Unverantwortlich: In Kinderzahnpasta steckt immer noch Titandioxid

Jahrbuch Kinder und Familie für 2024 | Autor: Hanh Friedrich/Lena Wenzel | Kategorie: Kinder und Familie | 07.12.2023

Kinderzahnpasta-Test: Welche Kinderzahncremes überzeugen?
Foto: ÖKO-TEST; Lena Ogurtsova/Shutterstock

Es ist enttäuschend: Vier Baby- und Kinderzahnpasten im Test enthalten immer noch Titandioxid. Der Stoff ist in Lebensmitteln verboten, da nicht auszuschließen ist, dass er erbgutschädigend sein könnte. Wir finden: In Kinderzahncreme, die verschluckt werden kann, hat Titandioxid genauso wenig zu suchen. 

  • Im Test: 28 Kinderzahncremes, ausgelobt für Kinder bis maximal sechs Jahre. Darunter befinden sich zehn zertifizierte Naturkosmetikprodukte und neun ohne Fluorid.
  • Fünf Produkte sind mit "sehr gut" rundum empfehlenswert. 
  • Unverantwortlich: In vier Kinderzahncremes steckt immer noch das in Lebensmitteln inzwischen verbotene Titandioxid, darunter sind große Marken.

Aktualisiert am 7.12.2023 | Die Erfahrung lehrt: Beim Zähneputzen verschlucken Kinder Zahnpasta – kleine Kinder mehr, große Kinder weniger. Darum haben wir kein Verständnis dafür, dass vier von 28 Kinderzahncremes im Test den problematischen weißen Farbstoff Titandioxid enthalten. Der Stoff steht schon seit bald zwei Jahren in der Kritik, weil sich nicht ausschließen lässt, dass er das Erbgut schädigt.

Titandioxid in Kinderzahnpasta: Warum ist das problematisch?

In Lebensmitteln ist Titandioxid seit August 2022 verboten, weil die zuständige Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) es aufgrund einer möglichen erbgutverändernden Wirkung nicht mehr als sicher einstufen konnte.

Auch für oral aufgenommene Kosmetikprodukte wie Zahnpasta kann das wissenschaftliche Beratergremium der EU-Kommission für Verbrauchersicherheit (SCCS) in einer aktuellen Einschätzung eine erbgutverändernde Wirkung nicht ausschließen und fordert weitere Forschung, insbesondere zur Aufnahme von Titandioxid über die Mundschleimhaut.

Wir meinen: Der Stoff hat in Kosmetika, die verschluckt werden können, nichts mehr zu suchen und empfehlen: Raus damit!

In Kinderzahnpasta hat Titandioxid nichts verloren.
In Kinderzahnpasta hat Titandioxid nichts verloren. (Foto: Ground Picture/Shutterstock)

Blei in einer Kinderzahnpasta im Test gefunden

Ebenfalls hoch problematisch: Blei in Kinderzahnpasta. Das von uns beauftragte Labor ist einmal im Test darauf gestoßen. Das Schwermetall ist für Kinder besonders gefährlich, es kann das Gehirn schädigen.

Natürlich ist Blei keine erlaubte Zutat für Kosmetik. Allerdings können andere erlaubte, natürliche Bestandteile mit Blei verunreinigt sein. Die Behörden tolerieren deshalb geringe Bleigehalte in Zahnpasta mit mineralischen Bestandteilen. Der gemessene Gehalt lag jedoch oberhalb dessen, was das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als technisch unvermeidbare Spuren ansieht.  

Ein Stoff, der aus unserer Sicht auch nicht in eine Zahnpasta gehört, ist Maltodextrin. Er entsteht aus dem Abbau von Stärke und begünstig Karies. Maltodextrin steckt in einer Zahnpasta im Test.

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Kommen wir zum Thema Fluorid. Unter der Federführung des Expertennetzwerks "Gesund ins Leben" haben sich Kinderärzte und Kinderzahnärzte nach jahrzehntelangem Streit über die Art der Fluoridgabe endlich auf gemeinsame Empfehlungen geeinigt und diese im April 2021 veröffentlicht.

In ihrem aktuellen Konsensuspapier zur "Kariesprävention im frühen Säuglings- und Kindesalter" empfehlen sie, Säuglingen vor dem Durchbruch des ersten Zähnchens täglich eine Kombinationstablette mit 0,25 mg Fluorid und 400 bis 500 I.E. Vitamin D zu geben.

Ab dem ersten Zahn dann entweder mit einer Zahncreme mit 1.000 ppm Fluorid putzen und Vitamin D ohne Fluorid geben – oder noch bis zum Alter von zwölf Monaten bei den Kombitabletten und fluoridfreier Zahncreme bleiben.

Kinderzahnpasta mit Fluorid oder Fluoridtabletten?

Daran orientieren auch wir uns in unserer Bewertung. Fluoridtabletten in Kombination mit fluoridfreier Zahncreme sind danach im ersten Lebensjahr weiterhin möglich, ab dem Alter von zwölf Monaten empfehlen die Experten aber Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahncreme. Diesen Hinweis würden wir gern auf fluoridfreien Zahncremes sehen – die Produkte im Test tragen ihn aber nicht.

Auch der aus unserer Sicht auf fluoridfreien Zahncremes wichtige Hinweis, dem Baby anderweitig die passende Menge Fluorid zu geben, fehlt auf vier Produkten. Die Fachleute empfehlen für Kinderzahncreme von null bis sechs Jahren zudem einen Fluoridgehalt von 1.000 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg oder ppm). Eine geringere Fluoridkonzentration von 500 ppm erachten wir deshalb als überholt.

