Ein Schinken ist ein Schweinepopo in seiner leckersten Form. Saftige Scheiben von zartrosa gepökeltem Fleisch, durchzogen von einer feinen weißen Maserung, umspielt von einem weichen Fettrand - das hat man vor Augen, wenn man sich die gekochte Delikatesse vorstellt.
Aber wo bekommt man wirklich überzeugende Qualität? Zum Beispiel bei Heinz Jansen. Seit 30 Jahren verarbeitet der Fleischer aus Köln nur Bio-Ware, macht "alles so, wie es auch früher gemacht wurde". Die Schweine kommen von Bauernhöfen aus der unmittelbaren Umgebung. Auf Zusatzstoffe, die das Wasser beim Kochen im Fleisch halten, verzichtet er, und nimmt damit in Kauf, dass aus dreieinhalb Kilo Schweinefleisch am Ende nur drei Kilo Schinken werden. Für die richtige Würze kocht Jansen einen Sud, in dem ein Leinenbeutel, voll mit Pfeffer, Koriander und anderen Gewürzen schwimmt. Ein Aufwand, den viele Kollegen in der Branche offenbar scheuen: "Flüssigwürzen, Phosphate, Citrate - damit geht's natürlich leichter", erklärt er.
"Die Verbraucher haben sich schon längst an Industrieware gewöhnt"
Durchblättert man die Kataloge von Herstellern, die Fleischzusätze und Gewürzmischungen für Metzger anbieten, bekommt man eine Vorstellung, wie verbreitet Zusatzstoffe auch im Handwerk sind. Für Bio-Metzger werden spezielle Mischungen angeboten, in denen nur die dort zugelassenen Stoffe stecken. Ob sie der Metzger des Vertrauens oder der Feinkosthändler in der Fußgängerzone auch benutzt? Fragen kostet nichts.
Man sieht es einem Schinken nicht an, was in ihm steckt. Aber denkt der Verbraucher bei einem Kochschinken auch wirklich noch an ein Produkt, dass so traditionell hergestellt ist, wie das aus der Fleischtheke von Heinz Jansen? Oder erwartet er nur noch das, was im Supermarkt an abgepackter Ware zu finden ist? Genau diese Frage hatte vor nicht allzu langer Zeit das Verwaltungsgericht Osnabrück zu entscheiden. Und das entschied, dass sich der Verbraucher längst schon an Industrieware gewöhnt habe. Schinken, so die Richter, könne demnach auch aus kleineren Fleischstückchen in eine kreisrunde Form gepresst und in exakt runde Scheiben geschnitten sein. Folglich werde der Verbraucher auch nicht irregeführt, wenn industriell abgepackte Ware als Delikatess-Schinken verkauft wird. Auch die Überwachungsbehörden und ÖKO-TEST hätten nie etwas gegen den geformten Schinken gesagt. Dies wertete das Gericht als Beleg dafür, dass die allgemeine Auffassung von Schinken eben nicht mehr der schiere gepökelte Schweinehintern sei.
In diesem Test haben wir uns wieder einmal um industriell hergestellten Schinken gekümmert. Wir waren neugierig, ob wir fertig verpackten, standardisierten Schinken aus dem Supermarkt zum Spargel wirklich uneingeschränkt empfehlen können. In Supermärkten und Bio-Läden kauften wir 14 Produkte ein und ließen sie in Laboren auf Keime und chemische Parameter untersuchen. Außerdem waren wir neugierig, ob sich ein echter, traditionell hergestellter Schinken auch im Labor anhand chemischer Werte von einem Industrieschinken unterscheiden lässt. Dieser Schinken lief allerdings außer Konkurrenz.
Das Testergebnis
... kann einem schon den Appetit verderben. Keinem einzigen Produkt konnten wir die Note "sehr gut" geben. Von "gut" bis "ungenügend" ist die gesamte Bandbreite vertreten.
In vielen Proben wimmelte es zum Ende der Mindesthaltbarkeit nur so an Keimen. Zum Glück handelte es sich in den meisten Fällen um Milchsäurebakterien, die zwar keine Krankheiten auslösen, aber dafür sorgen können, dass der Schinken sauer und ungenießbar wird. Nur in einzelnen Fällen fanden wir auch Enterobakterien, eine große Gruppe von Keimen, unter denen sich auch solche befinden, die Krankheiten auslösen können.
