Rund 75 Prozent der Bundesbürger haben Angst davor, im Alter nicht mehr ohne fremde Hilfe auszukommen und zu einem Pflegefall zu werden. Das ergibt jedenfalls eine repräsentative Umfrage unter 4.000 Bürgern, die TNS Emnid im Auftrag der Allianz durchgeführt hat. Die Angst vor körperlichen oder geistigen Einschränkungen bewegt die Deutschen nicht ohne Grund: Die Bürger werden immer älter und mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Schon heute sind in Deutschland rund zwei Millionen Menschen pflegebedürftig. 2010 werden es nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2,4 Millionen sein, für 2020 werden drei Millionen erwartet.
Die gesetzliche oder private Pflegepflichtversicherung trägt aber längst nicht alle Kosten, sondern bietet bestenfalls eine Grundversorgung. Erstattet werden im Pflegefall nur bestimmte Höchstbeträge, die sich an der jeweiligen Pflegestufe orientieren. Für eine umfassende und qualitativ gute Versorgung reicht die Leistung der staatlich organisierten Pflegepflichtversicherung daher vorn und hinten nicht. Wer weder dem Sozialamt noch seiner Familie auf der Tasche liegen will und auch kein ausreichend großes Vermögen besitzt, kommt daher nicht umhin, mithilfe einer freiwilligen Pflegezusatzversicherung für den Ernstfall vorzusorgen.
Die Pflegekostenversicherung, die nur von wenigen Versicherern angeboten wird, übernimmt grundsätzlich nur die tatsächlich anfallenden Pflegekosten. Die Leistung ist also in der Regel zweckgebunden. Anders beim weitverbreiteten Pflegetagegeld. Hier zahlt der Versicherer einen fest vereinbarten Tagessatz, wenn der Versicherte zum Pflegefall wird. Über das Geld kann der Versicherte meist frei verfügen. Bei der Pflegerente, die erst von neun Unternehmen angeboten wird, erhält der Versicherte monatlich eine zuvor fest vereinbarte Rente, die durch Überschusserträge möglicherweise noch aufgepolstert wird. Wie er das Geld einsetzt, bleibt ihm überlassen. Er kann daher ebenfalls frei entscheiden, wie er die Pflege organisiert: Ob er in der eigenen Wohnung, im Heim, in einer Einrichtung für betreutes Wohnen oder in einer Senioren-WG leben will.
ÖKO-TEST hat die privaten Zusatzversicherungen unter die Lupe genommen. Verglichen wurden die Leistungen und Preise für jeweils fünf Einstiegsalter (35, 45, 55, 60, 65 Jahre) von Männern und Frauen. Die Tabellen im Heft enthalten alle Ergebnisse für die Pflegerenten. Für das Pflegetagegeld und die Pflegekostentarife haben wir die Modellfälle Frau/Mann 35 Jahre hier aufgeführt. Die restlichen Modellfälle 45, 55, und 60 Jahre jeweils für Frauen und Männer können Sie im Internet unter www.oekotest.de abrufen.
Das Testergebnis
Den vollen Tagessatz gibt es zumeist erst in der Pflegestufe III. In den beiden ersten Pflegestufen wird nur ein Teil des Tagessatzes gezahlt. Der wird bei einigen Versicherern aber auf die volle Summe aufgestockt, falls eine stationäre Pflege im Heim erforderlich ist.
Wer sämtliche Restkosten bei ambulanter oder stationärer Pflege in allen drei Pflegestufen abgedeckt wissen will, muss darauf achten, dass der Tarif ausreichende Leistungen vorsieht. Dies ist in allen Modellfällen derzeit gegeben, wenn von dem vereinbarten Tagegeld (50 Euro) in Pflegestufe I wenigstens 30 Prozent, in Pflegestufe II 70 Prozent und in Pflegestufe III 100 Prozent gezahlt werden. Damit das Geld auch noch reicht, wenn die Pflegekosten weiter steigen, sollte der Tarif eine sogenannte Dynamik enthalten. Dann hat der Versicherte die Möglichkeit, den Tagegeldsatz bei Bedarf zu erhöhen, ohne sich einer erneuten Gesundheitsprüfung unterziehen zu müssen.
