Gerhard Schick im Interview: "Finanzberater sind keine Berater, sondern Verkäufer"

Magazin Februar 2021: Gute Milch | Autor: Jochen Bettzieche | Kategorie: Geld und Recht | 19.02.2021

Finanzberater gibt es viele, aber welcher ist der richtige?
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Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, erklärt, worauf man bei der Wahl eines Finanzberaters achten muss und wo die Nachteile des provisionsgesteuerten Vertriebs von Anlageprodukten liegen.

Gerhard Schick ist Grünen-Politiker und Gründungsmitglied und Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, die sich für eine fairere, gerechtere und nachhaltigere Finanzwirtschaft einsetzt. Im Interview verrät er, was er an der provisionsbasierten Finanzberatung kritisiert und wo für ihn die Alternativen liegen.

Finanzberater suchen: Honorarberater sind die bessere Wahl

ÖKO-TEST: Herr Schick, Sie kritisieren, dass weite Teile der Finanzbranche ihren Kunden Produkte andrehen, die sie nicht brauchen. Wie findet man denn einen Finanzberater, dem man vertrauen kann?

Gerhard Schick: Wie ein Anwalt und ein Steuerberater sollten auch Finanzberater nur im Interesse ihrer Mandanten tätig sein. Das ist der Vertrieb in Banken und Sparkassen, aber auch von vielen freien Vermittlern nicht. Hier steuern Provisionen, die sie von den Anbietern der Produkte erhalten, was sie ihren Kunden verkaufen. Es mag zwar auch gute und seriöse Provisionsberater geben, aber besser ist es, sich einen Honorarberater zu ­suchen, der keinerlei Vergütung von den Produktanbietern erhält. Denn eine echte Beratung erhält nur, wer sie aus der eigenen Tasche bezahlt. Aber auch da sollte man nicht den Erstbesten nehmen.

Sondern?

Schick: Auf Qualifizierung achten. Es gibt große Unterschiede zwischen Beratern, die nur einen Wochenendkurs belegt haben, und solchen, die eine anspruchsvolle Ausbildung zum Certified Financial Planner absolviert haben. Wichtig sind auch die vertraglichen Details. Es gibt verschiedene Vergütungsmodelle.

Und die wären?

Schick: Manche arbeiten mit erfolgsabhängigen Vergütungen, manche mit Stundensätzen, manche mit einer Kombination davon.

Wo liegen denn die Stundensätze eines Honorarberaters?

Schick: Ich würde mit 100 Euro aufwärts rechnen.

Gerhard Schick, hier in seiner letzten Rede als Abgeordneter im Bundestag Ende 2018, ist Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende und fordert, dass die Beratung und der Verkauf von Finanzprodukten klar getrennt werden.
Gerhard Schick, hier in seiner letzten Rede als Abgeordneter im Bundestag Ende 2018, ist Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende und fordert, dass die Beratung und der Verkauf von Finanzprodukten klar getrennt werden. (Foto: Christoph Soeder / picture alliance/dpa)

Lohnt sich das denn, wenn man nur 5.000 Euro anlegen oder einen Fondssparplan mit einer Rate von 50 Euro pro Monat abschließen will?

Schick: Eine ausführliche Honorarberatung ist vor allem sinnvoll, wenn sich die Lebensumstände ändern, also beispielsweise beim Eintritt ins Berufsleben. Da wird dann unter anderem geklärt, wie die langfristige Anlagestrategie aussehen soll. Aber auch bei den erwähnten Beträgen kann es sinnvoll und vor allem günstiger als beim provisionsgesteuerten Vertrieb sein. Angenommen, Sie schließen eine Lebensversicherung ab, bei der sie 30 ­Jahre lang pro Monat 100 Euro zahlen. Das sind insgesamt 36.000 Euro. Beträgt die Provision vier Prozent, sind das 1.440 Euro. War das wahrscheinlich eher kurze Verkaufsgespräch das wert?

In Ihrem Buch "Die Bank gewinnt immer" stellen Sie die Methoden des provisionsgesteuerten Vertriebs auf eine Ebene mit der Nigeria-Connection und der Enkeltrick-Mafia – beides Betrugsmaschen. Das ist hart. 

Schick: Ja, das ist hart, aber in allen drei Fällen verliert die Zielgruppe unnötig Geld.

Wie unterscheidet sich denn die Vorgehensweise des Honorarberaters davon?

Schick: Der wichtigste Punkt ist, dass der Honorarberater nichts verkaufen muss. Der kann auch mal empfehlen, mit einer Investition abzuwarten, weil die Rahmenbedingungen schlecht sind.

Und das macht der provisionsorientierte Berater nicht?