Um ganz sicher zu sein, ob es sich um einmalige Ausreißer handelt oder möglicherweise um ein dauerhaftes Problem in der Herstellung oder im Handel, haben wir jeweils drei Chargen auf Keime untersuchen lassen. Bei einzelnen Marken waren wir aber mit keiner einzigen Probe so richtig zufrieden. Eine Probe roch sogar so stechend, dass die Sensoriker sie nicht mehr verkosten konnten. Wir vermuten, dass in vielen Fällen die Mindesthaltbarkeitsdaten sehr großzügig gewählt sind: Zwischen 14 und 25 Tagen setzen die Hersteller nach eigenen Angaben zwischen Produktion und Mindesthaltbarkeitsdatum an. Allein bei den Produkten von Herta und Lidl hatten wir in puncto Keime an keiner Charge etwas auszusetzen. Was Keime betrifft, ist Aufschnitt übrigens anfälliger als Ware vom Stück. Denn die Oberfläche, auf der sich die Keime besonders gut vermehren, ist hier viel größer. Deshalb sind Richt- und Warnwerte, die die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) als Orientierungsgrößen herausgibt, für Aufschnittware ohnehin schon höher angesetzt als für Stückware.
Der feine Unterschied: Glutamat setzt kein Hersteller zu - Zutaten, die Glutamat enthalten, schon
Beim Geschmack wird bei den meisten Produkten nachgeholfen: Mal mit Aroma, mal mit Hefeextrakt oder mit Würze. Zwar enthält keines der Produkte den umstrittenen Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat (E 621), denn der müsste als solcher deklariert werden. Trotzdem ist auch in Hefeextrakt und in Würze in aller Regel Glutamat enthalten. So oder so: All diese Zutaten haben eines gemeinsam: Sie können einen Schinken geschmacklich "aufwerten". Wir finden, ein guter Schinken braucht nicht viel mehr als gutes Fleisch und ein paar Gewürze. Die Hersteller der Bio-Schinken von Edeka und Alnatura sowie der Hersteller des Netto-Schinkens kommen auch ohne diese Zutaten aus, ohne dass der Schinken deshalb schlechter schmecken würde. Deshalb werten wir den Einsatz von Aroma, Hefeextrakt und Würze gleichermaßen ab. Die Hersteller weisen zwar teils darauf hin, dass im Produkt nur sehr geringe Mengen Glutamat enthalten sind. Wir finden, dass die Hersteller dann aber auch darauf verzichten könnten.
So reagierten die Hersteller
Aufgrund der von uns vorgelegten Ergebnisse erklärte Real, dass die Zeitspanne bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum des Real Quality Delikatess Kochhinterschinken verkürzt werde. Diese betrage bislang 18 Tage.
Rügenwalder Mühle erklärte, man arbeite bereits daran, die Ursache für erhöhte Keimzahlen des Rügenwalder Mühle Mühlen Schinken Zarter Kochschinken abzustellen. Außerdem fänden mittelfristig umfassende Veränderungen in der Produktion statt, die "diesen Sachverhalt sicher vollständig beseitigen werden".
Zimbo hat nach eigenen Angaben von Anfang März an die Würze aus der Rezeptur des Produktes Zimbo Delikatess Hinterkochschinken entfernt.
Basic erklärte, man habe auf die mikrobiologischen Ergebnisse von ÖKO-TEST sofort reagiert. Eine mögliche Ursache sei ein "Treibhauseffekt in der Schale". Deshalb werde man bei der Verpackung ab sofort eine Folie mit UV-Schutz einsetzen.
