Vierte Corona-Impfung: Wer braucht den zweiten Booster und wann?

Autor: Redaktion (lp) mit Material von dpa | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 19.08.2022

Eine Impfung schützt vor schweren Erkrankungen durch das Coronavirus. Ist bald eine zweite Auffrischung und damit eine vierte Impfung nötig?
Foto: Shutterstock / Michael Bihlmayer

Die Omikron-Variante trieb die Infektionszahlen zuletzt nach oben, viele blicken mit Sorge auf den kommenden Herbst. Was kann die vierte Corona-Impfung bewirken und wer sollte sich ein zweites mal boostern lassen? Bundesgesundheitsminister Lauterbach wirbt für die vierte Impfung, nun hat auch die STIKO ihre Impf-Empfehlung erweitert. Wir geben einen Überblick, was zur zweiten Booster-Impfung bekannt ist und wer die vierte Impfdosis wann erhalten soll.

Inzwischen ist klar: Eine Grundimmunisierung reicht nicht aus, es braucht eine Auffrischimpfung gegen das Coronavirus. Die dritte Impfung oder Booster-Impfung haben inzwischen 51,5 Millionen Menschen in Deutschland erhalten, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von knapp 61,9 Prozent (Stand 18. August 2022).

Während die Infektionszahlen in diesem Frühjahr zunächst sanken, trieb die neue Omikron-Variante BA.5 die Corona-Infektionen schnell wieder in die Höhe. Auch jetzt im August warnt das RKI: "Trotz des Rückganges der Fallzahlen bleibt der Infektionsdruck in der Allgemeinbevölkerung in allen Altersgruppen hoch." 

Ist die Booster-Booster-Impfung, also eine vierte Impfung gegen Corona die Lösung? Die STIKO hat ihre Empfehlung nun angepasst. Wir klären, was Sie zur vierten Impfung wissen sollten.

4. Impfung gegen Corona: Wer braucht den Booster-Booster?

Die Auffrischimpfung – in der Regel die dritte Impfung – wird in Deutschland für alle Erwachsenen sowie Jugendliche über zwölf Jahren ab drei Monaten nach der Grundimmunisierung empfohlen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt den Impfbooster für einen verbesserten Schutz vor schweren, durch Omikron hervorgerufenen Erkrankungen und für eine verminderte Übertragung der Virusvariante.

Wie die STIKO erklärte, nehme der Impfschutz gegen Corona nach drei bis vier Monaten signifikant ab. Nach einer Auffrischimpfung steige die Schutzwirkung vor einer symptomatischen Infektion mit der Omikron-Variante jedoch wieder deutlich an. Das Gremium geht davon aus, dass auch der Schutz vor schweren Verläufen zunehme.

STIKO empfiehlt vierte Impfung jetzt für Menschen ab 60 Jahren

Die STIKO hat ihre Empfehlung für die zweite Auffrischimpfung, also für die vierte Corona-Impfung, am 18. August aktualisiert. Demnach spricht sich die Ständige Impfkommission jetzt für eine zweite Corona-Auffrischimpfung für Personen ab dem Alter von 60 Jahren sowie Personen im Alter ab 5 Jahren mit einem erhöhten Risiko für schwere COVID-19-Verläufe infolge einer Grunderkrankung aus. Auch das Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen wird aufgrund des erhöhten Expositionsrisikos eine weitere Auffrischimpfung weiterhin empfohlen.

Zuvor hatte die STIKO-Empfehlung für die vierte Corona-Impfung nur für Menschen ab 70 Jahren sowie für gesundheitlich besonders gefährdete und exponierte Gruppen gegolten.

Die vierte Impfung soll laut STIKO in der Regel mit einem mRNA-Impfstoff erfolgen. Es soll dabei ein Mindestabstand von sechs Monaten zum letzten Ereignis (vorangegangene Infektion oder COVID-19-Impfung) eingehalten werden. In begründeten Einzelfällen könne der Abstand auf vier Monate reduziert werden.

Die STIKO erweitert ihre Empfehlung mit dem primären Ziel, besonders gefährdete Personen noch besser vor schweren COVID-19-Erkrankungen und COVID-19-bedingten Todesfällen zu schützen. Sie rät den genannten Personengruppen deshalb, nicht auf einen angepassten Impfstoff zu warten oder eine geplante Impfung zu verschieben.

Bereits seit 11. Juli empfehlen auch die EU-Gesundheitsbehörde ECDC und die EU-Arzneimittelbehörde EMA, zweite Booster-Impfungen für Personen ab 60 sowie für Vorerkrankte in Betracht zu ziehen.

Bislang haben sieben Millionen Menschen, somit 8,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, eine vierte Impfung bekommen. Menschen unter 60 Jahren, die bereits drei immunologische Ereignisse – also eine Corona-Infektion oder eine Impfung – hatten, profitieren laut STIKO nach derzeitigem Kenntnisstand nicht von einer vierten Impfung. Voraussetzung dafür ist mindestens eine Impfstoffdosis.

