Die Ölpalme braucht ein tropisches Klima. Dann aber wächst sie schnell und trägt bis zu 15-mal im Jahr dicke Fruchtbüschel von etwa 20 Kilogramm. Aus diesen Fruchtbüscheln werden zwei für die Industrie hochinteressante Öle gewonnen: aus dem ergiebigen Fruchtfleisch das Palmöl und aus den weniger ergiebigen Fruchtkernen das Palmkernöl.
Die Einsatzgebiete sind vielfältig: Das Palmöl aus dem Fleisch der Frucht dient zum Braten, steckt aber auch in Margarine. Das anders geartete Kernöl wandert beispielsweise in Kosmetika und Putzmittel. Selbst Naturkosmetikfirmen verzichten häufig nicht auf die beiden Rohstoffe.
Palmöl hat viele praktische Eigenschaften
Denn die Öle haben viele praktische Eigenschaften. Sie sind bei Zimmertemperatur fest, brauchen also nicht chemisch gehärtet zu werden, außerdem geschmacksneutral, hitzestabil und lange haltbar. Das macht sie besonders für die Lebensmittelindustrie attraktiv. Palm- und Palmkernöl stecken beispielsweise deshalb auch in Backwaren, Fertigprodukten, Schokolade und anderen Süßigkeiten. In Kosmetik sind die Öle ebenfalls ein gern genutzter Rohstoff, so in Cremes, Lotionen, Seifen, Shampoos und Duschgelen.
Der Markt für die Stoffe aus den Ölpalmfrüchten ist in den vergangenen 35 Jahren enorm gewachsen. Anfang der 1980er-Jahre wurden nur etwa 5 Mio. Tonnen Palmöl weltweit produziert, heute sind es über 58 Mio. Tonnen. Die Bäume gedeihen nicht nur in Südostasien, sondern im gesamten Tropengürtel der Erde. Wenn die Ölpalmpflanzer vordringen, muss der Regenwald weichen. Es ist ein Milliardengeschäft.
Palmöl: EU ist viertgrößter Abnehmer
Nach Indien, Indonesien und China ist die Europäische Union mit einer Menge von 5,67 Mio. Tonnen der viertgrößte Palmöl-Verbraucher. Allein 1,3 Mio. Tonnen davon werden nach Deutschland importiert, plus etwa 330.000 Tonnen Palmkernöl, immerhin etwa 8 % der Menge, die davon weltweit gehandelt wird (etwas über vier Mio. Tonnen).
Das alles wäre nur Statistik, wenn die boomende Nachfrage nicht ernste ökologische Folgen hätte. Vor allem in Indonesien, das zusammen mit Malaysia rund 90 % des international gehandelten Palm- und Palmkernöls liefert, wurden in den vergangenen Jahrzehnten große Flächen an wertvollem Regenwald abgeholzt, um dort Ölpalmen in Monokulturen anzubauen. Die Folgen sind unter anderem:
- Anwohner werden enteignet und vertrieben.
- Das weltweite Klima wird durch Brandrodungen extrem belastet.
- In den Monokulturen werden große Mengen Pestizide ausgebracht, die sich negativ auf Mensch, Tier und Umwelt auswirken.
- Der Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen wird vernichtet, was wiederum das Artensterben beschleunigt. So bedroht der Anbau von Palmöl beispielsweise den Lebensraum (und damit das Leben) der Orang-Utans.
Ein Ende dieser negativen Entwicklung ist nicht abzusehen – eher im Gegenteil. "Prognosen zufolge wird der Anbau in den nächsten Jahren vor allem im afrikanischen Tropengürtel ausgebaut werden", sagen die Autoren der Studie "Nachhaltiges Palmöl: Anspruch oder Wirklichkeit?", die 2014 im Auftrag von Brot für die Welt und der Vereinten Evangelischen Mission erstellt wurde.
