Tomatenmark: Schimmelpilzgifte in jedem zweiten getesteten Produkt

Jahrbuch Kinder und Familie für 2022 | Autor: Lena Wenzel/Katja Tölle/Johanna Michl | Kategorie: Essen und Trinken | 09.12.2021

Tomatenmark-Test: Schimmelpilzgifte in jeder zweiten Marke
Foto: ÖKO-TEST

Schimmelpilzgifte in Tomatenmark – das klingt nicht nur eklig. Dieses Testergebnis stellt möglicherweise auch ein Risiko für die Gesundheit dar. In jedem zweiten getesteten Tomatenmark sind Schimmelpilzgifte enthalten. Empfehlenswert mit Bestnote sind sieben überprüfte Produkte.

  • Jedes zweite Produkt im Test ist mit Schimmelpilzgiften belastet. Auffällig: Besonders stark betroffen sind drei Bio-Produkte. 
  • Auch bedenkliche Pestizide sind teils ein Problem in Tomatenmark im Test. 
  • Sieben Mal können wir Tomatenmark mit "sehr gut" empfehlen – darunter auch preiswertes Tomatenmark.

Aktualisiert am 09.12.2021 | Tomatenmark ist aus der schnellen italienischen Küche nicht wegzudenken. Doch bei der Auswahl in den Verkaufsregalen ist Vorsicht geboten: In der Hälfte der von uns getesteten Produkte stecken Schimmelpilzgifte – und zwar in Gehalten, die wir als "erhöht" oder sogar "stark erhöht" bewerten.

Klingt eklig? Ist es. Aber Ekel ist hier nicht das größte Problem. Bei den im Test entdeckten Schimmelpilzgiften handelt es sich um Alternariatoxine, speziell um Alternariol und Tenuazonsäure (TeA). Beide stellen ein mögliches Gesundheitsrisiko dar. 

Alternariatoxinen im Tomatenmark als Problem

Alternariatoxine sind Gifte von Schimmelpilzen. Schwärzepilze der Gattung Alternaria produzieren sie, daher der Name. Sie sind auf Pflanzen ziemlich weit verbreitet – sie können etwa in Nüssen, Getreide, Gewürzen, Obst und Gemüse wie eben Tomaten stecken.

Im Test haben die von uns beauftragten Labore zwei Formen entdeckt: Sowohl Alternariaol als auch Tenuazonsäure (TeA) sind bedenklich, Alternariol aber noch einmal mehr: Es wirkt "in vitro genotoxisch", hat also in Zellstudien das Erbgut geschädigt. TeA hat in Tierversuchen die Bildung körpereigener Proteine gehemmt, was erst einmal harmlos klingt, aber zu Organschäden führen könnte.

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Keine echten Grenzwerte für Schimmelpilzgifte

Jetzt sollte man meinen: Wenn das so ernst ist, dann gibt es auch Grenzwerte. Dann tut die Politik etwas dagegen. Von echten Grenzwerten ist die Politik allerdings noch weit entfernt. Die EU-Kommission plant gerade "Richtwerte", nach denen Unternehmen sich, wie der Name schon sagt, richten können – oder eben auch nicht.

Für das "oder eben auch nicht" haben sich insgesamt vier Hersteller entschieden. In drei Bio-Produkten stecken Alternariatoxine in einer Höhe, die die geplanten Richtwerte für verarbeitete Tomatenprodukte überschreiten. Ein weiteres Tomatenmark im Test übersteigt sogar beide Richtwerte für Alternariol und TeA deutlich.

Bedenkliche Pestizide in Tomatenmark im Test  

Unser zweiter Kritikpunkt: In fünf Produkten stecken Spuren von besonders bedenklichen Pestiziden. Gefunden haben wir:  

  • Chlorfenapyr und Imidacloprid: Beide Pestizide sind bienentoxisch.
  • Dimethomorph: Steht in Verdacht, die menschliche Fortpflanzung zu beeinträchtigen.  
(Foto: ÖKO-TEST )

Woher kommen die Tomaten im Tomatenmark? 

