mit dem Cholera-Bakterium verwandt ist.
Das Problem: Die Vibrio-Keime können schon durch sehr kleine Wunden – wie man sie sich etwa zuzieht, wenn man auf einen spitzen Stein tritt – in die Haut eindringen. Dort führen sie im schlimmsten Fall zu Wundinfektionen oder Blutvergiftungen, die mit Antibiotika behandelt werden müssen. In seltenen Fällen können Vibrionen auch schwere und sogar tödliche Infektionen verursachen.
Wer jedoch keine frischen Verletzungen hat und über ein stabiles Immunsystem verfügt, hat so gut wie nichts zu befürchten. Anders sieht es bei älteren Personen oder solchen mit chronischen Erkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem aus: Sie sind für eine Vibrionen-Infektion am anfälligsten.
Vibrionen: Infektionsrisiko nur sehr gering
Panik ist allerdings fehl am Platz. Im Sommer werden in Deutschland jedes Jahr nur sehr wenige Fälle von Vibrionen-Infektionen gemeldet, meistens an der Ostsee:
- In diesem Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern bislang zwei Menschen im Zusammenhang mit einer Vibrionen-Infektion gestorben. Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGuS) sind es die ersten Todesfälle im Zusammenhang mit Vibrionen in der Badesaison 2024.
- 2023 wurden in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt fünf Vibrionen-Infektionen gemeldet, von denen eine tödlich verlief. Laut dem mecklenburgischen Landesamt für Gesundheit handelte es bei dem Toten um einen chronisch kranken, älteren Urlauber, der offene Wunden hatte (und damit genau in die Haupt-Risikogruppe fiel).
- 2022 kam es infolge der hohen Temperaturen zu einer starken Vermehrung der Bakterien an der Ostseeküste; trotzdem wurden in Mecklenburg-Vorpommern nur zehn Infektionen mit Vibrionen registriert.
- 2021 waren es sechs. (Allerdings ist davon auszugehen, dass es in jedem Jahr eine gewisse Zahl an Fällen gab, die nicht als solche erkannt oder gemeldet wurden.)
Das LAGuS schreibt: "Bis zum Ende der Badesaison muss in der Ostsee, in den Boddengewässern und im Achterwasser [einer Ostsee-Lagune] mit einem vermehrten Vibrionen-Aufkommen gerechnet werden."
Matthias Gründling, Intensivmediziner und Leiter des Sepsisdialog an der Universitätsmedizin Greifswald, gibt jedoch Entwarnung: "Es gibt keinen Grund zur Panik". Weiter sagt der Mediziner: "Prinzipiell ist es total ungefährlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass man sich damit infiziert, ist sehr gering."
Tipp: Unter badewasser-mv.de können Badegäste sich jederzeit über die aktuelle Wasserqualität an allen Badegewässern (Seen und Meer) in Mecklenburg-Vorpommern informieren.
Vibrionen in der Nordsee fast unbekannt
Während die Ostsee gelegentlich von Vibrionen betroffen ist, besteht an der Nordsee fast gar kein Risiko, obwohl die Bakterien auch dort vorkommen: Laut einer deutschen Studie aus dem Jahr 2021 wurden im gesamten Zeitraum zwischen 2003 und 2020 nur zwei Infektionen an der Nordsee erfasst.
Infolge der Klimaveränderungen ist allerdings schon jetzt klar, dass in den Folgejahren – aufgrund steigender Wassertemperaturen – mit mehr und mehr Vibrionen zu rechnen ist, so das Robert Koch-Institut (RKI) in einem Sachstandsbericht aus dem Sommer 2023.
Tipps zum Schutz vor Vibrionen
Es ist nicht schwer, sich vor einer möglichen Infektion zu schützen. Sie müssen dazu lediglich folgende Hintergründe kennen und die dazugehörigen Hinweise beachten:
- Vibrionen treten vermehrt bei Wassertemperaturen ab 20 Grad und bei einem Salzgehalt zwischen 0,5 und 2,5 Prozent auf. Da die Ostsee stellenweise unter zwei Prozent Salzgehalt hat, ist dort das Infektionsrisiko höher als in der Nordsee (3,5 Prozent).
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Typische Bereiche mit erhöhtem Vibrionen-Risiko sind Buchten und Bodden (d.h. flache, buchtartige Küstengewässer) sowie alle Bereiche mit seichtem (Salz-)Wasser, die sich schneller erwärmen als tiefere Strandabschnitte; zum anderen Bereiche rund um Flussmündungen, in denen das einströmende Süßwasser den Salzgehalt reduziert.
Beides – zu hohe Wassertemperaturen und ein zu niedriger Salzgehalt – sorgt dafür, dass die Bakterien optimale Bedingungen vorfinden.
Heißt: Wer sich vor einer Infektion sorgt oder ein schwaches Immunsystem hat, sollte entsprechende Bereiche meiden.
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Meistens gelangen die Erreger über kleine Hautverletzungen oder offene Wunden in den Körper. Heißt: Mit Abschürfungen oder nicht vollständig verheilten Verletzungen sollten Sie nicht ins Wasser gehen – zumindest dann nicht, wenn auch noch die Wassertemperatur hoch ist oder Sie zu einer Risikogruppe gehören.
- "Beim Baden kann man sich nicht schützen", sagt Mediziner Gründling. Er rät daher: "Wenn ich eine offene Wunde habe und die Wassertemperatur liegt bei über 20 Grad, dann empfiehlt es sich tatsächlich nicht, damit baden zu gehen."
Symptome einer Vibrionen-Infektion
"Typische Zeichen sind unter anderem Schmerzen, meistens betrifft es die Beine", sagt Gründling. Das RKI bezeichnet es als lokalen Schmerz, "der angesichts der sichtbaren Wunde überproportional stark erscheint".
Zudem bilden sich bei einer Vibrionen-Infektion Rötungen, die schnell an Fläche zunehmen und sich ausbreiten. "Dazu kommen oft Fieber, Schüttelfrost, ein allgemeines Krankheitsgefühl", sagt Gründling. Schwere Erkrankungen können tödlich verlaufen.
"Manchmal treten bei Patienten auch schon unterblutete Blasen und die klassischen Sepsis-Zeichen, also schnelle Atmung und ein schneller Herzschlag auf", so der Mediziner. Bei einer Sepsis (Blutvergiftung) richtet der Körper im Kampf gegen eine Infektion Schäden an Organen und Gewebe an.
In diesem Fall sollte man sofort den Notarzt rufen, denn diese Situation ist lebensbedrohlich. "Je später wir die Patienten in der Klinik sehen, desto schwerer ist es, diesen Prozess zu beherrschen."
Die Behandlung sollte laut dem Intensivmediziner zudem immer stationär erfolgen. Denn: "Es müssen schnellstmöglich Antibiotika gegeben werden und wenn notwendig der Infektionsherd operiert werden". "Im Falle der bei Vibrionen oft auftretenden lebensbedrohlichen Sepsis muss diese auf einer Intensivstation behandelt werden", so Gründling weiter.
Je nach konkretem Erreger beträgt die Inkubationszeit nur vier bis 96 Stunden.
Mit Material der dpa
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