Palmöl wird zu Energie oder zu Lebensmitteln
Und wofür das alles? Die Naturschutzorganisation WWF hat versucht, herauszufinden, wofür Palm- und Palmkernöl hierzulande verwendet wird. Die Studie "Auf der Ölspur" aus dem Jahr 2016 brachte überraschende Ergebnisse:
- "Der Großteil des Palmöls in Deutschland geht in Bio-Energie – ganze 41 %", so die Ergebnisse der Studie.
- Ein fast ebenso großer Teil, nämlich 40 %, wird in der Lebensmittelproduktion eingesetzt, vor allem für die vielen industriell verarbeiteten Lebensmittel, zum Beispiel für etliche Tütensaucen, -suppen und Tiefkühlpizzen, Nuss-Nougat-Cremes, Schokoriegel und Eiscremes, Margarinen, Fertig-Teige und abgepackte Kuchen.
- 17 % dienen als Rohstoff für Waschmittel und Reinigungsmittel, Kosmetika sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie.
Auch die meisten Naturkosmetik-Marken kommen nicht ohne Palm- und Palmkernöl aus. Vor allem Letzteres ist wichtig. Es liefert Glycerin und Fettsäuren, die zu Tensiden und Emulgatoren weiterverarbeitet werden: Emulgatoren verbinden Wasser und Fett miteinander und sorgen beispielsweise dafür, dass eine Lotion schön cremig wird. Tenside bringen Shampoos und Duschgele zum Schäumen. "Solche Derivate lassen sich nicht ersetzen, weil es bisher keine vergleichbaren Alternativen aus natürlichen Stoffen gibt", erklärt Sabine Kästner vom Naturkosmetikunternehmen Laverana.
Palmöl: Ist Bio-Palmöl eine Lösung?
Geht es nicht um die Derivate, sondern um reines Palmöl, lässt sich möglicherweise ein Weg aus der Zwickmühle finden. Denn seit Palmöl in die Kritik geraten ist, gibt es auch Plantagen, auf denen Ölpalmen umweltfreundlich bewirtschaftet werden. Auch Palmöl lässt sich – wie andere Lebensmittel – "bio" herstellen.
"Für unsere Pflanzenseifen haben wir als eine der ersten Firmen zu Palmöl aus nachhaltigem, kontrolliert biologischem Anbau gewechselt", heißt es etwa bei Weleda. "Es ist bio-zertifiziert und kommt ausschließlich aus schonendem Landbau mit fairen Arbeitsbedingungen und einer garantierten Rückverfolgbarkeit."
Einige andere Naturkosmetik-Hersteller ersetzen Palmöl durch ein anderes Pflanzenöl. Für das anthroposophische Unternehmen Weleda ist das keine Option. Zum einen sei es grundsätzlich möglich, Palmöl schonend und nachhaltig anzubauen. Zum anderen sei die Ölpalme extrem ertragreich und brauche vergleichsweise wenig Fläche.
"Kein Palmöl ist auch keine Lösung"
Das bestätigt auch die genannte WWF-Studie. "Der simple Austausch von Palmöl durch andere Öle löst die Probleme nicht, sondern kann sie sogar verschlimmern", meint Ilka Petersen vom WWF. Denn um die gleiche Menge Öl zu bekommen, wäre deutlich mehr Anbaufläche notwendig.
Die Ausbeute bei Ölpalmen liegt bei durchschnittlich 3,3 Tonnen pro Hektar. Raps, Kokos und Sonnenblumen bringen nach Angaben des WWF nur rund 0,7 Tonnen Öl pro Hektar, Soja sogar nur 0,4 Tonnen. "Kein Palmöl ist auch keine Lösung", so die Schlussfolgerung der Studie. "Wer das Palmöl-Problem lösen will, muss daher die Anbaubedingungen verbessern und die Nachfrage senken."
