Mit der DDR-Mark war am Samstag, den 30. Juni 1990, Schluss. Die fünf neuen Bundesländer wurden auf die D-Mark umgestellt. Doch als das Centrum-Warenhaus auf dem Berliner Alexanderplatz am darauffolgenden Montag die Türen wieder öffnete, war nicht nur die Ostmark weg, erinnert sich ein Studienkollege aus Halle, der die Wendezeit in Berlin erlebte. Weg waren auch die Tempo-Linsen, der Bautz'ner Senf, der Kuko Reis und alle anderen Ostmarken. Stattdessen standen die Regale randvoll mit Westprodukten.
Doch bereits 1991 ließ sich bei den Ostdeutschen eine Sehnsucht nach Waren aus der ehemaligen DDR ausmachen, schreibt der Historiker Dr. Rainer Gries in seinem Buch Vertrauen Kaufen. "Schon bald nach der Wendezeit tauchten typische Ostmarken wieder auf und eroberten sukzessive die Regale", bestätigt Dr. Volker Müller vom Institut für Marktforschung Leipzig.
Müller beobachtete die Warenwelt bis 1990 in der DDR und seither im vereinigten Deutschland. Der Leipziger Marktforscher erklärt, die Ostmarken mussten lernen, wie Marktwirtschaft funktioniert, wie man sich behauptet gegen die finanzstarke Westindustrie mit ihren Werbeprofis. Die Ostmarken befinden sich aus Marketingsicht heute in einer Phase, in der es darum geht, den Westen zu erobern und sich vom Ostimage zu emanzipieren. Geschafft haben das bisher erst wenige Ostklassiker. Etwa das Radeberger Pils oder Kosmetik der Marke Florena. Und auch das Waschmittel Spee ist eine der wenigen ostdeutschen Marken, die sich in den alten Bundesländern mit Erfolg durchsetzen konnte.
"Viele Unternehmenskonstrukte zeigen aber auch, dass die meisten Ostmarken in der Hand von Westunternehmen sind", erklärt Marktforscher Müller. Die Firmen aus den alten Bundesländern merkten bald, die üblichen Marktanteile sind im Gebiet der ehemaligen DDR nicht leicht zu holen. Ostklassiker und neue Ostprodukte sind aber gefragt. So kaufte im Jahr 1992 die bayerische Firma Develey Senf & Feinkost den Ostklassiker Bautz'ner Senf, die Firma Henkel griff zu Spee und Beiersdorf verleibte sich Florena ein. Hinter dem Radeberger Pils steht das Familienunternehmen Dr. Oekter in Bielefeld.
Wieso aber können sich einige Marken durchsetzen und andere nicht? Der Erfolg ist nicht zuletzt eine Frage des Geldes, das in die Modernisierung von Produktionsanlagen und Jobs investiert werden muss. Den Platz im Supermarktregal und die Einlistung bei den Handels- und Supermarktketten gibt es nicht umsonst, das kostet Gebühren und verpflichtet zu teurer Werbung. Mit starken Mutterkonzernen im Hintergrund ist das besser machbar.
Wir haben 28 Produkte, darunter 27 Lebensmittel aus dem DDR-Alltag sowie ein Einkaufsnetz, eingekauft und in die Labore geschickt.
Made in Ostdeutschland
Nach Umfragen des Instituts für Marktforschung Leipzig ist 64 Prozent der in Ostdeutschland Befragten wichtig, ob die Alltagsprodukte in der Region hergestellt sind oder nicht. Besonders die über 50-Jährigen (74 Prozent) achten auf "Made in Ostdeutschland", bei den 18 bis 30-Jährigen sind es noch 37 Prozent.
DDR-Alltagskultur
... zum Anfassen gibt es in folgenden Museen:
Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Erich-Weinert-Allee 3, 15890 Eisenhüttenstadt, www.alltagskultur-ddr.de, Dienstag bis Freitag von 13 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr, Eintritt, 3,00 Euro ermäßigt 1,00 Euro
DDR Museum Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 1, 10178 Berlin, www.ddr-museum.de, Montag bis Sonntag von 10 bis 20 Uhr, Eintritt 5,50 Euro und ermäßigt 3,50 Euro
DDR Museum Wasapark, Wasastraße 50, 01445 Radebeul, www.ddr-museum-dresden, Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt 7,00 Euro und ermäßigt 5,50 Euro.
Wichtige Wirtschaftszweige
In den fünf neuen Bundesländern erwirtschaftet die Lebensmittelbranche rund 23,7 Milliarden Euro und damit rund 15 Prozent des Gesamtumsatzes im produzierenden Gewerbe. Wichtige Wirtschaftszweige sind:
Brandenburg: Obst- und Gemüseverarbeitung, Mineralwasser, Erfrischungsgetränke
Mecklenburg-Vorpommern: Fisch-, Kartoffel-, Milchverarbeitung
Thüringen: Fleischverarbeitung
Sachsen: Milchverarbeitung, Brauwirtschaft
Sachsen-Anhalt: Frucht- und Gemüsesäfte
Berlin: Süßwaren, Kaffeeröstereien.
Ostprodukte im ÖKO-TEST-Magazin
Etliche neue Ostprodukte haben wir in diesem Jahr bereits unter die Lupe genommen. Bier von Radeberger, der Hasseröder Brauerei, der Brauerei Landsberg und von sieben weiteren Brauereien in den neuen Bundesländern ließen wir für unsere Augustausgabe (8/2009) analysieren und verkosten - mit jeweils "sehr gutem" Gesamtergebnis. Für das ÖKO-TEST-Magazin 9/2009 hatten wir u.a. frische Milch von Ökodorf Brodowin ("sehr gut"), Gläserne Meierei ("gut") und Hemme Milch ("befriedigend") eingekauft. Der Born Senf ("sehr gut"), der Bautz'ner Senf und der Jüteborger Senf (beide "gut") waren im Test Senf in unserer Juniausgabe (6/2009) dabei und mehr als 15 Mineralwassermarken aus Ostdeutschland haben wir für unsere Juliausgabe (7/2009) getestet. Diese Ausgaben des ÖKO-TEST-Magazins sind im Internet unter www.oekotest.de erhältlich.