Jetzt zur Herkunft. Die meisten Produkte schmücken sich in den italienischen Nationalfarben viele Hersteller schreiben zudem auf die Verpackungen, dass sie nur Tomaten aus Italien verwenden. Weil das zieht. Weil wir Verbraucherinnen und Verbraucher Wert drauf legen, dass unser Olivenöl, unsere Spaghetti und eben unser Tomatenmark aus Bella Italia stammen.

Die Firmen profitieren von dieser Verbrauchererwartung. Und das ist völlig legitim – wenn die Tomaten wirklich aus Italien stammen. Das haben wir per Isotopenanalyse untersuchen lassen. Zudem haben wir die Hersteller gebeten, uns die Lieferkette transparent nachzuweisen.

Das Ergebnis: Tatsächlich kommen fast alle Tomaten aus Italien. In drei Fällen deutet die Analyse allerdings auf die Herkunft Spanien oder Marokko hin. Übrigens; Sind auf der Verpackung die italienischen Nationalfarben abgedruckt, ist das laut einer EU-Verordnung nur erlaubt, wenn die Tomaten tatsächlich aus Italien stammen oder auf der Verpackung steht, dass dem eben nicht so ist.

Tomatenmark im Test: Woher stammen die Tomaten, die für die Produktion verwendet werden?
Tomatenmark im Test: Woher stammen die Tomaten, die für die Produktion verwendet werden? (Foto: Miguel Angel Gomez Ramos/Shutterstock)

Wie sehen die Arbeitsbedingungen vor Ort aus?

Die Arbeitsbedingungen auf den Feldern in Süditalien sind hart. In der sengenden Hitze arbeiten viele Migranten, oft illegale, für einen Hungerlohn. Sie leben teils in Gettos ohne fließend Wasser und Strom.

Wir wollten von den Herstellern wissen, ob sie sich wenigstens um bessere Arbeitsbedingungen bemühen. Dafür sollten sie die Lieferkette transparent offenlegen – denn nur, wer weiß, wo seine Tomaten herkommen, kann auch etwas bewirken. Zudem sollten sie uns mit Zertifikaten und Auditberichten, die sich an internationalen Sozialstandards orientieren, überzeugen.

In unserem Test Passierte Tomaten hatte das noch die Hälfte der (oft identischen) Hersteller verschlafen. Für das Tomatenmark sind nun alle aufgewacht und haben uns die Nachweise geschickt. Immerhin!

Schimmelpilzgifte auch in anderen Tomatenprodukten gefunden

Passierte Tomaten: Schimmelige Tomaten in jeder fünften Passata

Nicht nur bei Tomatenmark sind wir auf Schimmelpilzgifte gestoßen. Im Frühjahr haben wir passierte Tomaten im Labor untersuchen lassen. Ergebnis: Neun von 49 passierten Tomaten im Test hatten ein deutliches Problem mit Schimmelpilzgiften. Betroffen waren vor allem Bio-Marken. Immerhin schnitten aber auch 17 Passata mit Bestnote ab.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Jahrbuch für 2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2022 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

    Wir haben diese Produkte für Sie getestet

    Testverfahren

    Im Test: Tomatenmark. 20 Produkte sind in unserem Einkaufswagen gelandet, darunter ein-, zwei- und dreifach konzentriertes Tomatenmark. Acht stammen aus kontrolliert ökologischer Landwirtschaft.

    Die von uns beauftragten Labore untersuchten das Tomatenmark auf Schimmelpilzgifte, Rückstände von Pestiziden, Ergosterol und Lycopin. Letzteres ist ein Qualitätsparameter, der anzeigt, dass der Hersteller reife und wenig grüne Tomaten verwendet hat. Hier hatten wir nichts zu bemängeln. Ergosterol hingegen ist ein Indikator, der darauf hinweist, dass teils nicht mehr ganz frische Tomaten verarbeitet wurden. Erstmals haben wir in diesem Test auch die Isotopenanalyse eingesetzt, um Rückschlüsse auf die Herkunft der Tomaten zu ziehen.

