Beim Discounter einkaufen oder nicht: Das spaltet die ÖKO-TEST-Leserschaft. "Ich bin sehr froh, dass Sie auch Discounterprodukte testen, die es mir leichter machen, unsere Familie hier und da günstiger und trotzdem schadstoffarm zu versorgen", schreibt uns beispielsweise Natascha Jaskulla. "Es ist völlig realitätsfremd und uns rein finanziell überhaupt nicht möglich, eine vierköpfige Familie mit einem Gehalt auf rein ökologisch und politisch korrekte Art zu versorgen", erklärt sie weiter.
Petra Schepsmeier empört sich hingegen, wie Discounterwaren überhaupt "sehr gut" abschneiden können. "ÖKO-TEST macht mal wieder kostenlos Werbung für Filialisten und Discounter", schrieb sie uns nach dem Test Backdiscounter. Beim Brötchenkauf spiele für das Magazin keine Rolle, wer ein Lebensmittel herstellt, zu welchen Bedingungen und mit welchen Folgen für das Handwerk. Von Politik mit dem Einkaufskorb sei bei ÖKO-TEST schon lange keine Rede mehr.
Selbstverständlich spielen Herstellungs- und Handelswege, Mitarbeiterführung und Lieferantenbedingungen bei der Entscheidung über den Einkauf eine wichtige Rolle und wir berücksichtigen sie auch in der Berichterstattung. Es ist jedoch nicht möglich, detaillierte Informationen über die Bedingungen, unter denen die Ware produziert, gehandelt und verkauft wird, zu systematisieren und gleichberechtigt sowie juristisch wasserdicht zu beurteilen - und vor allem zu überprüfen. Deshalb konzentrieren wir uns bewusst auf das Testen von Schadstoff- und Qualitätsparametern, denn hier geht es um harte Fakten. Dass beispielsweise Bio-Lebensmittel nach ökologischen, sozialverträglichen Kriterien erzeugt werden, betonen wir immer wieder, wollen und müssen aber dem Verbraucher selbst die Entscheidung überlassen, welche Lebensmittel er kauft.
Spartanischer Erfolg
Die klassischen Erfolgsfaktoren der Discounter sind ein überschaubares Sortiment, eine schlichte Warenpräsentation, ein hoher Anteil an Eigenmarken, wenig Personal und wenig Werbung. Vorreiter war Anfang der 60er-Jahre Aldi, zehn Jahre später kamen Plus, Penny und Lidl hinzu, in den 80er-Jahren Netto. Zu Beginn ihrer Laufbahn hatten die Discounter nur zirka 250 Produkte im Sortiment, heute sind es bis zu zehn Mal so viele plus zahlreiche Nonfood- und Aktionsartikel bis hin zur Weltreise, die die unterschiedlichsten Zielgruppen ansprechen. Frische-, Bio- und Lightprodukte sind genauso hinzugekommen wie Gourmetprodukte. Betuchte Verbraucher holen sich Schampus, Serrano-Schinken, Straußensteak und Riesengarnelen auch schon mal gern zum kleinen Preis anstatt beim Feinkosthändler.
Seit der Jahrtausendwende sind die Marktanteile der Discounter jährlich um 1,7 Prozentpunkte von 32 auf 43 Prozent gestiegen. 2007 waren es allerdings nur noch 0,7 Prozentpunkte. Die Studie "Discounter am Scheideweg" der Unternehmensberatung Accenture und der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) prognostiziert nun ein Ende der fetten Jahre für die Discounter. Der demografische Wandel der Gesellschaft dürfte ihnen schon bald zu schaffen machen, denn die Bedeutung der Discounter als Einkaufsstätte nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab. Jüngere Menschen und Familien mit Kindern geben signifikant mehr Geld im Discounter aus als Ältere.
Dass Discounter den Qualitätsvergleich mit Super- und Verbrauchermärkten nicht zu scheuen brauchen, zeigen unsere Tests immer wieder. Diesmal haben wir Handelsmarken der Discounter - insgesamt 101 Lebensmittel aus 19 Lebensmittelgruppen - darunter Brühwürstchen, Joghurt, Mehl, Margarine, Honig, Kaffee, tiefgekühlter Fisch, Pommes und Pizza - auf den Prüfstand gestellt, um die Qualität der sechs umsatzstärksten Discounter zu vergleichen. Der Warenkorb ist nicht überall identisch, unter anderem deshalb, weil nicht alle Discounter alle Lebensmittelgruppen führen.
Das Testergebnis
"Sehr gut" und "gut" sind die am häufigsten vorkommenden Noten. Bei Aldi Nord und Lidl schaffen es zirka zwei Drittel der getesteten Produkte in den grünen Bereich. Im restlichen Testfeld gelingt das immerhin noch rund der Hälfte der Produkte. Mittelmäßige Testurteile machen bei allen Discountern mehr oder weniger ein Drittel der Lebensmittel aus. Richtige Ausreißer nach unten gibt es bei Aldi Nord, Lidl, Netto, Penny und Plus jeweils nur ein oder zwei, bei Aldi Süd gar keinen. Dafür sind die mittelmäßigen Noten dort am häufigsten vertreten. Häufig liegt es also eher am entsprechenden Lebensmittel als am Discounter, wie die Qualität der Produkte ist. Durchgehend "sehr gut" bekommen beispielsweise alle Mehle und Brühwürstchen. "Sehr gute" und "gute" Noten gibt es beim Frischkäse, überwiegend "gute" bei Toastbrot und Gewürzgurken.
Unter den schlecht beurteilten Produkten sind vier Energydrinks, die eine glatte Bruchlandung hinlegten. Sie stecken voller Zucker beziehungsweise Süßstoffe, enthalten teilweise bedenkliche Farbstoffe und hohe Gehalte an Taurin, einem körpereigenen Stoff, dem leistungssteigernde Effekte nachgesagt werden. Beweise für die positiven Effekte von Taurin gibt es allerdings nicht. Fünf Honige bekommen Punktabzug, weil sie gentechnisch veränderte Pollen enthalten; teilweise wiesen sie auch Qualitätsmängel auf. Die Bonita Frühstücks-Margarine von Penny und die Botato Backofen Frites von Plus schneiden schlecht ab, weil sie die tolerable Menge an dem Fettschadstoff 3-MCPD überschreiten, der möglicherweise nierenschädigend und tumorbildend ist.
Im Vergleich zu den anderen Pizzen fällt die Mamma Gina Pizza Edelsalami, 3 Stück von Netto ab, unter anderem, weil sie ihrem Namen keine Ehre macht. Die Sensorikexperten wunderten sich über einen großen Gemüseanteil. Der für den Salamifan überraschend kommende Vitaminschub wäre soweit noch nicht schlimm, wenn das Gemüse im gefrorenen Zustand nicht Schnee- und Eisbildung aufgewiesen und im gebackenen Zustand kleistrig-teigig geschmeckt hätte.
Nur mittelmäßig schneiden alle Erdbeerjoghurts und Balsamessige ab. Beim Kaffee scheiden sich am Acrylamidgehalt die guten Sorten von den schlechten. Contal Edle-Auslese, Röstkaffee von Penny und Cafèt Grande von Plus überschreiten den Signalwert für Röstkaffee. Ein erhöhter Acrylamidgehalt führt auch in den Pommes frites von Plus, Lidl und Aldi Süd zur Abwertung.
Der Rich Tomato Ketchup mild von Plus fällt im Testfeld negativ auf, weil er unnötige Aroma- und Süßstoffe enthält, aber wenig vom wertgebenden Inhaltsstoff Lycopin. Eddy Zaubermaus Schokotrunk geht's ähnlich, weil unnötigerweise Aromastoffe, Vitamine und Calcium sowie zu viel Zucker zugesetzt sind.
Skandal bei Lidl
Ende März 2008 wurde bekannt, dass Deutschlands zweitgrößter Discounter Lidl seine Mitarbeiter per Videokamera ausspähte. Nach dem vom Stern aufgedeckten Bespitzelungsskandal fuhr Lidl die Werbeaktivitäten nach oben, erstmals auch im Fernsehen. "Lidl lohnt sich" heißt der neue Werbeslogan, der nicht nur das Preisargument, sondern auch Qualitätsbewusstsein und soziale Verantwortung demonstrieren soll. Wie es damit in der Praxis aussieht, muss sich erst zeigen. Immerhin kommuniziert Lidl nun auf seiner Internetseite unter dem Menüfeld "Verantwortung" Engagement für Mitarbeiter, Lieferanten und den Umweltschutz.
Raue Sitten
Der Hersteller des mit "ungenügend" beurteilten Bambia Plüschhunds (ÖKO-TEST-Magazin 12/2008) wurde hingegen nach eigenen Angaben von Lidl gerügt, warum er mit ÖKO-TEST überhaupt reden würde. Anscheinend gefiel es Lidl gar nicht, dass so bekannt wurde, dass 122.000 dieser Hündchen als Aktionsartikel über die Ladentische des Discounters gingen. Auch eine sofortige Auslistung von Lieferanten nach der Mitteilung von unerwünschten Testergebnissen haben wir schon erlebt. Allerdings herrschen nicht nur bei Lidl raue Sitten. Ähnliches passiert auch bei anderen Discountern, Super- und Verbrauchermärkten.
Schnelle Reaktion
ÖKO-TEST macht mit den Discountern aber auch eine gute Erfahrung. Sie nehmen unsere Kritik ernst und verbessern ihre Produkte teilweise recht zügig, wenn es schlechte Noten gehagelt hat. So sind beispielsweise in den Kakaopulvern von Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl und Penny keine zugesetzten Aromen, Vitamine und Calcium mehr enthalten. Alle Chips werden neuerdings mit Sonnenblumenöl hergestellt, sodass der Fettschadstoff 3-MCPD keine Rolle mehr spielt.
Neuer Discountriese
Nach monatelanger Prüfung hat das Kartellamt entschieden: Edekatochter Netto darf 2.300 Filialen der Tengelmann-Tochter Plus übernehmen. Damit entsteht 2009 neben Aldi und Lidl ein neuer Discountriese. Der größte Teil der Plus-Filialen wird zu Netto umgeflaggt; rund 750 Plus-Märkte - vornehmlich in Innenstadtlage - werden aber weiterhin unter diesem Namen firmieren.