Anbieter legen Mica-Lieferkette nicht offen

Was ist außerdem aufgefallen? Auf den Verpackungen zweier Produkte im Test ist Mica deklariert. Das Mineral, auch Glimmer genannt, lässt Zahncreme glitzern. Allerdings werden für dessen Abbau oft Kinder ausgebeutet. Keiner der Hersteller hat auf unsere Anfrage hin die Lieferkette bis zurück zur Mine offengelegt. Kinderarbeit können wir so nicht ausschließen.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Spezial Mein Baby 2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 28 Kinderzahncremes, ausgelobt für Kinder bis maximal sechs Jahre, eingekauft, darunter zehn zertifizierte Naturkosmetikprodukte und neun ohne Fluorid. Da Fluorid wichtig zur Vorbeugung von Karies ist, haben wir im Labor untersuchen lassen, ob die Gehalte der Produkte mit Fluorid tatsächlich im deklarierten Bereich liegen – was bei allen der Fall ist. Die Handlungsempfehlung des bundesweiten Netzwerks "Gesund ins Leben" empfiehlt zur Kariesprävention Zahncremes mit 1.000 ppm Fluorid. Eine Fluoridkonzentration von 500 ppm kritisieren wir deshalb.

Die beauftragten Labore untersuchten die Zahncremes außerdem auf giftige Schwermetalle und umstrittene halogenorganische Verbindungen. Über die Deklaration erfassten wir den Einsatz des problematischen Farbstoffs Titandioxid, ferner von PEG/PEG-Derivaten, die die Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen können, sowie von Stoffen wie Maltodextrin, die kariogen wirken, und von synthetischen Polymeren, die wir aus Umweltschutzgründen kritisieren.

Für eine wirksame Zahnpflege sollten die Anbieter die Eltern auf der Verpackung gut informieren. Wir erwarten auf einer Zahncreme ohne Fluorid einen Hinweis, anderweitig Fluorid zu geben, und auf fluoridhaltiger Zahncreme wiederum einen Hinweis, nicht ohne ärztliche Rücksprache zusätzlich Fluorid zu geben. Zahnpasta im Tiegel oder in Tuben mit relativ großen Öffnungen ist schwer zu dosieren, das werten wir ab.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) ein gemessener Gehalt von mehr als 0,5 mg/kg Blei; b) Titandioxid. Zur Abwertung um zwei Noten führen: PEG/PEG-Derivate. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Maltodextrin; b) eine fluoridhaltige Zahncreme mit einem Fluoridgehalt unter 1.000 ppm, was nicht der aktuellen Empfehlung entspricht (Konsensuspapier "Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter – Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben", Monatsschrift Kinderheilkunde 169, 550–558 (2021), im Folgenden "Konsensuspapier").

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) bei einer fluoridhaltigen Zahncreme der fehlende Hinweis, bei zusätzlicher Aufnahme von Fluorid den Zahnarzt oder Kinderarzt zu befragen; b) ein fehlender Hinweis auf notwendige Fluoridgaben bei einer fluoridfreien Kinderzahncreme; c) auf unsere Nachfrage hin keine oder keine konkreten Angaben zu Herkunft, Hersteller und/oder Lieferkette des im Produkt eingesetzten Micas (CI 77019). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) eine fluoridhaltige Zahncreme ohne oder mit lückenhaften Dosierangaben und/ oder Hinweisen zur Häufigkeit des Zähneputzens in deutscher Sprache (vgl. "Konsensuspapier": ab Zahndurchbruch bis zum 1. Geburtstag: bis zu zweimal täglich mit reiskorngroßer Menge Zahncreme; ab dem 1. bis 2. Geburtstag: zweimal täglich mit reiskorngroßer Menge Zahncreme; ab dem 2. Geburtstag: zweimal täglich mit erbsengroßer Menge Zahncreme); b) ein fehlender Hinweis, dass spätestens ab dem 1. Geburtstag die Umstellung auf eine fluoridhaltige Zahnpasta erfolgen sollte (vgl. "Konsensuspapier") und/oder eine Produktauslobung, welche eine Anwendung der fluoridfreien Zahncreme über den 1. Geburtstag hinaus empfiehlt; c) keine Angabe, wie oft die Zähne geputzt werden sollten, bei einer Kinderzahncreme ohne bzw. mit nur 500 ppm Fluorid; d) Herkunft und Hersteller des im Produkt eingesetzten Micas (CI 77019) genannt, aber Lieferkette zurück bis zur Mine nicht ausreichend belegt, wodurch Kinderarbeit nicht ausgeschlossen werden kann; e) synthetische Polymere in der Rezeptur. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Umkarton, der kein Glas schützt und kein Zubehör (Fingerzahnbürste) enthält; b) ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage; c) eine Darreichungsform Tube bei einer fluoridhaltigen Zahncreme, bei der der Innendurchmesser der Tubenöffnung größer als sechs Millimeter ist, bzw. Darreichung in einem Schraubglas mit Spatel. Die kontrollierte Dosierung einer reis- bzw. erbsensgroßen Menge Zahncreme ist so nur erschwert möglich.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die von den Herstellern versprochenen Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.  

Testmethoden

Fluorid: nach §64 LFGB K 84.06.01-2; Modifizierung betrifft Säule und Temperaturprogramm), PV 01511 2018-07, GC-FID. Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Bestimmung mittels ICP-MS.
Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts; b) Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts.
Weitere Inhaltsstoffe: per Deklaration. Innendurchmesser Tubenöffnung: Messschieber.

Einkauf der Testprodukte: Oktober – November 2022, Februar 2023 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Spezial Mein Baby 2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

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