    Zudem sollten die Hersteller die Lieferkette der Tomaten offenlegen. Weiterhin wollten wir von ihnen wissen: Bemühen sie sich wenigstens um bessere Arbeitsbedingungen auf den Feldern? Das sollten sie mit aussagekräftigen Nachweisen belegen. Denn: Transparenz ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich die Situation für die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Feldern in Süditalien bessert.

    Bewertungslegende 

    Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: Gehalte an Alternariatoxinen über den von der EU vorgeschlagenen Richtwerten für verarbeitete Tomatenprodukte von 500 μg/kg für Tenuazonsäure und /oder 10 μg/kg für Alternariol (in der Tabelle: jeweils "stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Tenuazonsäuregehalt, der den von der EU vorgeschlagenen Richtwert zu mehr als der Hälfte ausschöpft (in der Tabelle: "TeA erhöht"); b) ein in der EU nicht zugelassenes, bedenkliches Pestizid (hier: Chlorfenapyr) sowie ein weiteres bedenkliches Pestizid (hier: Imidacloprid) im Spurenbereich. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein besonders bedenkliches Pestizid im Spurenbereich (hier: Dimethomorph). Dimethomorph gilt laut ECHA als vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen; b) ein Ergosterolgehalt von mehr als 15 mg/kg Tomatentrockenmasse (in der Tabelle "Ergosterol erhöht"), wenn nicht schon für Alternariatoxine abgewertet wurde. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Bestimmungsgrenze der jeweiligen Testmethode.

    Bewertung Testergebnis Transparenz: Unter dem Testergebnis Transparenz führt zur Abwertung um eine Note: für die Herkunft der Tomaten in der untersuchten Charge konnte per Isotopenanalyse das vom Anbieter mitgeteilte Herkunftsland Italien nicht bestätigt werden. Anhand von Lieferscheinen und anderen von Anbieter und / oder Hersteller gesendeten Dokumenten wurde die Herkunft aus Italien belegt. Als Nachweise für die Bemühung um faire Arbeitsbedingungen werteten wir Zertifikate der Sozialstandards SA8000 und Social Footprint sowie Evaluierungsnachweise für Global Gap mit dem Zusatz GRASP; außerdem Auditberichte bzw. die nachgewiesene Mitgliedschaft für das Kontrollinstrument Sedex/SMETA – jeweils bezogen auf den genannten Verarbeitungsbetrieb und/ oder den/die Erzeuger. Die Nachweise sollten dem Herstellungsbetrieb und der Produktgruppe nachvollziehbar zuzuordnen sein.

    Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Die bildliche Darstellung einer italienischen Flagge in Herzform mit der Aufschrift "Prodotto in Italia" bei einem Produkt, deren Tomaten laut Isotopenanalyse (der von ÖKO-TEST untersuchten Charge) mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95 % nicht aus Italien stammen. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Deckeldichtung; b) Hinweis auf eine konventionelle Düngung bei einem Bio-Produkt.

    Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Transparenz bzw. ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Transparenz bzw. ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. "Gute" Testergebnisse Transparenz bzw. Weitere Mängel wirken sich nicht aus.  

    Testmethoden

    Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): Pestizide: nach DIN EN 15662: 2018, GC-MS/MS und LC-MS/MS. Lykopin: ASU L00.00-149:2014. Alternariatoxine: LC-MS/MS. Geprüft wurde auf Alternariol, Alternariolmonomethylester, Altenuen, Tentoxin, Tenuazonsäure (TEA). Ergosterol: LC-MS/MS. Brix: ASU L 26.11.03-1:1983. Trockenmasse: ASU L 52.01.01-1:1983. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse. Stabilisotopenanalyse: Analyse der Isotope 2H, 18O, 13C, 15N, 34S und Vergleich mit laborinterner Datenbank. Aufgrund der prozessbedingten Aufkonzentrierung des Tomatenmarks wurde die Bewertung anhand der 2H und der 18O Isotopenwerte der Organik durchgeführt. Die Organik wurde sowohl polar als auch apolar extrahiert.  

    Einkauf der Testprodukte: März und April 2021 

    Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Jahrbuch für 2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2022 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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