- Wir haben insgesamt elf Chicken Nugget-Marken aus der Tiefkühlabteilung überprüft, darunter vier Bio-Produkte. Außerdem: Nuggets der drei Fast-Food-Ketten McDonald’s, Burger King und KFC.
- Eingeschränkt können wir zwei Chicken-Nugget-Marken mit der Note "gut" empfehlen. Was das Tierwohl angeht, ist aber Luft nach oben.
- Thema Tierwohl: Für die meisten Anbieter im Test ist Haltungsstufe 2 anscheinend der Standard – ein Armutszeugnis.
- In der Kritik stehen bedenkliche Inhaltsstoffe, wie Mineralölbestandteile, Fettschadstoffe und ein antibiotikaresistenter Keim.
- Die Testverlierer sind Burger King und Iglo.
Aktualisiert am 11.12.2023 | Industrielle Hühnerhaltung ist oft grausam: Die Tiere gehören zu qualvoll schnell wachsenden Rassen. Sie leben dicht an dicht zusammengepfercht, meist ohne jemals das Tageslicht zu sehen. Geht das auch anders? Ein bisschen besser geht es schon.
Wir haben den Anbietern der Chicken Nuggets im Test umfangreiche Fragebögen zur Tierhaltung geschickt. Die Antworten und die vorgelegten Dokumente zeigen, dass es durchaus einen Unterschied macht, welche Nuggets wir kaufen.
Iglo und Burger Kind sind "ungenügend"
- Die denkbar schlechteste Auskunft zum Thema Tierwohl kommt vom Fast-Food-Riesen Burger King: Als einziges Unternehmen im Test beantwortete die Kette unsere Fragebögen schlichtweg gar nicht. Auch das Testergebnis Inhaltsstoffe der King Nuggets fällt "ungenügend" aus.
- Zweites Schlusslicht im Test: die Chicken Nuggets classic der beliebten Tiefkühlmarke Iglo. Wie in den King Nuggets fand das Labor auch darin Fettschadstoffe.
- Eingeschränkt empfehlen können wir nur zwei Produkte im Test.
Doch der Reihe nach. Schauen wir uns Inhaltsstoffe, Sensorik, Tierwohl und die Transparenz der Anbieter genauer an.
Fettschadstoffe in Chicken Nuggets im Test
In Sachen Schadstoffe stehen die meisten Chicken Nuggets ganz gut da. Anders als in vielen der veganen Produkte sind Mineralölbestandteile hier nur bei einem Produkt ein Thema. Darin hat das Labor Gehalte an MOSH nachgewiesen, die wir als "erhöht" einstufen.
Aus einem anderen Grund fallen dagegen die Nuggets von Burger King und Iglo aus dem Rahmen. Das beauftragte Labor hat darin Gehalte an 3-MCPD-Fettsäureestern ermittelt, die wir als "erhöht" einstufen. Die Stoffe können sich in verarbeiteten Lebensmitteln, etwa in raffinierten pflanzlichen Ölen bilden. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat 3-MCPD als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft.
Da auch Kinder Chicken Nuggets lieben, haben wir für die Bewertung ein Kind mit 30 Kilogramm Körpergewicht zugrunde gelegt: Mit einer Portion von 150 Gramm würde es schon mehr als die Hälfte der täglich tolerierbaren Aufnahmemenge (TDI) ausschöpfen, die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegt hat.
Chicken Nuggets enthalten viel Panade
Die Nuggets von Burger King und Iglo fielen auch durch ihren überproportional großen Anteil an Panade im Verhältnis zum Fleisch negativ auf. Dafür, dass sie zu mehr als 40 Prozent aus Panade bestehen, kritisieren wir auch weitere Chicken Nuggets im Test.
Bei Burger King kommt noch ein Phosphatzusatz hinzu, auf den Fertiglebensmittelhersteller aus unserer Sicht besser verzichten sollten, da zu viel Phosphat den Nieren schaden kann. Weiterer Kritikpunkt: Die Fast-Food-Kette hat keine komplette Zutatenliste auf ihre Internetseite gestellt. Das halten wir für wenig verbraucherfreundlich.
Wie schmecken die Nuggets im Test?
In der Prüfung von Aussehen, Geschmack und Geruch schlugen sich fast alle Chicken Nuggets "gut" bis "sehr gut" – bis auf wenige Produkte. Die Kritik der Experten: "außen nicht knusprig", "innen zu weich" oder "gummiartiger Kern und Panade".
Ein Produkt enthält einen multiresistenten Keim
Das unappetitlichste Ergebnis im Bereich Inhaltsstoffe hängt unmittelbar mit den Missständen in der Massentierhaltung zusammen: Der massenhafte Einsatz von Antibiotika begünstigt die Entwicklung multiresistenter Keime, die gar nicht oder nur schwer mit Medikamenten behandelt werden können.
