Schon 2014 hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller den Grünen Knopf erstmals angekündigt. In den letzten 17 Monaten rang sein Ministerium mit NGOs, Verbänden und der Modeindustrie um verschiedene Entwürfe und deren Niveau. Das jüngste Konzept hat Müller am 20. März 2019 vorgelegt. Es ist vergleichsweise anspruchsvoll. Fest steht derzeit nicht, wann es genau los geht.
Der Grüne Knopf: Wofür steht das Siegel?
Der Grüne Knopf (GK) ist ein staatliches Siegel für ökologisch und sozial produzierte Textilien, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) vergeben wird. Damit das Logo mit dem grünen Knopf an einem Kleidungsstück hängen darf, müssen Kriterien auf zwei Ebenen erfüllt sein.
Am Produkt: Auf der Ebene des Produkts spricht das BMZ von einem Metasiegel. Das heißt, die mit dem Grünen Knopf versehenen Kleidungsstücke müssen zuvor bereits eines oder mehrere der sieben vom BMZ anerkannten Referenzsiegel erhalten haben. Das sind: GOTS, IVN Best, Oeko-Tex Made in Green, Fair Wear Foundation Leader Status, Fairtrade Textilstandard, Blauer Engel für Textilien, Bluesign Product.
Risiken in der Lieferkette erkennen
Diese Siegel müssen so kombiniert werden, dass sowohl soziale Anforderungen als auch Umweltstandards abgedeckt sind. Beispiel: Das Umweltlabel Bluesign könnte hierzu etwa mit dem Fairtrade-Textilstandard kombiniert werden. Der Grüne Knopf deckt zunächst nur zwei Stufen der textilen Lieferkette ab: Er garantiert die Einhaltung von sozialen Standards in der Konfektion und von ökologischen Anforderungen in der Textilveredelung, etwa Drucken, Färben oder chemische Nachrüstungen. Langfristig sollen weitere Schritte der Kette, zum Beispiel die Faserherstellung, folgen.
Im Unternehmen: Ein Unternehmen, das den Grünen Knopf für eines seiner Produkte beantragen will, muss folgendes nachweisen: und zwar, dass es insgesamt bereit ist, Risiken in seiner Lieferkette zu erkennen und Verantwortung für diese zu übernehmen. Diese „unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt“ orientieren sich an den Leitprinzipien der Vereinten Nationen. Das BMZ hat sie in einem Kriterienkatalog zusammengefasst und lässt sie von akkreditierten Prüfstellen direkt überprüfen.
Wann gibt es Produkte mit Grünem Knopf zu kaufen?
Eigentlich wollte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das neue Metasiegel bereits im Juli auf der Berliner Fashion Week vorstellen, gemeinsam mit den „zehn Champions“, die den Grünen Knopf als erste deutsche Unternehmen verwenden dürfen. Kurz davor dann die Nachricht aus seinem Ministerium: Der Start verschiebt sich, wahrscheinlich auf September. Das Interesse der Firmen sei plötzlich so groß geworden, dass man nicht alle rechtzeitig prüfen konnte. Unter der Hand ist jetzt von 50 Namen die Rede.
Bis die Etiketten mit dem Logo des Grünen Knopfes – „Sozial & ökologisch. Staatlich zertifiziert“ – in den Läden auftauchen, werden vermutlich noch ein paar Monate vergehen. Wegen der langen Vorlaufzeiten in der Produktion können von den ersten zehn Unternehmen nur einige wenige ihre Produkte sofort auszeichnen, andere bewerben das Metasiegel zunächst online.
Der Grüne Knopf ist ein ehrgeiziges Projekt, auch wenn Gerd Müller dessen Ziel ganz simpel formuliert: Verbraucher, die gern sozial und ökologisch produzierte Kleidung kaufen möchten, sollen sich in Zukunft nicht mehr durch „30 verschiedene Standards durchkämpfen müssen“, sondern auf das eine staatliche Siegel vertrauen können.
Kritik am Grünen Knopf
Bei allem Lob gibt es auch Kritik an dem Metasiegel. Zum Beispiel daran, dass es Erleichterungen für kleine Unternehmen geben soll, oder daran, dass der Grüne Knopf unter bestimmten Bedingungen auch unternehmenseigene Siegel als Referenz anerkennen will.
Heike Hess vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) kritisiert, dass nicht von Anfang an eine Bewertung der Faserherstellung erfolgt. „Je nachdem, welche Referenzsiegel verwendet oder geschickt kombiniert werden, kann es dem Verbraucher passieren, dass er ein Produkt kauft, das nicht aus Bio-Baumwolle hergestellt ist oder womöglich sogar aus einer genmanipulierten Faser.“ Denn: Nicht alle sieben Referenzsiegel des Grünen Knopfes haben das gleiche Niveau. „Ein regierungseigener Standard wie der Blaue Engel kann mit den anderen Siegeln da eben nicht mithalten“, sagt Hess, deren Verband nicht nur viele Öko-Modefirmen vertritt, sondern auch Standardgeber des IVN-Best-Siegels und Mitinhaber des GOTS-Standards ist.
Arbeitsrechtsverletzungen in der EU
Auch Mike Pflaum von der Christlichen Initiative Romero, die sich als Trägerorganisation der Clean Clothes Campaign für Arbeitsrechte in der Textilindustrie einsetzt, ist nicht mit allen sieben Referenzsiegeln einverstanden: „Wenn ich da‚ Oeko-Tex Made in green ‘ lese, bekomme ich die Krise. Die sagen, wir haben die Arbeitsrechte drin, aber das ist auditbasiert und nimmt die Verantwortung der Auftraggeber kaum in den Fokus“, sagt Pflaum.
„Völlig unsinnig“ findet er auch, dass für Produkte mit dem Grünen Knopf, die in der EU produziert wurden, ein Nachweis über die Einhaltung von Sozialstandards entfällt. „Dabei wissen wir aus vielen Studien, dass es in EU-Ländern wie Bulgarien und Rumänien sehr wohl zu Arbeitsrechtsverletzungen kommt.“
Insgesamt ist die Kritik am Grünen Knopf aber sehr viel leiser geworden, seit das jüngste Konzept auf dem Tisch liegt. Wie tragfähig der Grüne Knopf ist, wird sich ohnehin erst in der Zeit nach dem Startschuss zeigen: Dann wird sich erweisen, welche Firmen langfristig mitmachen, und ob es gelingt, größere Modeunternehmen mit ins Boot zu holen. Denn nur so wird der Grüne Knopf in den Geschäften sichtbar.
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