Sage keiner, es werde nicht wirklich mit Hochdruck an der künftigen Energieversorgung in Deutschland gearbeitet. Mit etlichen Hundert Bar wurden am 27. Juli in Groß Leesen, einem Ortsteil der Kleinstadt Sulingen, 50 Kilometer südlich von Bremen, große Mengen Flüssigkeit in ein Bohrloch gepresst. Mit ihrer Hilfe ließen es die Arbeiter der Firma Exxon Mobile in rund 2.500 Meter Tiefe ordentlich krachen. Dank des hohen Drucks bildeten sich im Buntsandstein, der sich dort unter dem nordwestdeutschen Tiefland erstreckt, viele Risse und Klüfte. Durch sie soll dem Bohrloch mit der Bezeichnung Buchholz T 12 neues Erdgas zuströmen - frischer Wind für eine Energiezapfstelle, die bereits seit 40 Jahren in Betrieb und zwischenzeitlich einigermaßen erschöpft war.
Die knapp 50 Minuten dauernde Operation war das vorerst jüngste deutsche Beispiel dafür, wie Gaskonzerne auf der Suche nach neuen Reserven die Lagerstätten künftig im Wortsinn unter Druck setzen und damit auspressen wollen. In der Regel kann man sich die Förderung von Erdgas ähnlich wie eine Fahrradpanne vorstellen: Die niedergebrachte Bohrung gleicht einem Nagel, der sich in den Reifen drückt; das unter Druck stehende Erdgas zischt wie die Luft aus dem Gummischlauch von selbst nach außen. Allerdings gibt es auch umfangreiche Vorräte, bei denen das Gas in undurchlässigem Gestein eingeschlossen ist. Erst, wenn dieses zertrümmert wird, entweicht der Rohstoff.
Importe werden für USA überflüssig
Um derlei "Frakturen" herzustellen, wird das Gestein faktisch wie ein bis zum Platzen gefüllter Reifen aufgepumpt - wenn auch nicht mit Luft, sondern mit Flüssigkeit. Die Technologie heißt "Hydraulic Fracturing", kurz: Fracken. Sie erschließt enorme Mengen an zusätzlichem Erdgas, frohlocken Befürworter. Sie birgt enorme Risiken, sagen Gegner, die vor allem um das saubere Trinkwasser fürchten. Bürgerinitiativen machen mobil; Landesministerien geben Studien in Auftrag; in diesem Herbst befasst sich der Bundestag in einer Anhörung mit dem Thema. Das Erdgas aus den sogenannten unkonventionellen Lagerstätten enthält nicht nur viel Energie; es liefert gleichzeitig enormen Zündstoff - zunehmend auch in Deutschland.
Grund dafür ist, dass große Gasförderer auch in der Bundesrepublik und anderswo in Europa fieberhaft an der Erkundung solcher Lagerstätten arbeiten, bei denen das Erdgas entweder in festem Gestein (tight gas), Schieferschichten (shale gas) oder Kohleflözen eingeschlossen ist. In den USA werden diese Ressourcen bereits seit einigen Jahren angezapft; seit 2005 gibt es einen regelrechten Boom - mit weitreichenden Folgen: Die Vereinigten Staaten decken bereits zehn Prozent ihres Bedarfs auf diesem Wege und sind so von Importen unabhängig geworden. Bis 2030 könnte sich die Fördermenge nach Prognosen der Energy Information Agency (EIA) auf 170 Milliarden Kubikmeter verdreifachen. Dann würde ein Viertel der Gasproduktion aus sogenannten unkonventionelle...