Eine Auffrischimpfung gegen das Coronavirus wird empfohlen, ob auch eine vierte Impfung sinnvoll ist, ist noch nicht abschließend geklärt.
Eine Auffrischimpfung gegen das Coronavirus wird empfohlen, ob auch eine vierte Impfung sinnvoll ist, ist noch nicht abschließend geklärt. (Foto: Shutterstock / Lookerstudio)

Karl Lauterbach wirbt für 4. Impfung für alle

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wirbt seit Wochen für die erneute Auffrischimpfung für alle. Dem ZDF sagte er schon im Juni: "Diejenigen, die den Sommer für sich selbst absichern wollen - da ist eine vierte Impfung auf jeden Fall eine gute Investition, weil sie wird für einige Monate das Risiko, sich zu infizieren reduzieren und vor schweren Verläufen schützen."

Nun bekräftigte der Gesundheitsminister seine Impfempfehlung und rät explizit auch Menschen unter 60 Jahren, sich nach Rücksprache mit dem Arzt ein viertes Mal gegen Corona impfen zu lassen. Lauterbach kam bereits im März zu einer anderen Einschätzung als die STIKO und warb für eine vierte Corona-Impfung schon für ab 60-Jährige. Er berief sich auf israelische Daten. 

Israelische Studie: Vierte Impfung ausreichend gegen Omikron?

Mitte März erschienen Daten zu mehr als 560.000 Menschen zwischen 60 und 100 Jahren, die teils nur dreimal, teils bereits ein viertes Mal geimpft wurden. Bislang liegen die Daten als Preprint vor – also noch ohne die bei Studien übliche externe Begutachtung. Das vorläufige Ergebnis: Die Sterblichkeit durch Covid-19 sei in der vierfach geimpften Gruppe um 78 Prozent verringert gewesen, verglichen mit der Gruppe der nur Geboosterten

Der Bundesgesundheitsminister berief sich bei seiner Impfempfehlung auf diese Daten. Ein genauerer Blick in die Daten zeigt jedoch: Die Unterschiede zwischen den verglichenen zwei Gruppen aus drei- beziehungsweise vierfach Geimpften seien minimal, wie der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Reinhold Förster, sagte: "Beide Gruppen haben bei Omikron ein sehr geringes Sterberisiko durch Covid-19."

Die Angaben zur verringerten Sterblichkeit basierten daher auf relativ kleinen absoluten Zahlen. Bei den 60- bis 69-Jährigen zum Beispiel starben laut Preprint fünf der rund 111.800 vierfach Geimpften und 32 der rund 123.800 dreifach Geimpften.

Der Experte gab zudem zu bedenken: "Es ist ja die Frage, inwieweit die beiden Gruppen vergleichbar sind. Manche dreifach geimpfte Vorerkrankte dürften sich nicht zur Viertimpfung aufgerafft haben, was die Unterschiede bei der Sterblichkeit zum Teil erklärten könnte", sagte Förster.

Darüber hinaus weist das Autorenteam selbst darauf hin, dass sie nur auf eine relativ kurze Zeitspanne von 40 Tagen blicken. Bei der erfassten Todesursache Covid-19 in Krankenhäusern könnten zudem auch Fälle enthalten sei, in denen ein positiver Test ein Nebenbefund ist.

Impfstudie aus Israel zu vierter Impfung

In Israel wurde die vierte Impfdosis frühzeitig an Menschen verimpft, die besonders von Corona gefährdet sind. Sie bewirkt zwar einen erneuten Anstieg der Antikörper. Kurz nach der vierten Impfung sei man aber wieder auf demselben Stand wie kurz nach der dritten, ergaben die ersten israelischen Daten.

Im Zuge einer Studie hatten rund 150 Teilnehmer in Israel eine vierte Dosis des Vakzins von Biontech-Pfizer erhalten. Vor einer Woche erhielten dann 120 weitere Teilnehmer nach drei Dosen Biontech/Pfizer eine vierte Impfung mit Moderna. Es war weltweit der erste Versuch mit einer vierten Impfung mit kombinierten Vakzinen, sagte Professor Gili Regev vom Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv.

Die Ergebnisse beider Gruppen nach einer Woche seien sehr ähnlich. "Wir sehen keinen erheblichen Unterschied." Zwei Wochen nach einer vierten Dosis sei zwar ein "schöner Anstieg" der Antikörper zu beobachten. Deren Zahl liege sogar etwas über dem Wert nach der dritten Impfung.

"Aber für Omikron ist dieser schöne Wert nicht genug." Man beobachte auch bei vierfach Geimpften Ansteckungen. Regev betonte aber, dass es sich dabei um Zwischenergebnisse der Studie handle.

Was bedeuten die Studienergebnisse aus Israel und die Omikron-Variante BA.5 für die 4. Impfung in Deutschland?

Heißt das, dass wir uns etwa alle drei bis vier Monate erneut gegen das Coronavirus impfen lassen müssen?

