Bei Kleinkindern ist es noch einigermaßen einfach, Zöliakie zu diagnostizieren, denn sie zeigen die typischen Symptome: ein aufgeblähter Bauch, häufiger und übel riechender Stuhlgang, Übelkeit, Gewichtsabnahme. Auffällig ist außerdem oft die Wesensveränderung – die Kinder sind weinerlich und missmutig. Da klingeln bei (hoffentlich) allen Kinderärzten die Alarmglocken, und sie untersuchen die Kleinen auf Zöliakie. Aber auch Erwachsene sind betroffen: Insgesamt leiden Schätzungen zufolge rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland unter Zöliakie.
Zöliakie: Was ist das genau?
Die Ursache der Beschwerden ist eine Unverträglichkeit des in vielen Getreidesorten vorkommenden Klebereiweißes Gluten. Schon kleine Mengen des Stoffes, der in Brot, Zwieback, Plätzchen, Müsli, Getreidebreien und vielen anderen Lebensmitteln steckt, führen bei Zöliakie-Betroffenen zu einer Entzündung im Dünndarm, die dort die Schleimhaut schädigt. Dadurch bilden sich die Darmzotten, winzig kleine Ausstülpungen der Dünndarmschleimhaut, zurück. Da über die Zotten aber normalerweise die Fette, Eiweiße, Mineralstoffe und Vitamine aus der Nahrung aufgenommen werden, gelangen diese wichtigen Nährstoffe dann unzureichend verwertet in den Dickdarm und werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Vitamin- und Mineralstoffmangel können die Folge sein, wenn die Krankheit länger nicht entdeckt wird.
Zahlreiche Hersteller bieten bei Brot oder Nudeln inzwischen glutenfreie Varianten an. Öko-Test hat 20 Produkte untersucht und kann viele davon empfehlen:
So viele Menschen leiden an Zöliakie
Und das ist häufig genug der Fall. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) schätzt, dass einer von 100 Deutschen an einer Glutenunverträglichkeit leidet. Doch nur etwa zehn bis 20 Prozent der Betroffenen hat die typischen Beschwerden der Zöliakie. Der Rest zeigt untypische Symptome und ahnt oft deren Ursache nicht.
Grundsätzlich kann Zöliakie in jedem Alter ausbrechen. Die DZG geht jedoch von zwei Spitzen aus: Die Haupterkrankungen fallen demnach auf die Zeiträume zwischen dem ersten und dem achten Lebensjahr beziehungsweise zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr.
Zöliakie: Die häufigsten Symptome
- Beschwerden, die man üblicherweise mit der Zöliakie verbindet: Blähungen, Bauchschmerzen oder fettigen Stuhl.
- Viele Erkrankte bemerken eine Zöliakie allerdings nicht. Denn weitere Beschwerden bei Glutenunverträglichkeit haben zumindest auf den ersten Blick gar nichts mit dem Darm zu tun: Abgeschlagenheit, Hautausschläge und Osteoporose lassen sich noch mit einiger medizinischer Kenntnis auf einen Nährstoffmangel zurückführen.
- Aber eine Zöliakie kann auch Migräne, Gelenkschmerzen, Depressionen, erhöhte Leberwerte oder gynäkologische Probleme wie Zyklusstörungen, Früh- und Fehlgeburten oder gar Unfruchtbarkeit verursachen.
"Deshalb halten Mediziner die Zöliakie inzwischen auch eher für eine systemische Krankheit und nicht nur für eine Darmerkrankung", sagt Dr. Stephanie Baas, ärztliche Beraterin bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft.
So wird Zöliakie nachgewiesen
Bei Verdacht auf Zöliakie untersucht der Arzt das Blut auf Transglutaminase-IgA-Antikörper. Sind solche Antikörper im Labor nachweisbar, werden über eine Magenspiegelung mehrere Gewebeproben aus verschiedenen Bereichen des Zwölffingerdarms entnommen, um entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut nachzuweisen. Ganz wichtig ist dabei, dass der Patient vorher keine Diät auf eigene Faust macht und Getreideprodukte vorsorglich meidet. Dann kann es nämlich passieren, dass sich der Darm schon erholt hat und die eigentlich vorhandene Zöliakie nicht mehr entdeckt wird.
In diesen Lebensmitteln steckt Gluten
Ist die Glutenunverträglichkeit nachgewiesen, gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Wird bei der Ernährung auf Lebensmittel mit dem Klebereiweiß Gluten vollständig verzichtet, regeneriert sich die Darmschleimhaut nach einigen Wochen und auch die Beschwerden verschwinden weitgehend.
Die zweigeteilte schlechte Nachricht: Die strikte Diät muss ein Leben lang eingehalten werden – und das Klebereiweiß Gluten ist Bestandteil vieler Getreidearten: Es steckt in Weizen, Roggen, Hafer und Gerste ebenso wie in Dinkel, Grünkern, Emmer und Kamut. Entsprechend enthalten nicht nur Brot, Kuchen, Pizzateig, Teigtaschen und Müsli Gluten, sondern beispielsweise auch Nudeln, Graupen, Bulgur, Couscous, Bier oder Malzkaffee. Damit nicht genug, Getreidebestandteile können auch in Fertigsuppen- und -soßen, Fischkonserven, Wurstwaren und vielem anderen verarbeitet sein – das muss allerdings dann in verpackten Waren deklariert sein.