Am besten ist das Original
Auch wenn er nicht leicht zu finden war: Es gibt ihn noch, den echten, traditionell hergestellten Kochschinken. Wir haben ihn in einem Bio-Laden am Rande des Odenwaldes entdeckt. Aber eigentlich kommt er aus dem oberbayerischen Glonn. Laut Hersteller, den Hermannsdorfer Landwerkstätten, enthält er nur Schweinefleisch, Trinkwasser, Meersalz, Nitritpökelsalz, weißen Pfeffer, Kümmel, Koriander, Senfsaat, Wacholder, Rosmarin, Lorbeer, Knoblauch, Rauch. Und sonst nichts. Wir wollten wissen, ob er sich auch anhand harter Labordaten von der Supermarktware unterscheidet und haben ihn - außer Konkurrenz - zusammen mit den anderen Produkten auf gängige Fleischparameter untersuchen lassen. Zunächst ist den Testern der "deutlich bis kräftig aromatische" Geschmack aufgefallen. Die Konsistenz beschrieben sie als "saftig, fest und zart im Biss", wogegen manchem Industrieschinken eine "leicht gummiartige" Konsistenz attestiert wurde. Chemisch fiel zunächst der sehr geringe Wasseranteil auf, der auch noch durch den im Vergleich niedrigsten Wasser-Eiweiß-Quotienten im Test bestätigt wurde. Offenbar hat der Schinken aus Glonn bei der Herstellung einiges an Flüssigkeit verloren, wogegen die meisten anderen Hersteller darauf achten dürften, dass nach dem Spritzen mit Pökellake möglichst viel Wasser im Produkt bleibt. Auch das Fleischeiweiß im fettfreien Anteil ist beim "Hermannsdorfer" etwas höher als bei der Konkurrenz, auf jeden Fall aber weit über den Mindestanforderungen. Am nächsten kommt dem Traditionsschinken chemisch gesehen noch der Rewe Delikatess Metzgerschinken. Mit seiner ovalen Form und dem typischen Fettrand ähnelt er auch vom Aussehen dem Traditionsschinken am meisten.
Schinken, ...oder so ähnlich
Ob auf der Pizza beim Italiener, im Cordon bleu vom Discounter oder als Aufschnitt aus der Feinkosttheke - letztlich ist alles Schinken. Oder doch nicht? Wir erklären, wo die Unterschiede liegen.
Schinken in seiner Urform ist das Hinterteil des Schweins, also Pobacken und Schenkel. Gut zu erkennen ist das bei mediterranen Rohschinken wie dem Serrano, bei dem meist der ganze Schlegel samt Fuß in den Handel kommt. Beim Kochschinken wird der Knochen herausgelöst. Damit dort, wo der Knochen war, kein Loch bleibt, wird der Schinken zum Kochen in eine Form gedrückt oder von einem Netz zusammengehalten.
Zusammengefügter Schinken: Die Scheiben in der Packung sind kreisrund, ein Schweinehintern aber nicht. Wer glaubt, dass ein runder Schinken einfach nur aus einem großen Stück ausgestanzt wurde, ist auf dem Holzweg. Diese Schinken sind in aller Regel aus mehreren Teilen zusammengefügt. Dazu werden kleinere Teile, die aber noch als Schinken verkauft werden dürften, in einer speziellen Maschine gedreht (in der Fachsprache: getumbelt), sodass an der Oberfläche eine klebrige Masse austritt. In einen Darm gepresst und gekocht, halten die Teile so zusammen. Dass der Schinken aus einzelnen Teilen zusammengesetzt wurde, muss nicht auf der Packung stehen.
Vorderschinken müsste korrekterweise Schweineschulter heißen. Denn hierzu wird das Fleisch von den Vorderbeinen des Schweins verarbeitet.
Formfleisch und Formfleischschinken sind kein Schinken im traditionellen Sinne. Hierzu wird ein Produkt aus kleineren Fleischteilen zusammengesetzt, die so nicht mehr als Schinken verkauft werden dürften. Formfleischerzeugnisse müssen klar als solche gekennzeichnet sein und chemisch zumindest so zusammengesetzt sein wie die Produkte, denen sie nachgebildet sind. Die Schinken in unserem Test wurden im Labor kritisch beäugt. Bei einem Produkt waren die Schinkenteile, aus denen die Scheiben zusammengesetzt waren, zwar teils sehr klein. Trotzdem gab es bei keinem Produkt einen Hinweis darauf, dass es sich um ein Formfleischprodukt handeln könnte.
