- Wir haben 22 Nahrungsergänzungsmittel, die für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und gegebenenfalls auch Stillende ausgelobt sind, getestet. Alle Produkte enthalten Folsäure und – bis auf zwei – auch Jod, dazu in unterschiedlichem Umfang weitere Vitamine und Mineralstoffe sowie Spurenelemente.
- Acht Präparate sind mit der Note "gut" empfehlenswert. Zwölf Folsäure-Tabletten und -Kapseln fallen mit "ungenügend" durch.
- In manchen Fällen bemängeln wir die Folsäure-Dosierungen. Außerdem in der Kritik: Zugesetzte Nährstoffe, die aus unserer Sicht nicht nur unnötig sind, sondern teilweise auch schädlich sein können.
- In einem Folsäure-Präparat im Test steckt Titandioxid. Das Weißpigment gilt als vermutlich erbgutschädigend.
Aktualisiert am 6.5.2024 | Mit dem schlechten Gewissen von werdenden Müttern lässt sich Kasse machen. Wenn es dafür noch einen Beweis brauchte, dann liefert ihn dieser Test. "Für den besonderen Bedarf von dir und deinem Baby in der Schwangerschaft" oder "Wichtige Mikronährstoffe in Schwangerschaft und Stillzeit" steht etwa frontal auf zwei Schachteln in unserem Test, die neben vielen Apotheken-Countern auf Augenhöhe präsentiert sind.
Folsäure ist wichtig für schwangere Frauen – denn durch eine gute Versorgung mit dem B-Vitamin sinkt die Gefahr für Fehlbildungen beim Baby. Aber Nährstoffe in Pillen nach dem Prinzip Gießkanne zu verteilen – das bringt nichts und kann sogar schädlich sein.
Warum ist Folsäure wichtig?
Folsäure ist eine synthetische Form des wasserlöslichen B-Vitamins Folat und ist unter anderem wichtig für Zellteilung und Wachstumsprozesse. Natürliches Folat steckt in Lebensmitteln wie grünem Blattgemüse, doch das B-Vitamin ist sehr licht- und hitzeempfindlich. Deshalb kann bereits beim Kochen und Lagern ein Großteil davon verloren gehen.
Generell nehmen Frauen im reproduktionsfähigen Alter hierzulande nicht einmal ein Drittel der benötigten Folsäure über die Nahrung auf. Das Netzwerk Gesund ins Leben – ein bundesweiter Zusammenschluss wissenschaftlicher und medizinischer Institutionen – empfiehlt deshalb eindeutig, dieses Vitamin zu supplementieren.
Wird ein Folsäure-Präparat eingenommen, muss die Folsäure vom Organismus über verschiedene Stufen in Folat umgewandelt werden, damit der Körper sie dann auch als Vitamin verwerten kann.
In welchen Lebensmitteln steckt Folsäure?
Ein Teil der Folatversorgung soll aber weiterhin aus der Nahrung kommen. Folgende Lebensmittel sind gute Lieferanten:
- grünes Gemüse wie Spinat, Brokkoli und Salate
- Kohlsorten
- Tomaten
- Vollkornprodukte
- Hülsenfrüchte
- Nüsse
- Kartoffeln
- Zitrusfrüchte wie Orangen, ebenso Fruchtsäfte wie Orangensaft
- Auch in tierischen Produkten wie Leber und Eiern steckt Folat
Wie zeigt sich ein Folsäure-Mangel?
Ein Folsäuremangel kann gesundheitliche Probleme nach sich ziehen und zum Beispiel neurologische Symptome auslösen, aber auch viele andere Erkrankungen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt, dass bei einem Vitaminmangel Blutarmut, Verdauungsstörungen und Veränderungen an den Schleimhäuten auftreten können.
Bei Schwangeren ist die Aufnahme von Folsäure eben besonders wichtig, da ein niedriger Folatspiegel gerade in den ersten Wochen gravierende Folgen haben kann. Denn er erhöht unter anderem das Risiko für eine Entwicklungsstörung des Rückenmarkkanals, im Fachjargon "Neuralrohrdefekt".
22 Folsäure-Tabletten und -Kapseln im Test
Bleibt die Frage, welche Folsäure-Tabletten oder -Kaspeln empfehlenswert sind. Für unseren Test haben wir 22 Nahrungsergänzungsmittel mit Folsäure eingekauft, die für die Schwangerschaft ausgelobt waren. Bis auf zwei Präparate enthalten alle auch Jod. Das ist eine sinnvolle Kombination: Folsäure und Jod sind die einzigen beiden Nährstoffe, bei denen Frauen in der Schwangerschaft kaum eine Chance haben, ihren gestiegenen Bedarf über die Ernährung zu decken.
In fast allen Produkten stecken außerdem in unterschiedlichen Mengen zusätzlich noch weitere Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente.
Das Ergebnis: Acht Produkte können wir mit der Note "gut" empfehlen. Ganze zwölf fallen aber auch mit "ungenügend" durch den Test.
Wie viel Folsäure benötigen Schwangere?
Im ersten Schwangerschaftsdrittel
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel ausdrücklich zur Supplementierung von 400 Mikrogramm (μg) Folsäure pro Tag.