Auf solche Keime sind wir einmal im Test gestoßen. Das beauftragte Labor hat darin sogenannte ESBL-bildende E.-coli-Bakterien nachgewiesen. Sie können Penicillin und moderne Breitbandantibiotika (Cephalosporine) zerstören.
Schwacher Trost: Bei guter Küchenhygiene und vollständigem Durcherhitzen der Nuggets besteht für den Menschen keine akute Gesundheitsgefahr.
Was steckt in den Chicken Nuggets im Test?
Die antibiotikaresistenten Keime haben Ihnen bereits den Appetit verdorben? Für das, was jetzt kommt, brauchen Sie einen starken Magen. Was schätzen Sie, wie viele Hühner für eine Charge tiefgekühlter Chicken Nuggets verarbeitet werden?
Im Fall der drei "guten" Produkte im Test sind es rund 15.000 Tiere von einem Mäster. Für eine Charge einer anderen getesteten Marke hingegen wurden in 27 Mastbetrieben fast eine Million Tiere getötet.
Niedrige Haltungsanforderungen in der Hähnchenmast
Der Albert-Schweitzer-Stiftung für unsere Mitwelt zufolge werden in Deutschland jährlich 600 Millionen Hühner gemästet und getötet – das sind 84 Prozent aller geschlachteten Landtiere.
Um diese unvorstellbaren Massen an Tieren überhaupt bereitstellen zu können, greifen die Produzenten auf schnell wachsende Rassen zurück, die in sehr kurzer Zeit das nötige Schlachtgewicht erreichen und bereits nach rund 30 bis 40 Tagen Platz für die nächsten Hühner machen.
Bis zu neun Mastdurchgänge werden so in der konventionellen Hähnchenmast jährlich durch einen Stall geschleust. Niedrige Haltungsanforderungen machen’s möglich: Wie viele Tiere auf engstem Raum zusammengepfercht werden dürfen, wird nach Gesamtgewicht pro Quadratmeter bemessen.
Viele Tiere auf engem Raum
Zur Haltungstufe 1
In der schlechtesten Haltungsstufe 1, in der die Tiere für Iglo und Kentucky Fried Chicken (KFC) gemästet werden, sind es 39 Kilogramm.
Zur Haltungsstufe 2
In Haltungsstufe 2, dem Standard der übrigen konventionellen Anbieter, mit 35 Kilo pro Quadratmeter kaum weniger. Für ein Hähnchen, das kurz vor der Schlachtung rund zweieinhalb Kilogramm auf die Waage bringt, bedeutet das, dass es sich einen Quadratmeter Stall mit bis zu 15 Artgenossen teilen muss.
Zur Haltungsstufe 4
In Haltungsstufe 4, dem Standard für Bio-Produkte, sind höchstens 21 Kilo pro Quadratmeter erlaubt – unser Vergleichshähnchen hat dann immerhin nur sieben weitere Artgenossen unmittelbar um sich.
Über das Haltungsformlabel
Das Haltungsform-Label ist eine freiwillige, vom Handel selbst entwickelte Kennzeichnung. Mitte Juni hat der Bundestag die Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung beschlossen, Anfang Juli hat der Bundesrat den Weg für das Gesetz frei gemacht.
Tierwohl garantieren kann auch diese nicht, doch sie soll mehr Transparenz bringen. Bis sie in Kraft treten kann, wird es aber noch mindestens bis 2024 dauern.
Kein Platz für natürliches Sozialverhalten
Oft werden die Tiere bis zum Erreichen eines bestimmten Gewichts in noch größeren Gruppen gehalten und später getrennt, um die vorgeschriebene Besatzdichte nicht zu überschreiten. Dieses Vorgehen nennt man "Splitting".
Platz für artgerechte Bewegung und natürliches Sozialverhalten bleibt in diesem System nicht. Und das ist auch gar nicht gewünscht, denn aktive Tiere legen langsamer an Gewicht zu. Eine schwache Lichtstärke von rund 20 Lux hält die Tiere darüber hinaus in einem absichtlichen Dämmerzustand.
Tierschützer fordern in den Hellphasen im Stall eine Lichtstärke von mindestens 50 Lux, um Tageslicht wenigstens zu simulieren. Doch diese Anforderung erfüllen nicht einmal die Bio-Anbieter im Test.
Auf engstem Raum und kein Zugang ins Freie
Würde es nach dem Wesen der Hühner gehen, würden sie in Gruppen von mehreren Hennen und einem Hahn in einer Rangordnung leben und den Tag aktiv mit der Futtersuche verbringen. Sie zu Zehntausenden ohne Tageslicht auf engsten Raum zu quetschen, entspricht ihrem ursprünglichen Verhalten in keiner Weise.
Wir meinen: Ein freier Zugang zu einem richtigen Außenbereich in der Hühnerhaltung sollte Mindeststandard sein. Konkrete Vorgaben dazu machen nur die Haltungsstufe 4 sowie die Kriterien von Bio-Verbänden wie Naturland und Biokreis: Masthähnchen und Puten müssen demnach mindestens ein Drittel ihrer Lebenszeit Zugang zu Freigelände haben. Das hört sich gut an.