Palmöl: Roundtable on Sustainable Palm Oil
Zumindest Ersteres wurde schon versucht. Der 2004 gegründete "Roundtable on Sustainable Palm Oil" (RSPO) und seine Kriterien sollen dafür sorgen, dass auf den Plantagen mehr für Naturschutz und Menschenrechte getan wird als gesetzlich vorgeschrieben. Nach Angaben des RSPO sind heute 2,52 Mio. Hektar Anbaufläche entsprechend den Kriterien zertifiziert, das entspricht 12,22 Mio. Tonnen Palmöl oder 21 % des weltweiten Angebots.
Doch der RSPO besitzt zahlreiche Schwächen. Falls eine Plantage beispielsweise vor dem 1. November 2005 angelegt wurde, fragen die Experten nicht, ob dafür Regenwald oder andere wertvolle Biotope zerstört und in dem Gebiet lebende Menschen vertrieben wurden.
Dieser Bestandsschutz war Bedingung dafür, dass sich überhaupt Palmkonzerne fanden, die die Zertifizierungsregeln anerkennen und von nun an nachhaltiger agieren wollen. Nur Plantagen, die nach den Stichtagen auf besonders wertvollen Naturflächen neu entstehen, wird das Nachhaltigkeitszertifikat verweigert – nicht aber Neuanlagen auf bisherigen Brachflächen. Als solche gelten etwa in Indonesien die riesigen Flächen, auf denen der Regenwald bereits vor einiger Zeit gerodet wurde – teils mit, teils ohne Erlaubnis.
Palmöl: RSPO in der Kritik
Die Zertifizierer würden das Gütesiegel auch vergeben, wenn zum Beispiel eine Viehweide zur Palmplantage wird – dass für eine neue Weide dann wohl wieder Regenwald fällt, wird nicht berücksichtigt. "Letztlich brauchen wir eine Vereinbarung, die alle Arten von Landnutzung reguliert – auch für Viehweiden oder für Soja, das als Futtermittel dient", sagt Uwe Lahl, Professor an der TU Darmstadt.
Nicht nur Umweltorganisationen kritisieren den RSPO-Standard (aus diesen und anderen Gründen) als zu schwach. Auch die Autoren der Studie "Nachhaltiges Palmöl – Anspruch oder Wirklichkeit?" meinen: "Eine Vielzahl von Quellen belegt, dass selbst zertifizierte Unternehmen die Kriterien des RSPO nur unzureichend oder gar nicht einhalten." Die Überwachung weise große Lücken auf, wirksame Sanktionen fehlten.
Palmöl-Zertifizierung muss sich verbessern
So seien beispielsweise großflächige Waldbrände auf Sumatra dokumentiert, die den Konzessionsgebieten mehrerer Palmölfirmen zugeordnet werden konnten. Die RSPO-Kriterien aber verbieten Feuer zur Vorbereitung neuer Plantageflächen. "Auch Menschenrechtsverletzungen werden immer wieder dokumentiert. Meist handelt es sich dabei um die Missachtung traditioneller Land- und Besitzrechte von lokalen Bevölkerungsgruppen." Bei Konflikten werde auch vor Gewaltandrohung oder -ausübung nicht zurückgescheut.
Das Fazit der Studie ist eindeutig: Mit dem RSPO sei ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Jedoch benötige "ein Zertifizierungssystem, das seinen Kunden Nachhaltigkeit verspricht, deutlich strengere Kriterien".
Mit Recht können die RSPO-Kriterien bemängelt werden. Tatsache ist aber auch, dass nur etwa 50 % des RSPO-zertifizierten Palmöls überhaupt einen Abnehmer finden. Kein Wunder also, dass sich die Produzenten fragen, warum sie dann überhaupt verschärfte Regeln akzeptieren sollten.
Palmöl: Forum Nachhaltiges Palmöl
Hier will das 'Forum Nachhaltiges Palmöl' (FONAP) ein Zeichen setzen: Dessen Mitglieder – von Agrarfrost über Henkel bis zu Unilever – verpflichten sich öffentlich, nur noch nachhaltig produziertes Palmöl zu verwenden. Und wollen so ein Zeichen aussenden, dass es in Europa eine entsprechende Nachfrage gibt. Auch die Naturkosmetikhersteller Weleda, Speick, Logocos, Kneipp, Börlind sowie die Drogeriekette dm zählen zu den Mitgliedern bei FONAP.