Ein derart guter Schutz muss nicht unbedingt teuer sein. Ein 35-jähriger Mann muss dafür im Minimum 11,95 Euro hinlegen, wie bei dem Tarif PET 50, den die AOK Rheinland/Hamburg zusammen mit der DKV aufgelegt hat. Der Tarif bietet einen "hohen" Leistungsumfang.
Bei den anderen 13 Anbietern mit guter Leistung müssen auch 35-Jährige etwas tiefer in die Tasche greifen.
Für Frauen ist Pflegetagegeld rund 30 bis 70 Prozent teurer. Die längere Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts schlägt sich in den Prämien nieder. Der erstklassige Tarif der Provinzial Hannover kostet eine 35-jährige Frau pro Monat knapp 20 Euro.
Nur wenige Versicherer, aber eine große Auswahl an Tarifen bestimmen das Bild bei den Pflegekostentarifen. Fast jedes Unternehmen hat günstige und leistungsschwache, aber auch teure und leistungstarke Tarife im Angebot.
Auch Pflegerenten gibt es nur von wenigen Anbietern, die wiederum unterschiedlich leistungsstarke Tarifvarianten im Angebot haben. Der Tarif Pflegevorsorge Exclusiv des Volkswohlbund beispielsweise leistet in allen drei Pflegestufen, der Basis-Tarif sichert nur das höchste Risiko. Er wird von uns als leistungsschwach eingestuft. Wer jedoch die Mehrkosten in den beiden ersten Pflegestufen selbst tragen kann, bekommt mit dem Basis-Tarif eine kostengünstige Risikoabsicherung.
Ein Sonderfall ist die Gothaer PflegeRent Invest. Sie zahlt eine monatliche Rente, wenn der Versicherte ein schwerer Pflegefall wird. Die Besonderheit ist, dass die Beiträge in einem Fonds an der Börse angelegt werden. Gegenüber herkömmlichen Produkten, die nicht durch Aktienerträge finanziert werden, ist die Versicherung bei frühzeitigem Abschluss deutlich günstiger. So zahlt eine 35-jährige Frau für eine Monatsrente von 1.500 Euro pro Monat einen Beitrag von 51 Euro, ein gleich alter Mann 46. Allerdings wird das Produkt bei Einstieg im hohen Alter extrem teuer. Dafür erhalten die Erben bei Tod des Versicherten die gezahlten Beiträge zurück. Das gilt, egal ob der Versicherte vorher ein Pflegefall war oder nicht. Stirbt er ohne Pflegeleistungen zu beanspruchen, bekommen die Erben sogar das Fondsvermögen, sofern es höher ist als die eingezahlten Beiträge. Allerdings gilt der Schutz lebenslang nur dann, wenn die Fonds jedes Jahr eine Rendite von 7,5 Prozent abwerfen. Andernfalls müssen Kunden damit rechnen, dass ihr Schutz frühzeitig erlischt. Entwickelt sich der Fonds für eine Frau, die mit 45 Jahren eingestiegen ist, nur mit sechs Prozent, dann reicht der Schutz bei gleicher Beitragszahlung nur bis zum 86. Lebensjahr; bei einer Wertentwicklung von drei Prozent nur bis zum 80. Lebensjahr. Ein 45-jähriger Mann hätte nur Schutz bis zum 86. bzw. bis zum 78. Lebensjahr. Läuft die Börse schlecht, teilt die Gothaer nach fünf Jahren erstmals mit, ob die Verzinsung für lebenslangen Schutz ausreicht. Ist das nicht der Fall muss der Versicherte bereits zu diesem Zeitpunkt entweder höhere Beiträge zahlen oder seinen Schutz reduzieren. Wer den lebenslangen Schutz in voller Höhe bei schlechter Fondsentwicklung aufrechterhalten will, weiß heute also nicht, wie viel er dafür zahlen müsste. Das auszurechnen "wäre ein Aufwand für eine Doktorarbeit", so der zuständige Produktmanager Carsten Hölzemann. Wird ihnen der Schutz zu teuer, müssen die Kunden bei einer Kündigung damit rechnen, dass sie kein Geld zurückbekommen. Erstattet wird nämlich nur der Zeitwert des Fonds nach Abzug der Kosten. Die Kunden sind somit immer voll dem Kursrisiko ausgesetzt. In unserer Tabelle haben wir das Produkt daher nicht bewertet.