Andrea Ramsell, Praxisanleiterin und Dozentin in der Hebammenausbildung, erklärt, warum Sport in der Schwangerschaft wichtig ist und wie Schwangere auch während des Lockdowns fit bleiben.
ÖKO-TEST: Sind Schwangere in der Coronazeit in besonderem Maße von den Mobilitätseinschränkungen betroffen?
Andrea Ramsell: Eigentlich nicht. Es hat sich in der Beziehung für sie auch nicht mehr verändert als für andere. Das größte Problem war eher die Unsicherheit und die damit verbundene psychische Belastung zu Beginn der Pandemie. Als noch keiner so richtig wusste, wie gefährlich das Virus für den Embryo und die Mutter wirklich werden kann. Strenge Ausgangssperren hat es in Deutschland ja bisher nur partiell gegeben. Um fit zu bleiben, können Schwangere also, wie andere auch, immer noch raus an die Luft, um etwa zu spazieren oder Rad zu fahren.
Aber Geburtsvorbereitungskurse fanden und finden doch keine mehr statt.
Ramsell: Stimmt. Aber da haben wir Hebammen es geschafft, schnell Digitalangebote zu schaffen. Die werden von den Krankenkassen übrigens genauso bezahlt wie die bisherigen Präsenzangebote. Kurse in Anwesenheit dürfen wir zurzeit nicht anbieten. Mit Ausnahmen: Im letzten Sommer etwa war es hip, Kurse in Parks anzubieten.
Warum ist Sport in der Schwangerschaft wichtig?
Kann ein solches Digitalangebot denn überhaupt einen Geburtsvorbereitungskurs ersetzen?
Ramsell: Was die reinen Übungen betrifft, schon. Was natürlich fehlt, ist der direkte Kontakt mit den Mitschwangeren. Für werdende Mütter ist es ja immens wichtig, mit anderen in Kontakt zu sein. Um sich persönlich auszutauschen und abzugleichen. Um Fragen zu klären wie: Ist das normal, was ich habe? Haben das andere auch? Das geht zwar auch über soziale Medien. Aber die können auch schnell mal zu Verunsicherung führen. Im Zweifelsfall ist es immer ratsam, besser direkt die Hebamme anzurufen!
Warum ist Fitness in der Schwangeschaft denn überhaupt so wichtig?
Ramsell: Bewegung wirkt sich förderlich auf die Gesundheit von Mutter und Kind aus. Sie kann bei Schwangeren Rückenprobleme, Wassereinlagerungen und anderen Beschwerden vorbeugen. Und Sport fördert insgesamt die Durchblutung, auch die der Gebärmutter. Der Nachwuchs im Bauch trainiert quasi mit. Sport macht zudem den Kopf frei. Er kann dazu beitragen, Ängste und Beunruhigungen abzubauen, von denen Frauen in der Schwangerschaft genügend haben.
Sport in der Schwangerschaft: Was darf sein?
Sollten Schwangere nach Plan trainieren?
Ramsell: Es gibt viele Übungen im Internet oder in Büchern. Einige davon sind jedoch zu schematisch – nach dem Muster: ab der 16. Schwangerschaftswoche keine Übungen in Bauch- oder Rückenlage mehr. Jede Frau bringt aber ihren ganz individuellen Körper und ihre ganz individuelle Schwangerschaft mit. Manchen geht es einfach großartig, anderen eher nicht. Als Faustregel gilt: Eine Schwangere sollte nur Übungen machen, die sich für sie gut anfühlen.
Sie sollte in sich hineinhorchen, auf die Signale hören. Auch sollte sie sich mit Übungen nicht übernehmen. Sie steckt ja nicht plötzlich in einem ganz anderen Körper, nur weil sie schwanger ist. Einer Frau, die vorher kaum Sport getrieben hat, kann ich nicht empfehlen, ab jetzt fünf Tage die Woche Yoga zu machen. Generell ist es nicht ratsam, sofort intensiv mit neuen Sportarten anzufangen, oder gefährliche Sportarten, also mit hohem Verletzungsrisiko, zu betreiben.
Was können werdende Mütter darüber hinaus im Lockdown tun, um fit zu bleiben?
Ramsell: Hilfreich ist es, Bewegungen in den Alltag zu integrieren. Wer zum Beispiel im dritten Stock wohnt, kann die Treppe und nicht den Aufzug benutzen. Eine Frau, die den ganzen Tag sitzt, kann zwischendurch Dehnübungen für den Rücken machen, selbst wenn es nur fünf Minuten sind. Übungselemente aus Pilates und Yoga bieten sich an. Spazieren und Fahrradfahren ist immer gut. Ob Joggen weiter infrage kommt, hängt ganz vom eigenen Gefühl und der eigenen Verfassung ab.
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