Schinkenimitat hat gar nichts mehr mit einem gewachsenen Schinken zu tun. Hier werden zu kleinen Fleischteilen und Brät auch Wasser, Bindemittel und Fremdeiweiß gemischt. Ein solches Schinkenimitat kann viel eher mit einer Jagdwurst verglichen werden. Lebensmittelkontrolleure finden Schinkenimitate häufig in Lokalen als Belag auf der "Schinken"-Pizza. Schinken dürfen sie sich nicht nennen. Korrekt sind beschreibende Bezeichnungen wie "gegartes Erzeugnis aus Vorderschinkenfleisch mit Würzlake, Dickungsmittel, Stärke und Phosphat".
So haben wir getestet
Der Einkauf
Gekochter Schinken ist der klassische Begleiter zum Spargel. Damit der Test pünktlich in der Maiausgabe erscheinen konnte, haben wir schon im Februar eingekauft. Die Ware von der Bedientheke im Supermarkt oder in der Metzgerei haben wir links liegen lassen. Denn hier gibt es viel zu viele unterschiedliche Hersteller. Stattdessen beschränkten wir uns auf abgepackte Produkte, die es überall gibt. Neben den großen Marken wie Herta, Zimbo oder Rügenwalder Mühle haben wir auch die Eigenmarken der Handelsketten besorgt. Von jedem Produkt kamen Proben von drei unterschiedlichen Chargen auf die Untersuchungstische der von uns beauftragten Labore. Dabei wurde sowohl die Temperatur am Kühlregal als auch beim Transport und bei der Lagerung penibel genau überwacht - viel genauer als es Otto Normalverbraucher machen würde, der den Schinken nach dem Einkauf in den Fahrradkorb packt, ein Stück durch die Sonne radelt und vielleicht noch kurz zum Bäcker fährt, ehe der Schinken wieder ins Kühle kommt. Außer Konkurrenz lief ein ganz traditionell hergestellter Bio-Schinken. Denn wir waren neugierig, ob sich ein solcher Schinken auch im Labor von einem industriell gefertigten Schinken unterscheiden lässt.
Die Inhaltsstoffe
Das Hauptproblem beim Schinken sind die Keime. Wir haben auf eine ganze Reihe üblicher Bakterien und Hefen getestet. Darunter solche, die vor allem für den Verderb des Produktes sprechen, aber auch auf solche, die für die Gesundheit gefährlich sein können. Die Produkte wurden von Experten zudem verkostet, um zu prüfen, ob sich eine hohe Keimbelastung schon durch einen abweichenden Geschmack bemerkbar macht. Im Labor wurden außerdem Parameter wie Wassergehalt, Asche, Fett und Protein bestimmt. Diese sind die Basis für die Berechnungen branchenüblicher Fleischparameter. Aus ihnen lässt sich ableiten, ob Fremdwasser zugesetzt oder billiges Fleisch verwendet wurde, das in einer Wurst verwendet werden darf, nicht aber in einem Schinken. Außerdem wurden die Nitrat- und Nitritgehalte gemessen, denn diese Stoffe, die in großen Mengen schädlich sind, sind als Bestandteil der Pökellake in jedem Schinken enthalten. Allerdings dürfen sie nur in begrenzten Mengen vorkommen. Schließlich haben wir noch die Deklaration unter die Lupe genommen und nach Zutaten gesucht, die für einen intensiveren Geschmack sorgen und Qualitätsschwankungen ausgleichen können.
Die Bewertung
Wenn ein Schinken merkwürdig riecht oder schmeckt, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist, ist das für den Verbraucher immer ärgerlich. Denn schließlich hat man ja für den Schinken gezahlt, den man nun wegwerfen muss. Deshalb kann die Note für die Mikrobiologie nicht besser sein als "ausreichend", wenn eine Probe schon sensorisch auffällig war und mit "mangelhaft" bewertet wurde. War mehr als eine Probe auffällig, konnte die Note für die Mikrobiologie nicht besser sein als "mangelhaft". Abgewertet haben wir außerdem den Zusatz von Aroma und Zutaten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Glutamat enthalten, etwa Hefeextrakt und Würze.