Klar ist: Mit der Zeit nimmt die Immunität gegen Covid-19 ab. "Es gibt nicht den vollständigen oder gar keinen Schutz, sondern der Schutz liegt abgestuft dazwischen", sagt Christoph Spinner, Oberarzt und Infektiologe am Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Nach seiner Aussage besteht der beste Impfschutz ein bis drei Monate nach der dritten Impfung. Danach baut er ab – aber nicht bei jedem Menschen im gleichen Maße und Tempo.

"Bei Älteren lässt der Schutz schneller nach, weil ihr Immunsystem nicht mehr so gut durch Impfungen trainierbar ist wie das jüngerer Menschen", erklärt Spinner, der auch zu Corona-Impfstoffen forscht.

Chronisch Kranke und immungeschwächte Menschen sprechen generell schlechter auf die Impfung an und verlieren auch den Schutz schneller, so der Infektiologe. Für sie ist eine vierte Impfung oder gar fünfte Impfung somit eher sinnvoll.

Laut Prof. Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover kann es auch vom Geschlecht abhängen, wie sich der Impfschutz im Laufe der Zeit verhält: Bei Männern nimmt er im Durchschnitt schneller ab als bei Frauen.

Der Direktor der Klinik für Pneumologie rät dazu, nicht mit falschen Erwartungen auf eine vierte Impfung zu blicken. "Die Impfung schützt vor schwerer Erkrankung zwar immer noch sehr, sehr zuverlässig", sagt Welte.

Aber die derzeit zirkulierenden Omikron-Varianten sind leicht übertragbar. "Bei BA.5 liegt beispielsweise auch nach drei Impfungen die Schutzwirkung vor einer Infektion inzwischen bei unter 20 Prozent", sagt Welte.

Man sollte an den zweiten Booster besser nicht die Erwartung heften, so eine Infektion komplett vermeiden zu können.

Kann es von Nachteil sein, sich noch einmal boostern zu lassen?

"Eine zweite Booster-Impfung ist auf keinen Fall ein Fehler, wenn die erste mindestens drei Monate zurückliegt", sagt Christoph Spinner. Allerdings: Wie groß der Nutzen ist, hängt vor allem davon ab, ob man einer Risikogruppe angehört und wie lange die letzte Impfung her ist.

Folgen die dritte und vierte Impfung zu schnell aufeinander, bringt das wenig Nutzen. "Darauf kann das Immunsystem aufgrund seiner begrenzten Kapazitäten gar nicht reagieren. Stimulieren Sie es weiter, kommt es zu keiner Reaktion mehr", erklärt Tobias Welte.

Er rät dazu, einen Abstand von sechs Monaten zwischen dritter und vierter Impfung einzuhalten.

Was, wenn ich mich nach der dritten Impfung bereits mit Omikron infiziert habe?

"Dann ist die Erkrankung quasi auch eine Art Booster", sagt Welte. Wie lange die dadurch gebildeten Antikörper jedoch schützen, ist unklar. Aus seiner Sicht kann man in diesem Fall mit der vierten Impfung möglicherweise auch länger als sechs Monate warten. Doch auch hier gilt: Es fehlen Daten, um handfeste Empfehlungen zu geben.

"Allgemein lässt sich sagen: Jeder Kontakt mit den Virus – sei es durch Impfung oder Infektion – steigert die Immunität", fasst Spinner zusammen.

Vierte Impfung erst vor dem Winter?

Bei der Veröffentlichung der Studiendaten aus Israel äußerten Wissenschaftler auch Bedenken zur vierten Impfung. Noch sei nicht klar, welche Virusvarianten in einigen Monaten vorherrschen, welche Impfstoffe es dann gibt und was das wiederum für die Impfempfehlungen zum Winter hin bedeutet.

Für den Immunologen Andreas Radbruch vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin sprechen etwa die derzeit "relativ harmlose Virusvariante" und eine "exzellente" Grundimmunisierung momentan gegen Viertimpfungen für weitere Gruppen: "Durch eine vierte Impfung jetzt nehmen wir uns die Möglichkeit, im Herbst durch angepasste Impfstoffe auf eine vielleicht gefährlichere Virusvariante noch zu reagieren, weil das Immunsystem dann eventuell gar nicht mehr oder nur noch sehr schwach reagiert."

Ist es im Umkehrschluss sinnvoll, die vierte Impfung aufzuschieben – und auf die Omikron-Impfstoffe zu warten, die im Herbst kommen sollen?

Eine schwierige Frage, findet Infektiologe Spinner: "Man müsste ja das Risiko des Abwartens bis zur nächsten Impfung mit den möglichen Vorteilen des neuen Impfstoffs abwägen."

Für die Experten sind zu viele Fragen noch offen: Wie gut wirken die spezifischen Omikron-Impfstoffe – auch gegen andere, neue Varianten? Wann werden sie zugelassen? Im Zweifel ist also besser, mit dem zu arbeiten, was bereits da ist – den derzeit zugelassenen Impfstoffen.

Vor lauter Abwägen mit Blick auf den Herbst sollte man auch die Grippeschutzimpfung nicht vergessen. Im Idealfall kann man die Corona-Impfung dann mit einer Grippe-Impfung koppeln. Das bedeutet: Ein Arztbesuch, zwei Spritzen.

Weiterlesen auf oekotest.de: