Trinkwasser aus 69 Großstädten im Test

ÖKO-TEST September 2014 | Autor: Redaktion | Kategorie: Essen und Trinken | 29.08.2014

Trinkwasser aus 69 Großstädten im Test
Foto: Shutterstock/Igor Pushkarev

Obwohl immer wieder Arzneimittelrückstände im Trinkwasser gefunden werden, sind regelmäßige Analysen nicht gesetzlich vorgeschrieben. ÖKO-TEST hat Trinkwasser aus 69 deutschen Städten auf Gadolinium untersuchen lassen, das über MRT-Kontrastmittel in die Umwelt gelangt – und wurde vielerorts fündig.

Wer Schmerzen hat, ist für ein Schmerzmittel dankbar. Liegen die Blutfettwerte außerhalb des Normbereichs, gibts auf Rezept Lipidsenker. In der Radiologie werden jodhaltige Röntgenkontrastmittel gespritzt, wenn die Blutgefäße sichtbar gemacht werden sollen.

Das funktioniert im Großen und Ganzen gut. Nur: Nachdem die Arzneistoffe ihr Werk verrichtet haben, verschwinden sie nicht einfach, sondern gehen auf große Reise und kommen irgendwann - wenn auch in stark verdünnter Form - wieder beim Verbraucher aus dem Wasserhahn. "Im Trinkwasser liegt nach dem Stand der Literaturauswertung für 23 Wirkstoffe und Metaboliten mindestens ein Positivbefund vor", heißt es in der 2011 vom Umweltbundesamt (UBA) herausgegebenen "Zusammenstellung von Monitoringdaten zu Umweltkonzentrationen von Arzneimitteln", welche vom IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasser erarbeitet wurde. Genannt werden Schmerzmittel wie Naproxen, Röntgenkontrastmittel, Lipidsenker wie Clofibrinsäure und ihre Stoffwechselprodukte.

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Im Grundwasser weist der Bericht des UBA bereits 55, in Oberflächengewässern sogar 131 Positivbefunde aus, darunter einzelne Röntgenkontrastmittel mit Extremwerten von bis zu 100 µg/l. Die Arzneistoffe gelangen dorthin, weil wir sie über Urin oder Stuhl in unveränderter oder veränderter Form ausscheiden und sie so zunächst einmal ins Abwasser gelangen. Im Klärwerk werden sie in gewissem Maße abgebaut oder zurückgehalten. Der Rest strömt in den nächsten Fluss. Was dann die Uferfiltration übersteht, landet schließlich im Grundwasser.

Experten rechnen damit, dass in den nächsten Jahren noch mehr Arzneimittel nachgewiesen werden. Denn zum einen werden immer mehr Analysen mit immer empfindlicheren Geräten durchgeführt, zum anderen verbraucht eine zunehmend älter werdende Gesellschaft immer mehr Arzneimittel. Laut UBA wurden im Jahr 2012 von den rund 1.200 Wirkstoffen aus Humanarzneimitteln mit möglicher Umweltrelevanz insgesamt 8.120 Tonnen verbraucht. Hinzu kommen rund 2.500 Tonnen Wirkstoffe in Tierarzneimitteln, vor allem Antibiotika und Antiparasitika. Die Masse dieser Wirkstoffe gelangt über Ausscheidungen in die Umwelt.

"Betrachtet man das gesamte Abwasser, das eine Kläranlage reinigt, macht der Gesamteintrag an Arzneimittelrückständen, der durch die Krankenhäuser verursacht wird, nur maximal 20 Prozent aus", erklärt Dagmar Vohburger von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Der geringe Anteil an der Belastung durch Krankenhäuser erklärt sich durch die Tatsache, dass beispielsweise Röntgenkontrastmittel oder Zytostatika häufig im ambulanten Bereich angewendet und von den Patienten zu Hause ausgeschieden werden. 80 Prozent der Arzneimittelrückstände im Abwasser stammen denn auch aus privaten Haushalten, wo Medikamente zudem häufig über die Toilette oder den Ausguss entsorgt werden.

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Testverfahren

Die Proben: Zur Trinkwassergewinnung greifen die Wasserwerke je nach Region auf unterschiedliche Reservoirs zurück. Um einen möglichst breiten Überblick zu gewinnen, haben wir in den 69 größten Städten Deutschlands an öffentlich zugänglichen Orten Proben genommen, immer dort, wo ohnehin viel Wasser durchläuft, beispielsweise in Schnellrestaurants.

Die Abfrage: Im Vorfeld haben wir bei den jeweiligen Wasserversorgern, meistens bei den Stadtwerken, nachgefragt, ob sie ihr Wasser auf Pestizide und Pestizidmetabolite, Arzneimittelrückstände, Uran und - das Rohwasser - auf Nitrat untersuchen. Sie sollten uns gegebenenfalls die Analysenwerte mitteilen.

Die Untersuchung: Exemplarisch und als Markersubstanz für mögliche Arzneimittelrückstände haben wir alle Proben auf Gadolinium untersuchen lassen. Das Metall wird in Form extrem stabiler und sehr gut wasserlöslicher Komplexe als Kontrastmittel bei MRT-Untersuchungen verwendet. Untersucht wurde mittels einer Methode mit dem Kürzel ICP-MS: einer Kombination aus induktiv gekoppeltem Plasma und Massenspektrometrie. Mittels extrem hoher Temperaturen wird die Probe in eine Wolke aus elektrisch geladenen Teilchen (das Plasma) zerlegt, die anschließend im elektromagnetischen Feld voneinander getrennt und bestimmt werden. Dabei erreichte das von uns beauftragte Labor eine Bestimmungsgrenze von einem Nanogramm pro Liter (1 ng/l), also einem Milliardstel Gramm pro Liter. Mit dem Vergleich des berühmten Stücks Würfelzucker in einem Schwimmbecken ist es da nicht mehr getan: Man müsste das Stückchen Zucker schon auf gut 1.000 Schwimmbecken verteilen. Ob das im Wasser enthaltene Gadolinium tatsächlich nicht natürlichen Ursprungs ist, wurde über die sogenannte Gadolinium-Anomalie ermittelt.

Die Bewertung: Als Lebensmittel Nummer eins sollte Trinkwasser so sauber wie möglich sein. Vielerorts lassen sich menschengemachte Einflüsse allerdings kaum mehr vermeiden. Ein Gesamturteil haben wir nicht vergeben: Zum einen haben wir nur eine Probe pro Stadt gezogen. Diese muss nicht repräsentativ für die ganze Stadt sein, da verschiedene Stadtteile oft von unterschiedlichen Wasserwerken versorgt werden. Zum anderen ist Gadolinium nur einer von vielen möglichen Parametern.