Bei einer Lebensdauer von im Schnitt 70 Tagen – damit liegt die Lebenszeit von Bio-Hähnchen schon rund doppelt so hoch wie die konventioneller Masthähnchen – sind das allerdings gerade einmal 23 Tage. Die Haltungsstufen 1 und 2 sehen keinerlei Zugang zum Außenbereich vor. Sonnenlicht sehen diese Hühner in ihrem kurzen Leben nie.
So werden die Tiere geschlachtet
Egal wie sie ihr kurzes Dasein verbracht haben, alle Masthähnchen werden irgendwann geschlachtet. Nach einem oft leidvollen Leben soll eine Betäubung zumindest einen qualvollen Tod verhindern. Da die industrielle Fleischproduktion auf Effizienz ausgelegt ist, soll auch dieser Schritt möglichst schnell gehen.
Am zuverlässigsten erfolgt die Betäubung mit Gas in einem sogenannten Betäubungstunnel – aus unserer Sicht eine vergleichsweise akzeptable Art der Betäubung. Immerhin für sechs Produkte konnten uns die Anbieter diese aufzeigen, darunter allerdings kein Bio-Produkt.
Noch immer wird jedoch auch die umstrittene Wasserbadmethode praktiziert: Die Hühner werden kopfüber hängend durch Wasser gezogen, das dabei unter Strom gesetzt wird.
Doch viel zu oft bewegen sie sich dabei und ziehen den Kopf aus dem Wasser, sodass die Betäubung nicht richtig wirkt. Diesen Tieren wird dann bei vollem Bewusstsein der Kopf abgetrennt – die Standardschlachtung eines Masthuhns –, und sie sterben beim anschließenden Ausbluten.
Antibiotika in der Massentierhaltung
Mit Ausnahme von vier Anbietern gaben die Hersteller für alle Produkte an, in der Mast der verarbeiteten Hühner Antibiotika eingesetzt zu haben. Zwei teilten uns sogar ganz offen mit, auch Reserveantibiotika einzusetzen. Das Risiko für Resistenzen steigt dadurch beträchtlich.
Einen Plan B für die Behandlung bakterieller Infektionen beim Menschen ohne wirksame Antibiotika gibt es nicht. Das Robert-Koch-Institut zählt Antibiotikaresistenzen zu den größten Bedrohungen der öffentlichen Gesundheit.
So können die Bedingungen verbessert werden
So kann es nicht weitergehen. Wie können die Bedingungen in der Hühnermast verbessert werden? Als ersten Schritt hat die Albert-Schweitzer-Stiftung gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen die Europäische Masthuhn-Initiative ins Leben gerufen.
Deren Unterzeichner verpflichten sich, unter anderem:
- Überzüchtung einzuschränken,
- den Tieren mehr Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten
- eine Beleuchtung von 50 Lux in den Ställen vorzuhalten.
Auch einige in unserem Test vertretene Anbieter, Produzenten und Lieferanten haben sich der Initiative angeschlossen – darunter ausgerechnet Anbieter, die im Test mit Haltungsstufe 1 nicht gerade mit ihrem Engagement für mehr Tierwohl glänzen.
Nur ein minimales Plus an Tierwohl
Wie kann das sein? Nun, sie haben es nicht besonders eilig. Umgesetzt werden müssen die Kriterien erst bis 2026. Für einen Großteil der Masthühner wird sich ohnehin in absehbarer Zeit nichts zum Positiven verändern. Zu viele Branchenriesen sind noch außen vor.
Von den großen Einzelhandelsunternehmen sehe man "vor allem Lidl in der Pflicht, den Weg für die noch fehlenden Einzelhändler zu ebnen", sagt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Stiftung. In der Gastronomie vermisse man McDonald’s und Burger King.
Gleichzeitig wissen die Initiatoren, dass die Initiative auch mit den jetzigen Mitgliedern nur ein Kompromiss ist – der kleinste gemeinsame Nenner mit der Industrie für ein minimales Plus an Tierwohl. Besser als nichts, aber noch lange nicht genug.
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Wie steht's um vegane Nuggets?
- Wir haben 17 vegane Nuggets auf Basis von Tofu, Reisflocken oder von Soja-, Weizen- Ackerbohnen- oder Erbseneiweiß ein gekauft, darunter tiefgekühlte und gekühlte aus Supermärkten und Discountern sowie fertig zubereitetes Fast Food von McDonald’s und Burger King.
- Vegane Nuggets sind frei von Tierleid. Leider schneiden sie im Testergebnis Inhaltsstoffe im Schnitt schlechter ab als die Produkte mit Hähnchenfleisch. Das größte Problem: Gefundene Mineralölbetsandteile.
- Insgesamt sieben der 17 veganen Nuggets im Test fallen mit "ungenügend" durch. Immerhin vier sind aber mit "gut" empfehlenswert. Mehr dazu: Vegane Nuggets im Test.
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 8/2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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