Große Schwierigkeiten bereitet aber die mangelnde Transparenz auf dem Markt für verarbeitete Rohstoffe. So heißt es von Weleda: "Besonders bei Palmöl- und Palmölderivaten findet entlang der Lieferketten oft keine Trennung von zertifizierten und konventionellen Ausgangsstoffen statt." Das bedeutet: Die Emulgatoren und Tenside, die von den Naturkosmetikfirmen nicht selbst hergestellt, sondern zugekauft werden, stammen nicht immer aus zertifiziertem Palm(kern)öl – selbst wenn das so gewünscht ist.
Manchmal wissen die Firmen noch nicht einmal, ob überhaupt Palmöl verwendet wurde: "Oft kommen in Verbindungen auch Fettsäuren zum Einsatz. Diese werden gewonnen aus Palmöl, einem Gemisch aus Palm- und Kokosöl oder aber Kokosöl allein – je nach Verfügbarkeit", sagt Sabine Kästner von Laverana.
Palmöl: Tipps für Verbraucher
Es ist kompliziert - und wird es wohl noch eine Weile bleiben. Als Verbraucher können Sie bereits jetzt Folgendes tun:
- Palmöl steckt häufiger in Produkten, als Sie denken: Es findet sich geschätzt in jedem zweiten Supermarktprodukt. Neben Fertiggerichten und Kosmetika steckt Palmöl vor allem in Margarine, Müsli, Schokolade, Schokokeksen, -riegeln und -aufstrichen, Süßigkeiten und Tütensuppen.
- Sind Palmöl oder Palmöl-Derivate in Lebensmitteln enthalten, müssen diese auf der Zutatenliste angegeben werden. Leider sind die dazugehörigen Bezeichnungen für Konsumenten häufig kaum zu entschlüsseln. Bei Greenpeace Hamburg findet sich eine Liste von Inhaltsstoffen (Stand: April 2017), hinter denen sich häufig Palmöl oder Palmölderivate verbergen. Versuchen Sie, entsprechende Produkte zu vermeiden.
- Essen Sie nach Möglichkeit weniger Fertiggerichte und kochen Sie mehr mit frischen Zutaten – damit tun Sie auch Ihrer Gesundheit einen Gefallen.
- Bevorzugen Sie Bio-Produkte und solche aus fairem Handel: Das darin enthaltene Palmöl wird unter besseren ökologischen und/oder sozialen Bedingungen erzeugt.
- Kaufen Sie bevorzugt regional erzeugte, saisonale Produkte – die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass darin nur heimische Öle verarbeitet sind.
- Viele Hersteller von echter Naturkosmetik versuchen, Palmöl zu vermeiden oder nur bio-zertifiziertes Palmöl zu verwenden. Geben Sie deshalb Naturkosmetik-Produkten den Vorzug.
- Fragen Sie bei Firmen, deren Produkte Sie schätzen, nach, woher das verwendete Palmöl stammt und ob dafür Regenwald zerstört wird. Fordern Sie Hersteller auf, konventionelles Palmöl durch andere Öle oder Bio-Palmöl zu ersetzen. Das kann wirkungsvoll sein.
Empfehlenswerte Literatur
- K. Hartmann: Aus kontrolliertem Raubbau: Wie Politik und Wirtschaft das Klima anheizen, Natur vernichten und Armut produzieren. Karl Blessing 2015, 14 Euro.
- F. Fischer, F. Nierula: Der Palmöl-Kompass: Hintergründe, Fakten und Tipps für den Alltag. Oekom 2019, 20 Euro.
- K. Hartmann, W. Boote: Die grüne Lüge (Film). Lighthouse Home Entertainment 2018.
Weiterlesen auf oekotest.de: