Erst kam das Beben, dann die Welle, schließlich die Explosion. Die Katastrophe von Fukushima hat den Mythos von der technischen Beherrschbarkeit der Atomenergie endgültig zerstört. Nach Tschernobyl ist nun zum zweiten Mal innerhalb von 25 Jahren jenes "Restrisiko" eingetreten, das die Atombefürworter eigentlich nur theoretisch für möglich gehalten hatten. Ein Ereignis, das rein statistisch vielleicht einmal in Hunderttausenden oder Millionen von Jahren zu erwarten sei.
Und dann das: Rund um den Globus flimmert der Super-GAU live über die Fernsehschirme. Die Menschen sitzen in ihren Wohnzimmern und erleben fassungslos, wie im AKW Fukushima ein Reaktorgebäude nach dem anderen explodiert. Feuer bricht aus, es gibt keine Wasserzufuhr und keine Stromversorgung. Die Notstromaggregate können nicht angeschlossen werden, weil angeblich ein Kabel fehlt. Die Börse stürzt ab, während die Strahlung steigt. Experten erklären, dass die Kernschmelze wahrscheinlich längst begonnen hat, möglicherweise sogar unter freiem Himmel. Und Tokio ist nur 270 Kilometer entfernt. Ausländische Journalisten fliehen schon aus der Stadt, aber es ist undenkbar, die 35-Millionen-Metropole zu evakuieren.
Ungläubig verfolgt die Öffentlichkeit die improvisierten Rettungsversuche an den havarierten Reaktoren. Es sind Maßnahmen, die man in keinem Handbuch finden kann: Hubschrauber starten zum Löscheinsatz. Feuerwehrmänner versuchen verzweifelt, die qualmenden Atomruinen mit Wasserwerfern zu kühlen. Unmengen von Meerwasser werden in die kochenden Reaktoren geschüttet und anschließend als flüssiger Strahlenmüll direkt wieder in den Pazifik geleitet. Die Folge: An den glühenden Brennstäben bildet sich eine Salzkruste, die die Kühlung immer weiter erschwert. Schließlich schafft die amerikanische Marine das dringend benötigte Süßwasser mit Tankschiffen heran.
Inzwischen trieft, sickert und schwappt es überall in den Fluren und Schächten der Atomanlage. Und teilweise strahlt das verseuchte Wasser so extrem, dass ein Leck im Reaktorkern befürchtet werden muss. Die Betreiber wissen das, nicht aber die drei Techniker, die im Keller des Turbinengebäudes ein neues Stromkabel verlegen wollen. Mit Taschenlampen tappen sie eine dreiviertel Stunde lang durch die radioaktive Brühe und erleiden schwere Verbrennungen an den Beinen. Sie waren ohne Gummistiefel unterwegs, weil ihre Vorgesetzten von der Tokyo Electric Power Company (Tepco) vergessen hatten, sie zu warnen.
Der Vorgang passt ins Bild eines Atomkonzerns, der wegen seiner Schlampereien seit Jahren im Zwielicht steht. Das Unternehmen ist nicht einmal in der Lage, die Nothelfer mit genügend Dosimetern zu versorgen. Und während die Rettungsmannschaften vor Ort ihr Leben riskieren, flüchtet sich der Tepco-Chef erst einmal ins Krankenhaus. Diagnose: Bluthochdruck und Schwindelgefahr.
Es war das Erdbeben, nicht der Tsunami
Was in den Stunden und Tagen nach der verhe...