Ein Armband des Discounters TEDi, Ohrringe von Bijou Brigitte und natürlich immer wieder Schmuckstücke ohne Herstellerangaben, die oft aus dem Onlinehandel stammen: Sie alle fanden sich in den letzten Jahren im Europäischen Schnellwarnsystem für Verbraucherprodukte (RAPEX) wieder. Über dieses Online-Register tauschen sich die Behörden in den EU-Ländern über gefährliche oder potenziell gefährliche Produkte aus. Erfasst werden Konsumgüter wie Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Kinderspielzeug – und eben Schmuck.
Bei Schmuckstücken gehen die Gefahren fast immer von Modeschmuck aus, in dem sich bedenkliche Chemikalien oder Metalle finden. Oft werden dem Schnellwarnsystem überhöhte, teilweise gefährliche Werte von Blei, Cadmium oder Nickel gemeldet. Die Mehrzahl der beanstandeten Schmuckstücke, die in den letzten Jahren erfasst wurde, stammt aus China.
Der toxische Billigschmuck findet seinen Weg zu Käuferinnen und Käufern über das Internet und den Straßenhandel, aber auch über stationäre Anbieter wie claire's oder Bijou Brigitte. Die letztgenannte Kette, nach eigenen Angaben Modeschmuck-Marktführer, fiel seit 2017 beispielsweise viermal durch Produkte auf, die zu hohe Nickelgehalte freisetzten (siehe: Rückruf – zu viel Nickel in Ohrringen von Bijou Brigitte)
Schwermetalle in Modeschmuck: So groß ist das Problem
Zu hohe Cadmium-Werte in Schmuck wurden dem EU-Schnellwarnsystem zwischen 2015 bis 2019 insgesamt 150 Mal gemeldet, rund 80 Prozent der beanstandeten Produkte stammten laut System aus China. Zu viel Blei in Schmuck wurde im selben Zeitraum rund 60 Mal beanstandet, hier kam mehr als die Hälfte der Produkte kam aus der Volksrepublik.
Wer die Produktwarnungen der EU-Datenbank momentan durchsucht, stellt außerdem fest, dass 2020 bereits mehrere Schmuckstücke gemeldet wurden, die zu viel Nickel freisetzen.
Wie hoch die Dunkelziffer an bedenklichem Modeschmuck ist, der hierzulande vertrieben wird, kann nur geschätzt werden – die Behörden können nur einen Bruchteil an Produkten prüfen und erfassen. Nimmt man die Untersuchungen der letzten Jahre als Basis, ist davon auszugehen, dass grob geschätzt 10 Prozent der Schmuckstücke aus dem Billigsegment gegen den einen oder anderen EU-Grenzwert verstoßen.
Nickel, Blei, Cadmium: Das sind die Gefahren
Kundinnen und Kunden wissen oft nicht, dass über Modeschmuck Schadstoffe an und in ihren Körper gelangen. Wenn es sich um Piercingschmuck handelt, stehen die betroffenen Artikel sogar in ständigem, intensivem Austausch mit der Haut. Diese Stoffe werden vor allem kritisiert:
- Nickel kann allergische Reaktionen verursachen, wenn es in Erzeugnissen vorhanden ist, die länger mit der Haut in Berührung kommen. Nickel-Allergien sind weit verbreitet. Lesen Sie dazu auch: Ratgeber: Die wichtigsten Kontaktallergene
- Das schädliche Schwermetall Blei sammelt sich im Körper und kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, außerdem das Nervensystem und ungeborene Kinder schädigen.
- Das Schwermetall Cadmium gilt ebenfalls als gesundheitsschädlich. Es kann sich im Körper ansammeln, Nieren und Knochen schädigen sowie Krebs verursachen.
Schmuckstücke vor allem nicht verschlucken
Glücklicherweise ist die Giftigkeit von Blei und Cadmium nicht akut: Betroffene Schmuckstücke dürfen vor allem nicht verschluckt werden, da der Körper die Metalle sonst aufnimmt – eine Gefahr, die vor allem bei Kindern besteht.