Inzwischen findet sich auf vielen Waren die Auslobung "glutenfrei", was es den Betroffenen leichter macht, die richtigen Lebensmittel auszuwählen. "Die Kennzeichnung wird von der Industrie verstärkt genutzt", weiß Baas und gibt auch zu: "Frei von etwas zu sein, das suggeriert natürlich auch so manchem, es sei per se etwas Gutes. Das stimmt natürlich nicht, außer für die Betroffenen."
Das können Sie trotz Zöliakie essen
An Zöliakie zu leiden heißt also, ein Leben lang auf bestimmte Nahrungsmittel verzichten zu müssen. Leben lässt es sich trotzdem gut, denn vieles enthält kein Gluten, zum Beispiel Obst, Gemüse, Salat und Kartoffeln, Reis, Mais, Hirse, Buchweizen, Amaranth und Quinoa, Fisch und Fleisch (unpaniert), Nüsse und Hülsenfrüchte, Eier, Milch, Quark, Naturjoghurt, Butter und Käse.
Viele Zöliakie-Patienten müssen allerdings anfangs auch auf Milch- und Milchprodukte verzichten, weil die geschädigte Darmschleimhaut auch Laktose nicht mehr aufspalten kann. Diese zusätzliche Laktoseintoleranz lässt aber nach, sobald sich der Darm regeneriert hat. Ein Glas Milch darf also bald wieder getrunken werden, der Müsliriegel aber bleibt tabu. Denn schon kleinste Mengen Gluten können einen Rückfall und erneute Beschwerden auslösen.
Bislang wenig erforscht: Weizensensitivität
Wer Brot und Getreideprodukte nicht gut verträgt, leidet möglicherweise an einer sogenannten Weizensensitivität. Auch sie äußert sich mit Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall, aber auch mit anderen Beschwerden wie Kopf- oder Muskelschmerzen oder Konzentrationsstörungen. Der Körper reagiert aber wohl nicht auf Gluten: Forschungen deuten darauf hin, dass die als natürliche Insektenabwehrstoffe bekannten alpha-Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) für die Weizensensitivität verantwortlich sein könnten. Sie kommen nur in glutenhaltigen Getreidesorten vor, sind aber vor allem in Hochleistungsweizen verstärkt hineingezüchtet worden, um höhere Ernteerträge zu erzielen – daher die Bezeichnung Weizensensitivität.
Was dabei genau im Körper vor sich geht, wird noch untersucht. Fest steht derzeit nur, dass die Überempfindlichkeit nicht über einen Blut- oder Pricktest nachweisbar und auch die Darmschleimhaut nicht geschädigt ist. Mediziner gehen von einer Weizensensitivität aus, wenn die Patienten nicht an einer Zöliakie oder einer Weizenallergie leiden, aber ähnliche Symptome haben, die sich bei einer weizenarmen oder -freien Diät schnell bessern. Kritiker bezweifeln allerdings, ob es die Empfindlichkeit überhaupt gibt.
Die wichtigsten Fragen bei Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)
Kann ich glutenfreie Produkte bedenkenlos essen?
Immer mehr Produkte tragen die Aufschrift "glutenfrei", auf anderen findet sich das Symbol einer durchgestrichenen Ähre. Die Kennzeichnung ist gesetzlich geregelt. Danach dürfen maximal 20 mg Gluten pro Kilogramm Lebensmittel enthalten sein. Nach Angaben der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft tolerieren die meisten Betroffenen die extrem niedrige Restmenge an Gluten. Nur für sehr wenige Patienten könnten sie ein Problem sein. Wer also sehr empfindlich ist, hält am besten noch einmal Rücksprache mit seinem Arzt.
Warum enthalten Produkte wie Reis oder Mais manchmal den Hinweis "glutenfrei"?
Auch bei Lebensmitteln, die von Natur aus frei von Gluten sind wie Reis, Mais, Hirse oder Buchweizen, steht manchmal "glutenfrei" auf der Packung. Der Hersteller zeigt damit an, dass er sich in besonderer Weise um das Einhalten des Gluten-Grenzwertes kümmert. Dazu gehört unter anderem die Kontrolle aller Rohstoffe auf Gluten, um Kontaminationen auszuschließen. Buchweizen etwa kann mit herkömmlichem Getreide verunreinigt sein.
Ist Hafer bei Zöliakie erlaubt oder nicht?
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Hafer, der gesondert für Zöliakiebetroffene angebaut und verarbeitet worden ist, von der überwiegenden Mehrheit der erwachsenen Patienten beschwerdefrei vertragen wird. Wer solche Produkte ausprobieren wolle, sollte aber auf die Kennzeichnung "Geeignet im Rahmen einer glutenfreien Ernährung" achten und den Verzehr auf 50 Gramm am Tag begrenzen.
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