Und da sich das Neuralrohr bereits um die vierte Schwangerschaftswoche schließt – zu einem Zeitpunkt also, zu dem viele Frauen noch gar nichts von ihrem Glück wissen – empfiehlt die DGE diese Substitution bereits vier Wochen vor der Empfängnis für Frauen, "die schwanger werden wollen oder könnten".
Wenn die Schwangerschaft überraschend kommt
Was ist mit all jenen Frauen, die nicht schon vor der Schwangerschaft ihren Folatspiegel aufgebaut haben? Sie sollten während der ersten drei Monate sogar 800 μg Folsäure supplementieren, so das Netzwerk Gesund ins Leben.
Aufgrund dieser Empfehlung lassen wir in diesem Test erstmals eine Dosierung von 800 μg durchgehen – wenn ein Produkt ausdrücklich nur bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels empfohlen ist.
Welche Dosierung zu ungenau ist
Dosierungen von 500 μg oder 600 μg passen aber zu keiner der offiziellen Empfehlungen. Die betroffenen Folsäure-Tabletten und -Kapseln im Test sind zudem für den Zeitraum "Schwangerschaft bis Stillzeit" oder "Kinderwunsch bis Stillzeit" ausgelobt. Das ist zu undifferenziert. Spätestens nach dem ersten Schwangerschaftdrittel ist diese Dosis zu hoch.
Zu viel Folsäure kann problematisch sein
Frauen, die über eine längere Zeit versuchen, schwanger zu werden und Folsäure nehmen, bleiben bei 400 μg. Denn unbedenklich ist die Folsäureeinnahme über einen längeren Zeitraum laut Europäischer Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nur bis zu einer Obergrenze von 1.000 μg.
Wer also 800 μg schluckt und zusätzlich auch noch mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel verzehrt, überschreitet diese Grenze leicht. Und auch das kann zu Problemen führen; das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt unter bestimmten Bedingungen sogar vor einem erhöhten Krebsrisiko.
Jodgehalt in den meisten Produkten angemessen
Immerhin: Die Jodmenge passt bei den allermeisten Folsäure-Tabletten und -Kapseln im Test: Das Spurenelement ist wichtig für die kognitive Entwicklung von Babys – Frauen sollen deshalb laut DGE täglich 100 bis 150 μg über die gesamte Schwangerschaft hinweg nehmen.
Lediglich zwei Folsäure-Präparate im Test liegen über dieser Dosierung. Auch gut: Alle ausgewiesenen Gehalte von Jod und Folsäure stimmen – das haben wir nachmessen lassen.
Weitere Nährstoffe in Folsäure-Tabletten und -Kapseln
Etwas anderes stört uns aber gewaltig: Mit einer einzigen Ausnahme enthalten alle Folsäure-Tabletten und -Kapseln im Test noch weitere Vitamine, Mineralstoffe oder Spurenelemente. Und das teils nicht zu knapp: Ein Apotheken-Produkt bringt es auf mehr als zwei Dutzend "wichtige Mikronährstoffe".
Doch keine noch so große Anzahl an isolierten Nährstoffen kann die Nährstoffvielfalt eines ausgewogenen Speiseplans ersetzen. Manche der unnötig beigemischten Vitamine produzieren nur teuren Urin, weil der Körper sie einfach wieder ausscheidet.
Risiko einer Frühgeburt bei zu viel Eisen vergrößert
Andere zugesetzte Nährstoffe bergen durchaus Risiken. So kann die langfristige Aufnahme von zu viel Vitamin A unter anderem die Knochendichte verringern. Zwölf Folsäure-Tabletten und -Kapseln im Test enthalten Nährstoffe oberhalb der vom BfR empfohlenen Höchstmengen. Das ist nicht ohne.
Beispiel Eisen: Es gibt Hinweise, dass eine zusätzliche Eisenaufnahme bei schwangeren Frauen, die keinen Mangel haben, das Risiko für Frühgeburten sowie ein niedriges Geburtsgewicht erhöhen kann, warnt das Netzwerk Gesund ins Leben: "Eine Supplementierung mit Eisen sollte daher nur nach ärztlicher Diagnose einer Unterversorgung erfolgen." Bei etlichen Produkten fehlte uns ein solcher Hinweis.
Titandioxid in Folsäure-Tabletten im Test
In den Kapseln und Tabletten stecken aber auch einige Hilfsstoffe, auf die Hersteller besser verzichtet hätten. Titandioxid beispielsweise, das als Lebensmittelzusatzstoff E 171 in Nahrungsmitteln – und damit auch in Nahrungsergänzungsmitteln – seit August 2022 verboten ist, weil es möglicherweise genotoxisch wirkt.
Dennoch sind wir in einem Produkt im Test auf Titandioxid gestoßen. Wie bitte? Ein möglicherweise erbgutverändernder Stoff in einer Tablette für Schwangere?
Formal ist das erlaubt, denn bis August 2022 ausgelieferte Nahrungsergänzungsmittel dürfen noch verkauft werden. Immerhin: Der betroffene Hersteller schreibt uns, dass er das Weißpigment aus den Rezeptur entfernen will. Wir finden: Er hätte längst dafür sorgen sollen, dass dieses Produkt nicht mehr an Schwangere gerät.
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Jahrbuch Kinder und Familie für 2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Spezial Schwangerschaft 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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