Auch sind Blei und Cadmium in Schmuck nicht grundsätzlich verboten: Die Verwendung der Schwermetalle ist im EU-Chemikalienrecht lediglich stark reglementiert. Die Grenzwerte für Cadmium in Schmuckwaren liegen beispielsweise bei 0,01 Prozent, für Blei bei 0,05 Prozent (jeweils auf das Gewicht des Schmuckstücks bezogen).
Da die Schwermetalle ein vergleichbar hohes Gewicht aufweisen und leicht formbar sind, sind Blei und Cadmium trotz ihrer Giftigkeit beliebte Materialien, um Modeschmuck herzustellen. Das liegt auch an den Verbrauchern: Sie halten schwereren Schmuck oft für wertvoller.
Manche Teile bestehen fast ganz aus giftigem Schwermetall
Immer wieder werden die genannten Grenzwerte leider drastisch überschritten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlichte zuletzt 2019 die Ergebnisse des sogenannten "Bundesweiten Überwachungsplans". Darin enthalten waren auch die Resultate einer Untersuchung von "niedrigpreisigem Modeschmuck aus Metall", der in zwölf Bundesländern vor allem auf Märkten oder von fliegenden Händlern gekauft worden war.
Das Ergebnis: Von den rund 300 untersuchten Proben überschritten circa 8 Prozent die jeweiligen Grenzwerte für Blei und/oder Cadmium. Bei einigen der getesteten Schmuckstücke lag der gemessene Blei- bzw. Cadmiumgehalt sogar bei über 90 Prozent – diese Schmuckstücke bestanden also fast vollständig aus giftigen Schwermetallen.
Februar 2020: Weichmacher bei Bijou Brigitte
Erst vor Kurzem wurde auch der SWR Marktcheck fündig: Für einen Fernsehbeitrag, der Anfang Februar 2020 ausgestrahlt wurde, hatte der Sender 15 Schmuckstücke ins Labor geschickt, unter anderem von H&M, claire's, Primark und Zara.
Die Tester fahndeten neben Nickel, Blei und Cadmium nach krebserregenden PAK (d.h. polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen) und hormonaktiven Weichmachern. In jedem vierten Schmuckstück gab es einen Fund, auch Bijou Brigitte fiel erneut auf – laut SWR enthielt ein Herrenarmband der Marke vier verschiedene Weichmacher, von denen zwei ab Juli 2020 verboten sind. Bijou Brigitte versprach daraufhin, das Produkt aus dem Handel zu nehmen.
Modeschmuck lieber von Kindern fernhalten
Giftige Metalle in Schmuck stellen vor allem für Kinder eine Gefahr dar. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in einer ausführlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2012, dass Kinder vorsorglich keinen Modeschmuck tragen sollten.
"Modeschmuck, auch der für Kinder, kann Blei enthalten", heißt es dort. "Dabei besteht die Gefahr, dass Kinder den Schmuck in den Mund nehmen, daran lutschen, knabbern und auch nur kleinste Teile verschlucken können."
Gift in Modeschmuck: Was Sie tun können
- Wer Modeschmuck an einem Marktstand oder über das Internet aus dem Nicht-EU-Ausland ersteht, hat in der Regel keine Sicherheit darüber, dass die geltenden Grenzwerte von Schadstoffen eingehalten werden.
- Beim Kauf von Schmuck, insbesondere für Kinder, sollten Sie einen Händler Ihres Vertrauens oder ein Fachgeschäft aufsuchen.
- Bessere, aber auch kostspieligere Alternativen zu Modeschmuck sind möglichst regional produzierte Schmuckstücke mit einem höheren Anteil an Edelmetallen. Achten Sie dabei unbedingt auf fair gehandeltes Gold. Lesen Sie auch: Ratgeber: Rohstoffe & Metalle
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