Schick: Selten, denn der ist ja eigentlich kein Berater, sondern ein Verkäufer. Er generiert nur Einkommen, wenn er Produkte an die Person bringt. Das ist so, als würde man sich von einem Anwalt vertreten lassen, der für die Gegenseite arbeitet, oder ­einem Arzt vertrauen, der bei einem Pharma­unternehmen angestellt ist. Wer sich nicht auskennt, läuft Gefahr, gnadenlos ausgenommen zu werden.

Fonds, Lebensversicherung, ETF - die Auswahl an Finanzprodukten ist groß.
Fonds, Lebensversicherung, ETF - die Auswahl an Finanzprodukten ist groß. (Foto: jesterpop/Shutterstock)

Bestandsprovision verringert die privaten Anlage

Geben Sie doch mal ein Beispiel, das die Funktionsweise dieses Systems erklärt. 

Schick: Nehmen wir einen aktiv verwalteten Aktienfonds. Da beträgt der Ausgabeaufschlag in der Regel fünf Prozent. Wenn jemand 1.000 Euro investieren will, sind das genau 50 Euro. Die bekommt der Arbeitgeber des Vermittlers, und der erhält davon meist ebenfalls einen Anteil im Rahmen der flexiblen Komponente seines Gehalts. Der Kunde legt dann tatsächlich nur 950 Euro an. Und während der Laufzeit fließt Jahr für Jahr im Rahmen der Gebühren weiterhin ein Teil des angelegten Geldes an den Vertrieb; das heißt dann Bestandsprovision. Schlimmer noch, die Mitarbeiter im Finanzvertrieb bekommen oft vorgeschrieben, welche Produkte sie verkaufen sollen. Das kann sich schon von der einen zur nächsten Woche ändern. Durch all diese Faktoren liegen in einem Portfolio, das der Vertrieb zusammenstellt, ganz andere Produkte als in einem, das Ihnen ein Honorarberater empfiehlt.

Welche sind das?

Schick: Aktiv verwaltete Fonds, kapitalgebundene Lebensversicherungen, geschlossene Fonds und andere Angebote vom grauen Kapitalmarkt, Zertifikate – damit verdient die Finanzbranche beim Verkauf viel Geld. Honorarberater setzen eher auf kostengünstige Produkte wie ETF.

Da werden Anleger bei nachhaltiger Geld­anlage aber Probleme bekommen. ETF sind in diesem Bereich selten, vor allem solche mit harten Kriterien.

Schick: Richtig, da haben wir nicht die volle Produktpalette. Auch bei den Versicherungen fehlen einige. Sein Geld in diesem Bereich komplett ethisch-ökologisch und kostengünstig einzusetzen, wird erst gehen, wenn es ein volles Produktfeld gibt. Im Grunde genommen haben wir hier zwei Gegenbewegungen gegen die etablierte Finanzwelt: Die Honorarberater kommen aus der Ecke des Verbraucherschutzes, die auf Nachhaltigkeit spezialisierten Berater aus der ethisch-ökologischen Ecke. Es wird Zeit, dass die zueinander finden.

Ein Schwachpunkt vieler ETFs: Das Angebot an nachhaltigen Geldanlagen ist bisher eher dünn.
Ein Schwachpunkt vieler ETFs: Das Angebot an nachhaltigen Geldanlagen ist bisher eher dünn. (Foto: wk1003mike/Shutterstock)

Wie gut ist der auf Nachhaltigkeit spezialisierte, provisionsgesteuerte Vertrieb?

Es gibt einige sehr gute Vermittler, aber das Geschäft basiert nun mal auf Provi­sionsbasis. Daher haben wir die gleichen Probleme wie beim konventionellen, provisionsgesteuerten Vertrieb.

Bürgerbewegung Finanzwende fordert klare Trennung von Beratung und Verkauf

Sie warnen auch vor Beratern aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.

Das ist eine in Deutschland weit verbreitete Masche. Häufig findet der Vermittler den Kunden und nicht umgekehrt. Das kann ein Nachbar sein, ein Bekannter aus dem Sportverein oder aus der Kirche, ein Kommilitone an der Universität oder, oder, oder. Der Strukturvertrieb setzt das gezielt ein – da ist Vorsicht angesagt. Genauso bei ­einem Vertrieb, der nicht gleich offensichtlich als solcher auftritt.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

MLP kooperiert mit Universitäten und führt teils in deren Räumlichkeiten Seminare durch. Diese werden nicht von Hochschuldozenten gehalten, sondern von Mitarbeitern von MLP. Sie dienen dem Konzern dazu, Kontakte zu knüpfen und am Ende Finanzprodukte zu verkaufen. Im Vordergrund steht nicht der tatsächliche Bedarf der Studierenden, sondern die Provision des Vermittlers. Wir fordern daher: MLP – runter vom Campus. Und langfristig für die ganze Branche eine klare Trennung von Beratung und Verkauf.

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